So sehen Europapokalgewinner aus
Foto: sportfotodienst / WEREK / IMAGODieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Der Hamburger SV und Nottingham Forest – das sind zwei Klubs, die sich im Spiegel ansehen können. Beide haben nach dürren Jahren in der Zweitklassigkeit mittlerweile die Rückkehr in die erste Liga geschafft, beide haben ihre besten Zeiten lange hinter sich. Das waren die späten Siebziger und die frühen Achtzigerjahre, in denen sie ihre Ligen dominierten und auch in Europa ganz vorn lagen.
Beide Klubs profitierten in jener Zeit von großen Trainerpersönlichkeiten, Branko Zebec und Ernst Happel in Hamburg, Brian Clough in Nottingham. Beide Vereine drehten souverän ihre Runden, der HSV Meister 1979 in der Bundesliga, Nottingham als Aufsteiger Sensations-Titelgewinner 1978 in England.
Showdown in Bernabeu
Am 28. Mai 1980 kam es zum Showdown beider Klubs, zum direkten Duell, zur Klärung der Frage: Welcher dieser Vereine ist in Europa wirklich die Nummer eins? Es ist die Frage, die John Robertson an diesem Abend beantwortete.
Robertson, am 1. Weihnachtstag nach langer Krankheit gestorben, ist ein Name, den man in Hamburg am liebsten vergessen würde. Oder gar nicht erst aussprechen mag, wie den von Lord Voldemort in den Harry-Potter-Romanen, oder wie Alesia in den Asterix-Heften.
Robertson im Europapokalfinale 1979 gegen Malmö
Foto: Pressefoto Rudel / Herbert Rudel / Sportfoto Rudel / IMAGORobertson ist der, der den Hamburgern und ihrem sensiblen Coach Branko Zebec den Weg zum europäischen Thron versperrte. Endspiel im Europapokal der Landesmeister im Estadio Bernabeu von Madrid, es hieß noch nicht Champions League, aber auch damals spielten wahre Champions.
Ihn zu lieben, war einfach
Robertson, der Schotte aus Uddington in South Lanarkshire, ist ein Idol in Nottingham. Brian Clough, der Trainer, mag der Vater des Erfolgs gewesen, aber Clough war ein Mensch mit janusköpfigem Charakter, Motivator und Schinder zugleich, einer, der den Fußballer Justin Fashanu aus der Mannschaft warf, nachdem er herausbekommen hatte, dass sein Spieler schwul war. Fashanu, der sich später das Leben nahm, weil er mit den Anfeindungen und dem Leben nicht mehr zurechtkam.
Clough zu lieben, war schwierig, Robertson zu lieben, war einfach. Seit 1970, da war er 17, kickte er für Nottingham, am Ende werden es 296 Ligaspiele und 61 Tore geworden sein. Er hatte Anteil an dem Titelgewinn in England 1978, als das Clough-Team die Übermannschaft des FC Liverpool in die Schranken wies. Was für ein Triumph, gerade erst aufgestiegen, dann schon Meister. In der Pfalz können sie dieses Gefühl nachvollziehen.
Robertson (links) mit dem Europacup 1979
Foto: AP / dpaAls Meister qualifizierte sich Nottingham für den europäischen Meistercup, und sie gewannen ihn prompt. 1979 im Endspiel von München bezwang Forest Malmö FF 1:0, das entscheidende Tor bereitete Robertson vor, Trevor Francis, an diesem Tag so etwas wie der Sheriff von Nottingham, vollendete per Flugkopfball.
Ein ikonisches Tor, später jahrelang im Vorspann der BBC-Fußballsendung »Match of the Day« zu sehen. In Nottingham ist das Tor von Francis auf Vorlage von Robertson gegen Malmö im Foyer des Stadions verewigt.
Der Fischerhut auf dem Kopf
Anschließend feierten die Nottingham-Profis, wie nur Briten feiern können. Robertson schlenderte mit dem Pokal durchs Olympiastadion, auf dem Kopf einen Fischerhut, die »Süddeutsche Zeitung« schreibt in ihrem Nachruf , »er sah aus wie ein Fan, wie einer, der seinen Leib nicht auf dem Platz in Spielform bringt, sondern in der Kneipe«.
Ein Jahr später also Madrid, Nottingham stand erneut im Finale. Aber auf der Gegenseite war ein Team, das vor Selbstbewusstsein strotzte. Der HSV mit Horst Hrubesch, mit Kevin Keegan, mit Ivan Buljan, mit Peter Nogly, der Eiche, mit Manfred Kaltz und Felix Magath hatte eine glänzende Saison hinter sich, auch wenn man dem FC Bayern den Vortritt bei der Meisterschaft lassen musste.
Gedenken der Fans in Nottingham an Robertson
Foto: Craig Brough / Action Images / ReutersVerdient, nicht verdient, egal
Entsprechend dominant gingen die Hamburger die Partie an, ein Spiel auf ein Tor, Forest war eigentlich nur in der Defensive. Einmal jedoch wagten sie sich wirklich nach vorn, in der 20. Minute. Robertson spurtete in die Mitte, ließ sich den Ball per Doppelpass zurückgeben, schlenzte ins lange Eck, und schon war es passiert. 1:0, und weil Torwart Peter Shilton an diesem Abend hielt, was zu halten war, blieb es dabei. Verdient, nicht verdient, egal.
Zweimal Europapokalsieger nacheinander, wie das zuvor dem großen FC Liverpool gelungen war, Robertson war der Held.
Ein Held mit tragischen Zügen. 1979, im Jahr der Triumphe, hatte er seinem Bruder und dessen Frau sein Auto geliehen, sie verunglückten darin, beide starben. Robertson spielte Tage später im Europapokal gegen den 1. FC Köln, er schoss ein Tor.
Seine von Geburt an hirngeschädigte Tochter starb mit 13 Jahren, die Schicksalsschläge gehörten zum Leben des John Robertson dazu. Die Zigarette, an der er sich festhielt, war eine Art Trost, Robertson qualmte schon als Profi wie irre, rauchende Fußballer waren damals normal, aber Robertson trieb es so weit, dass in der »Times« stand, Clough habe mit ihm um hundert Pfund gewettet, wer es länger ohne aushalten könne: der Trainer ohne Alkohol oder der Stürmer ohne Nikotin.
72 Jahre ist John Robertson nur geworden. Ein Idol der britischen Fußballarbeiterklasse.

vor 3 Stunden
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