News: Bürgermeisterwahl in New York, 75 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention, Johann Wadephul in Nahost

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Muslim-Man in New York

Als junger Mensch hatte ich mal ein Shirt, auf dem »Don’t panic, I’m islamic« stand – ein Versuch, gegen antimuslimische Stereotype anzuprovozieren. Nicht mit Gegenhärte oder Verzweiflung, sondern mit Humor, soweit noch vorhanden und abrufbar. Zohran Mamdani, der am Dienstag echte Chancen hat, von den New Yorkerinnen und New Yorkern zum ersten muslimischen Bürgermeister der Millionenmetropole gewählt zu werden, scheint auch zwischen Provokation, guter Laune und Verzweiflung zu changieren, wenn es um seine muslimische Identität geht.

 Boost für die Demokraten?

Kandidat Mamdani: Boost für die Demokraten?

Foto: Ryan Murphy / REUTERS

Der Kandidat der Demokraten gilt als Favorit für das Amt, das als »zweithärtestes in den Vereinigten Staaten gilt«, wie meine Kollegin Nicola Abé in ihrem lesenswerten Porträt über Mamdani schreibt. Der 34-Jährige führt in den Umfragen – wohl nicht, weil er Muslim ist und nicht allein deshalb, weil er sich für die Rechte aller gesellschaftlichen Randgruppen einsetzt; sondern wohl eher, weil er allen basale Dinge verspricht: eine Mietpreisbremse, kostenlose Kinderbetreuung und Busse. Es geht also um ein bezahlbares Leben in einer der teuersten Städte der Welt (mehr dazu hier ). Finanzieren will er das, indem er Reiche mehr zur Kasse bitten will. Das alles erzählt er den New Yorkern perfekt inszeniert in den sozialen Medien.

Ist das links, verrückt, längst überfällig – oder alles gleichzeitig? Könnte der untypische Linkspopulist der Boost für die Demokraten sein, die seit Trumps Sieg im vergangenen Jahr wie paralysiert und strategisch verloren wirken? Nicht alle in der Partei sind davon überzeugt.

Dennoch, Favorit dürfte Mamdani, der noch vor einem Jahr ein unbekannter Abgeordneter des Stadtparlaments war, auch deshalb sein, weil seine Gegner schwach sind. Den Namen des republikanischen Kandidaten muss man sich wahrscheinlich nicht merken. Es gibt aber noch Andrew Cuomo (mehr über ihn hier), der als Gouverneur des Bundesstaates New York zurücktreten musste, nachdem ihm mehrere Frauen Belästigung vorgeworfen hatten. Zuletzt griff er seinen Kontrahenten Mamdani wegen dessen Glaubens an und insinuierte in einem Interview, dass dieser sich über einen Anschlag wie den vom 11. September freuen würde.

Interessant wird, wie Mamdani bei den New Yorker Jüdinnen und Juden abschneiden wird, eine der wichtigsten Wählergruppen. Mamdanis Einstellung zu Israel ist umstritten, die jüngeren Jüdinnen und Juden bevorzugen ihn offenbar, die älteren sehen ihn eher als Gefahr.

US-Präsident Donald Trump hat ihn offenbar als neuen Lieblingsfeind auserkoren und gedroht, dass er statt Geld Truppen nach New York schicken werde, falls der »muslimische Sozialist« gewinnt. Er nimmt ihn also ernst.

Happy birthday, Menschenrechte!

Nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust war sie eine Art Vertrag gewordenes Versprechen des »Nie wieder«: Vertreter von zehn europäischen Staaten kamen am morgigen 4. November vor 75 Jahren in Rom zusammen, um die »Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten« zu unterschreiben. Kurz: die Europäische Menschenrechtskonvention. Ein klares Bekenntnis zu den Rechten und Freiheiten aller Menschen, die nun europaweit einklagbar wurden: das Recht auf Leben, Verbot von Folter, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, der Schutz vor Freiheitsentzug, die Garantie von Meinungs-, Gewissens-, Glaubensfreiheit. Rechte, die in Westeuropa heute selbstverständlich sind.

 Die Konvention ist nur so stark wie das Bekenntnis der Staaten, sie einzuhalten

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Die Konvention ist nur so stark wie das Bekenntnis der Staaten, sie einzuhalten

Foto: Ardan Fuessmann / IMAGO

Heute bekennen sich 46 Staaten zur Menschenrechtskonvention, mehr als 700 Millionen Menschen profitieren von ihr – zumindest in der Theorie. Will ein Land Mitglied im Europarat sein, muss es die Konvention unterzeichnen und sich klar zu diesen Prinzipien bekennen. Deshalb verwundert es nicht, dass Russland 2022 nach Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine ausgetreten ist. Belarus und der Vatikan haben sie erst gar nicht unterzeichnet.

Andere Unterzeichnerstaaten halten sich nicht immer an die Entscheidungen des zuständigen Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Die Türkei etwa ignoriert seit Jahren die Entscheidungen des EGMR, den Kulturmäzen Osman Kavala (mehr hier ) und den Politiker Selahattin Demirtaş (mehr hier) freizulassen. Das Gericht sieht in beiden Fällen Rechte wie Meinungsfreiheit und politische Teilhabe verletzt. Trauriges Jubiläum: Demirtaş wurde vor nun zehn Jahren in der Nacht vom 3. auf den 4. November festgenommen, ausgerechnet.

