Nach dem Schweizer Volksentscheid : Ist die Zeit des Autobahn-Ausbaus auch in Deutschland vorbei?

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Am Sonntag sorgte das Schweizer Stimmvolk für eine Überraschung. Per Volksentscheid sprachen sich die Schweizer Bürger dagegen aus, das Schweizer Autobahnnetz an sechs Stellen mit breiteren Spuren oder neuen Tunneln auszubauen.

Viele Analysten werteten den Entscheid als grundlegendes Signal für eine Verkehrswende. Denn ein Ausbau der „Nationalstraßen“, wie die Autobahnen in der Schweiz heißen, hatte bisher nie zu Kontroversen geführt. Eine entsprechende Entscheidung des Bundesrates, der Schweizer Regierung, wurde erstmals per Volksentscheid infrage gestellt. Auch deshalb hatten viele Beobachter nicht mit einem Sieg der Straßenbau-Gegner gerechnet.

Setzen die Schweizer mit diesem Volksentscheid nun auch ein Signal für Deutschland? Endet auch hier bald das Zeitalter des stetigen Autobahn-Ausbaus? Drei Experten antworten.


Die pünktlichen Züge der Schweiz sind für die Deutsche Bahn schon lange das große Vorbild. Nun gibt die kleine Alpenrepublik auch mit der Abkehr von immer noch mehr Straßenverkehr einen Impuls für die deutsche Verkehrspolitik. Am Sonntag entschied sich das Schweizer Stimmvolk in einem Volksentscheid gegen den Ausbau des Autobahnnetzes. Die Schweizer fürchten, dass breitere Straßen die Zersiedelung und den Zuzug vorantreiben.

In Deutschland will zwar Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) Autobahnen weiter ausbauen. Die Bevölkerung sieht das laut Umfragen aber mit Skepsis. Und für immer breitere Highways fehlt das Geld. Nicht mal die Sanierung aller maroden Brücken kann die Autobahn GmbH derzeit finanzieren. Zudem sinkt durch den Trend zum Homeoffice der Bedarf nach breiten Pendlertrassen.

Ein vergleichbares Stoppsignal für den Autobahn-Ausbau wird es in Deutschland wohl nicht geben. Aber die Macht des Faktischen führt dazu, dass auch hierzulande der Ausbau weitgehend zum Erliegen kommt.


Es ist nicht möglich, ein Fernstraßennetz ohne Engpässe und Netzlücken bereitzustellen, das dem Kfz-Verkehr einen weitgehend störungsfreien Verkehrsfluss ermöglicht. Bei einer lokalen Betrachtung des Netzes im Bereich von Engpässen und Netzlücken gibt es immer Gründe für den Ausbau: Entlastung des nachgeordneten Netzes, Zeitgewinne, höhere Zuverlässigkeit und prognostizierte Lkw-Belastungen.

In der Abwägung „Ausbau ja oder nein“ gewinnt mit diesen Argumenten bisher meist der Fernstraßenausbau, gestützt durch die Nutzen-Kosten-Analyse der Bundesverkehrswegeplanung. Solange Autobahnprojekte in Deutschland per Gesetz in das „überragende öffentliche Interesse“ gestellt werden, wird es Ausbau geben.

Um Straßenausbau zu begrenzen, bräuchte es eine Politik, die ähnlich wie bei der Schuldengrenze eine Obergrenze für die Kfz-Verkehrsleistung festlegt. Eine solche Denkweise wird allerdings von der bisherigen Verkehrspolitik nicht als Chance, sondern als Zumutung für die Autofahrer verstanden.


Deutschland ist das logistische Herz Europas. Daher wird gerade der Lkw-Verkehr weiterwachsen. Gerade die Hauptrouten des Straßengüterverkehrs sind bereits heute an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Das gilt auch für die Schienenwege, welche die gleichen Routen bedienen. Das ändert nichts daran, dass Erhalt und Ersatz (von Brücken) die wichtigsten Aufgaben für die Investitionshaushalte sind.

Tatsächlich spielen Neu- und Ausbau schon längst eine geringe Rolle. So wuchs das Autobahnnetz seit Januar 2020 um gerade mal 19 Kilometer. Und auch Ausbauprojekte sind eher selten. Laut der Autobahn GmbH sind derzeit 34 Ausbauprojekte in Umsetzung. Davon betreffen 20 den Ausbau von Kreuzen, Brücken (bei Ersatz) oder Raststätten.

Im letzten Jahrzehnt lagen die Investitionen für Aus- und Neubau stets unter 750 Millionen Euro pro Jahr. Der generelle Verzicht auf den weiteren Ausbau an den Belastungsschwerpunkten würde daher primär zu mehr Stau führen. Daher: Der punktuelle Ausbau muss weitergehen.

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