Bisher galten Äthiopische Wölfe als strikte Fleischfresser. Doch nun hat ein Forschungsteam um Sandra Lai von der Universität Oxford beobachten können, wie die Tiere Nektar von den gelbroten Blüten der afrikanischen Fackellilien schleckten. So ein Verhalten wurde nach Angaben von Lai bisher noch nie bei einem großen Raubtier dokumentiert. Ihre genauen Beobachtungen schildern die Forschenden im Fachjournal »Ecology«.
Äthiopische Wölfe gelten nach Angaben der Uni Oxford als die seltensten Wildhunde der Welt und zugleich als Afrikas meistbedrohte Raubtierart. Weniger als 500 Tiere leben demnach in den Hochgebirgen Äthiopiens. Die Wildhunde ziehen allein oder auch als Rudel los, um nach Beute zu jagen. Dabei stehen Nagetiere ganz oben auf dem Speiseplan.
Wenn sie gerade keine Tiere jagen, entwickeln die Wildhunde anscheinend eine Vorliebe für Süßes: Forschende beobachteten, wie Äthiopische Wölfe die hochwachsenden Blütenstände der Fackellilie ableckten, um den süßen Nektar zu trinken.
»Das erste Mal«
Das ist ein höchst ungewöhnliches Verhalten bei einem großen Raubtier, von dem man bisher angenommen hatte, dass es sich ausschließlich von Fleisch ernährt. »Soweit ich weiß und basierend auf der veröffentlichten Literatur ist dies das erste Mal, dass ein großer fleischfressender Räuber beobachtet wurde, der Nektar frisst«, sagte Sandra Lai der Nachrichtenagentur dpa.
Das Forschungsteam um Lai beobachtete schon länger, wie die Wildhunde regelmäßig Nektar von den afrikanischen Fackellilienblüten schleckten. Um dieses eher ungewöhnliche Fressverhalten genauer zu untersuchen, nahmen die Forschenden sechs Wölfe aus drei verschiedenen Rudeln über mehrere Tage näher ins Visier.
Während vier Tiere nur wenige Blütenstände aufsuchten, verbrachten zwei Wildhunde weitaus mehr Zeit mit der Nektarsuche: Sie besuchten der Studie zufolge 20, manchmal sogar 30 der leuchtend gelbroten Fackellilien. Obwohl sich diese zwei Tiere sehr vom Nektar angezogen fühlen, gehen die Autoren nicht davon aus, dass der Nektar bedeutend zum Energiehaushalt der Tiere beiträgt.
»Meiner Meinung nach machen sie das vermutlich, weil ihnen der Geschmack gefällt«, meint Lai.
Die beobachteten Wildhunde gehörten zwar verschiedenen Rudeln an, doch sie alle hatten eine Vorliebe für den Fackellilien-Nektar. Das zeigt nach Angaben der Forscher, dass dieses Fressverhalten nicht zufällig auftritt, sondern viel mehr innerhalb der Population weitverbreitet ist.
Dass Äthiopische Wölfe den Nektar der Fackellilie fressen, wirft zudem die Frage auf, inwiefern die Tiere eine Funktion als Blütenbestäuber haben. Allerdings sind blütenbestäubende Säugetiere laut Studie meist klein bis mittelgroß und lebten oft auf Bäumen. Fleischfressende Säugetiere, die zudem Nektar fressen und so Blüten bestäuben, kommen sehr viel seltener vor.