Zum zweiten Mal in diesem Jahr treffen sich die Außenminister der wichtigsten westlichen Industriestaaten in Italien, am Montag und Dienstag tagen sie im Kurort Fiuggi in den Bergen östlich von Rom. Solche Treffen werden von langer Hand vorbereitet, und die Themen schreiben sich wie von selbst: die Kriege in der Ukraine und in Nahost, das Großmachtstreben Chinas, die neue amerikanische Präsidentschaft, die Lage in Afrika und das Weltklima. Diesmal aber hat der Gastgeber, Italiens Außenminister Antonio Tajani, ein Thema nachgeschoben, um das sich manche Regierung gerne gedrückt hätte: den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und gegen drei Hamas-Führer wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen.
Staaten, die die Autorität des Gerichtshofs anerkennen – Deutschland gehört dazu, Italien auch, die USA nicht – müssten Netanjahu verhaften, sobald sie seiner habhaft würden. Das sei aber ein theoretisches Problem, sagen jene Regierungen gerne, die fest an der Seite Israels stehen, auch wenn sie dessen Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zunehmend direkter verurteilen. Das gilt zumal für Deutschland, wo Politiker in Regierungsverantwortung immer wieder die besondere Verantwortung des Volkes betonen, das in der NS-Zeit sechs Millionen Juden ermordet hat.
„Jemanden ins Gefängnis zu stecken, bringt keinen Frieden“, sagt Italiens Außenminister
G7-Gastgeber Italien wollte dem Thema ausdrücklich nicht ausweichen. Tajani platzierte es sogar an den Beginn der zweitägigen Beratungen, allerdings wurde es zunächst nicht so ausführlich diskutiert, wie sich das einige Teilnehmer der Runde gewünscht haben. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte vor der Presse, sie erwarte, dass das Thema beim zweitägigen Gipfel noch einmal aufgenommen wird. Eine einheitliche Linie zu finden, könnte schwierig sein. Die USA hatten den Gerichtsbeschluss hart kritisiert. Gastgeber Tajani kündigte an, sich im weiteren Verlauf der Konferenz um eine einstimmige Formulierung im Abschlussdokument zu bemühen. Es sei für den Zusammenhalt der G7 wichtig, bei diesem Thema mit einer Stimme zu sprechen.
Tajani hatte zuvor bereits in mehreren Interviews Stellung bezogen. Der Zeitung La Repubblica hatte er am Wochenende gesagt: „Jemanden ins Gefängnis zu stecken, bringt keinen Frieden.“ Zugleich hat er aber auch seinen Kabinettskollegen Verkehrsminister Matteo Salvini, der wie er stellvertretender Regierungschef ist, in die Schranken gewiesen, der ohne Absprache Netanjahu nach Italien eingeladen hatte: Dort werde ihm nichts geschehen, versprochen. „Außenpolitik ist ein komplizierter Vorgang. Da zählt jedes Wort, alles muss abgewogen werden“, sagte Tajani. Und die Linien der italienischen Außenpolitik bestimmten immer noch die Ministerpräsidentin und der Außenminister. Sollte heißen: Der Verkehrsminister solle sich um die Themen kümmern, für die er zuständig ist.
Baerbock betonte, dass für sie die Unabhängigkeit der Justiz nicht infrage stehe, „die in diesem Fall zu dem Schluss gekommen ist, dass es hinreichend Indizien für sie gibt, diesen Schritt jetzt zu unternehmen“. Sie werde sich allerdings nicht in ein laufendes Verfahren einmischen. Die Außenministerin bekräftigte aber auch, dass die Bundesregierung sich an Recht und Gesetz halte, und sagte wörtlich: „Niemand steht über dem Gesetz.“ Damit ist die Botschaft an Netanjahu wohl klar, und sie ist jener des Italieners Salvini entgegengesetzt: Netanjahu müsste, wenn er denn nach Deutschland reisen würde, mit einer Festnahme rechnen.