Naturschutz: Kamerafallen zum Tigerschutz als Gefahr für Frauen in Nordindien

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Kamerafallen und ferngesteuerte Drohnen, mit denen in einem Reservat in Indien geschützte Tigerpopulationen überwacht werden, haben unerwünschte und teils gefährliche Folgen für Frauen, die dort leben. Die moderne Technik werde von der örtlichen Regierung und männlichen Dorfbewohnern "absichtlich missbraucht", um sie ohne deren Zustimmung zu überwachen, haben zwei Forscher der Cambridge University herausgefunden. Wenn die Frauen dem entgehen wollen, vergrößern sie ihre Gefahr, haben die beiden in hunderten Gesprächen mit den Menschen vor Ort herausgefunden. Eine der interviewten Frauen sei inzwischen von einem Tiger getötet worden, erzählt das Team und unterstreicht damit, wie konkret die Gefahr ist.

Wie die britische Universität erläutert, suchen Frauen aus der Gegend um das Corbett Tiger Reserve in Nordindien Zuflucht und Schutz vor den männlich dominierten Strukturen in ihren Dörfern oder Problemen in ihren Familien in den Wäldern. Viele würden dort stundenlang Holz sammeln oder Kräuter suchen. Seit sie sich jetzt aber von den Kameras, Aufnahmegeräten und Drohnen überwacht fühlen, würden sie viel dabei leiser singen und reden als sie es früher getan haben. Das erhöhe aber gleichzeitig das Risiko, dass sie sich plötzlich einem Elefanten oder gar einem Tiger gegenüber sehen. Solche Begegnungen können lebensgefährlich sein.

Als Beispiel für die Folgen verweist Studienautor Trishant Simlai auf den Fall einer Frau, von der mit einer Kamerafalle ein Foto während eines Toilettengangs gemacht wurde. Die Aufnahme sei dann in lokalen Facebook- und WhatsApp-Gruppen verbreitet worden, um sie gezielt zu belästigen. Wegen solcher Vorfälle und weil die Frauen vor einem derartigen Gerät nicht wissen, wer sie dadurch beobachtet, würden sie sich ganz anders verhalten – und dadurch in Gefahr bringen. Gleichzeitig seien die Identitäten der Frauen dort eng an ihre täglichen Tätigkeiten und sozialen Rollen in den Wäldern gebunden. Sie hätten bemerkt, dass die Technik benutzt werde, um sie auch dort einzuschüchtern und Macht über sie auszuüben.

"Niemand konnte ahnen, dass Kamerafallen zur Überwachung von Säugetieren in den indischen Wäldern einen sehr schlechten Einfluss auf die physische Gesundheit der Frauen dort haben", fasst Simlai das Ergebnis seiner Studie zusammen. Das habe in Naturschutzkreisen für große Aufregung gesorgt, ergänzt sein Kollege Chris Sandbrook. Der Rückgriff auf derartige Technik sei sehr weitverbreitet, aber die Studie mache deutlich, dass man wirklich sicherstellen müsse, dass sie keine unerwünschten Schäden anrichten. Beide plädieren dafür, über soziale Folgen eines Einsatzes solcher Beobachtungstechnik vorher nachzudenken. Ihre Studie haben sie im Fachmagazin Environment and Planning F veröffentlicht.

(mho)

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