Nagelsmanns Ressourcen sind nicht unerschöpflich

vor 1 Tag 1

Die "Mini-EM" sollte nach Wunsch von Julian Nagelsmann das Europameisterschaftsgefühl von 2024 wieder nach Deutschland bringen. Doch stattdessen brachte der Auftakt gegen Portugal bittere Erkenntnisse und eine 1:2-Niederlage, die sich deutlicher anfühlte, als es das Ergebnis suggeriert. Ein Kommentar von kicker-Reporter Sebastian Wolff.

 Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Haderte am Mittwochabend vielfach beim Spiel gegen Portugal: Bundestrainer Julian Nagelsmann. IMAGO/Oryk HAIST

Die klarste Erkenntnis des Mittwochabends von München ist diese: Nagelsmanns Ressourcen sind nicht unerschöpflich. Das ließ sich nach den vielen verletzungsbedingten Absagen im Vorfeld trotz der Vertrauensbekundungen des Bundestrainers an seine Spieler bereits erahnen. Im Spiel wurde es dann sichtbar.

Und zwar schmerzhaft deutlich nach einer Stunde: Portugal brachte mit Vitinha und Francisco Conceicao zwei Spieler, die die Wende herbeiführten und Nagelsmann mangels Alternativen mit Robin Gosens und Serge Gnabry zwei Akteure, die das Ende einleiteten.

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Gosens und Gnabry werden zu den Symbolfiguren

Natürlich wäre es zu einfach, die verdiente Niederlage allein an Gosens und Gnabry festzumachen - und doch war es pure Symbolik, dass ausgerechnet zwei von Nagelsmanns auf einen Schlag gebrachten drei Jokern bei den ersten Gegentreffern Pate standen.

Es verdeutlicht, dass die Qualität irgendwann eben doch nicht mehr ausreicht, wenn in allen Mannschaftsteilen Eckpfeiler fehlen. Dass bei Gnabrys Kurzauftritt auf jeden Ballverlust zudem Passivität im Rückwärtsgang folgte, passt nicht in jenes Bild, dass in den vergangenen eineinhalb Jahren unter Nagelsmanns klarer Führung wieder von der Nationalelf entstanden ist. Auch deshalb bedeutet dieser Abend in der Allianz-Arena einen echten Rückschlag.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass Eckpfeiler der zurückliegenden Monate ebenfalls den Halt verlieren, wenn um sie herum weitere Säulen fehlen. Jonathan Tah etwa erinnerte in Abwesenheit von Antonio Rüdiger an vergangen geglaubte Zeiten im DFB-Trikot. Der 2024er Meisterspieler von Leverkusener, diesjährige Vizemeister und Neu-Münchner leistete sich Unaufmerksamkeiten und Abspielfehler in Hülle und Fülle. Ausgerechnet an der künftigen Wirkungsstätte in München gab der Innenverteidiger Rätsel auf.

Selbstredend ist eine Niederlage kein Grund, umgehend den Alarmzustand auszurufen. Dennoch wurde deutlich: Wenn der zuletzt wiedererstarkten deutschen Elf wichtige Stützen und in Teilen auch die wiederbelebten Grundtugenden abhandenkommen, dann fehlt ihr eben doch noch eine ganze Menge zur europäischen Extraklasse.

Da sich die personelle Zusammensetzung bis zum Spiel um Platz 3 am Sonntag (15 Uhr, LIVE! bei kicker) nicht verändern wird, lässt dies zumindest erahnen, dass dieses Final Four daheim mit einem echten Dämpfer enden könnte. Und es zeigt außerdem, dass auf dem Weg zum angestrebten WM-Titel im kommenden Sommer in den USA (11. Juni bis 19. Juli 2026) personell nicht viel passieren darf - sonst ist Deutschland ein gutes Stück von der Spitze entfernt.

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