Die Beispiele zeigen: Die Konvention ist nur so stark wie das Bekenntnis der Staaten, sie einzuhalten – und die Bereitschaft von Regierungen und Gesellschaften, ihre Einhaltung entschieden einzufordern. Politisch durchsetzbar ist sie nicht.

Die Zerstörung Syriens

Die Reise von Außenminister Johann Wadephul in den Nahen Osten, »fünf Länder in vier Tagen«, wie er auf Instagram betonte, ist zwar seit Samstag zu Ende, doch zwei Sätze, die er nach seinem Besuch in einem Vorort von Damaskus sagte, hallen nach. Mit Blick auf die syrischen Geflüchteten in Deutschland stellte Wadephul fest: »Kurzfristig können sie nicht zurückkehren.« Und: »Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.«

 Rechte Hand ans Herz

Außenminister Wadephul in Damaskus: Rechte Hand ans Herz

Foto: Marcus Brandt / dpa

Auf Instagram konnte man auch Wadephuls Spaziergang durch die zerstörten Straßen im Stadtteil Harasta sehen, es war ein surreales Bild: Der deutsche Außenminister in Anzug und geputzten Schuhen nebst Delegation stakst über die staubigen Wege, Ruinen weit und breit, wo einmal Häuser standen. Er unterhält sich mit Kindern, Wadephul stellt sich ihnen mit Vornamen vor, lächelt warm. Er führt, wie in der arabischen Welt üblich, die rechte Hand ans Herz.

Bei so viel Menschlichkeit kriegen hierzulande einige offenbar schon wieder Schnappatmung. Die Binse, dass nicht jeder nach Deutschland kommen und bleiben könne, wurde auch zur Sicherheit noch mal hervorgeholt (»FAZ«), Wadephul zum Problemfall (»Bild«) erklärt. Ein gewisser Widerspruch zwischen Wadephuls Bewertung und der Absicht seiner Koalition, nach Syrien abzuschieben, besteht natürlich. Und dennoch: Der Außenminister hat eine realistische Bewertung der Situation vor Ort abgegeben, keine Einladungskarten nach Deutschland verteilt.

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Gewinnerin des Tages…

…ist Heidi Klum. Auch dieses Jahr ist die Unternehmerin zu ihrer mittlerweile legendären Halloweenparty in ein spektakuläres Kostüm geschlüpft: Sie ging als Medusa, inklusive sich bewegenden Schlangenköpfen auf dem Haupt.

 Monster mit Schlangenhaaren und Schuppen

Als Medusa verkleidete Klum: Monster mit Schlangenhaaren und Schuppen

Foto: CJ Rivera / Invision / AP / dpa

Besonders zu feiern ist die Auswahl der Figur aus der griechischen Mythologie. Medusa widerfuhr Schreckliches: Einst war sie eine wunderschöne Frau. Doch nachdem der Meeresgott Poseidon sie vergewaltigt und in einem ihrer Tempel liegen gelassen hatte, verwandelte Göttin Athene Medusa in ein Monster mit Schlangenhaaren und Schuppen. Fortan ließ ihr Anblick jeden zu Stein erstarren.

Somit war der Grundstein für die Beschuldigung von Frauen gelegt, doch irgendwie selbst schuld an sexuellen Übergriffen zu sein. Ob Klum mit dem Kostüm daran erinnern und ein Zeichen setzen wollte? Die »New York Times« zitiert sie mit den Worten: »Ich habe schon eine Weile mit der Idee von Medusa gespielt und dachte mir: ›Lass uns Medusa richtig machen‹.« Und: »Sie ist einfach eine wirklich coole, furchterregende Schlangenfrau.«

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Führender US-Demokrat beschuldigt Trump, Hunger als Waffe einzusetzen: Beim Shutdown in den USA ist kein Ende in Sicht. Nun drohen Lebensmittelhilfen für Millionen Menschen wegzufallen. Der Demokrat Hakeem Jeffries erhebt deswegen schwere Vorwürfe gegen die Trump-Regierung.

  • Hamas übergibt drei weitere Leichen an Israel: Israel hat die sterblichen Überreste von drei weiteren mutmaßlichen Geiseln erhalten. Nun soll ein gerichtsmedizinisches Labor ermitteln, ob es sich dabei um die Leichen israelischer Soldaten handelt.

  • Drohne legt Flugverkehr in Bremen lahm – weitere Sichtung in Belgien: Die Zwischenfälle mit Drohnen häufen sich, in Deutschland wie auch in Nachbarstaaten. Zuletzt stand der Bremer Flughafen still. Über einer Nato-Basis in Belgien musste am Abend ein Polizeihubschrauber aufsteigen.

Heute bei SPIEGEL Extra: Haben Sie auch schon mal »Slop« produziert?

[KI] DER SPIEGEL- generiert mit Midjourney

Künstliche Intelligenz soll lästige Aufgaben abnehmen, erschafft aber auch erstaunlich viel Murks. Manchmal ist der Arbeitsaufwand größer als zuvor – und kostet nicht nur Geld .

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Özlem Topçu, Leiterin des SPIEGEL-Auslandsressorts

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