Bis vor Kurzem hat OpenAI noch den Ton in Sachen KI angegeben. Meta schiebt sich aber gerade wenig unauffällig vorbei. Dabei war es OpenAI, die mit ChatGPT überhaupt für den Hype gesorgt haben. Jede neue KI-Funktion und jedes neue KI-Modell aus dem Haus wurden lauter beklatscht und begutachtet als das von der Konkurrenz. Nun mehren sich die Meldungen über das, was Meta macht.
Erst wollte OpenAI Google zum Tanzen bringen – das war eine konkrete Ansage von OpenAIs damals noch engem Verbündeten Microsoft. Doch Google hält die Füße bis heute erstaunlich still. Dabei kann Google grundsätzlich absolut mithalten. Der Videogenerator Veo 3 wird von vielen sogar als besser bewertet als OpenAIs Sora. Doch Google fällt in der Lautstärke, mit der sie KI-Funktionen anpreisen, einfach zurück.
Eva-Maria Weiß ist Journalistin für Social Media, Browser, Messenger und allerlei Anwendungen im Internet. Seit ChatGPT ist KI in den Vordergrund gerückt.
Auch Meta kam erst nicht richtig durch. Dabei ging es nicht grundsätzlich darum, wie viel Expertise das Unternehmen vorweisen konnte – es ging um die Präsenz, die einfach nicht an ChatGPT mithalten wollte. Doch das Rennen scheint nicht entschieden. Während nicht ganz klar ist, was überhaupt das Ziel ist – irgendwas mit Superintelligenz – hat jemand zumindest eine Fußspitze vor die anderen gesetzt: Mark Zuckerberg gibt Gas. Und Geld. Und offenbar auch Kraft.
Meta macht KI frei verfügbar
Zum einen versucht Zuckerberg, alle KI-Talente unter einem Dach zu vereinen. Dafür bietet er ihnen Millionen US-Dollar. Die Experten folgen dem Ruf. Und vermutlich tun sie das nicht nur des Geldes wegen. Meta hat sich in der Vergangenheit einen ziemlich guten KI-Ruf erarbeitet. Ja, ausgerechnet Meta. Während OpenAI erst in dieser Woche wieder die Veröffentlichung eines offenen KI-Modells verschoben hat, setzt Meta seit jeher auf Open-Source. Das KI-Wissenschaftsteam FAIR, das seinen Sitz in Paris hat, hat in den zehn Jahren des Bestehens mehrere Modelle entwickelt und frei verfügbar gemacht – angefangen bei RoBERTa, einer Reaktion auf Googles geschlossenes BERT. Beides sind Sprachmodelle, die auf der bekannten Transformer-Architektur beruhen und den Kontext zwischen Wörtern bidirektional verstehen können sollen, was Google schon damals in der Suche eingesetzt hat. Die chinesische Antwort von Baidu hieß damals übrigens Ernie.
Ein Chart zeigt die Entwicklungen von FAIR bei der Jubiläumsfeier in Paris.
(Bild: Eva-Maria Weiß)
Fraglich ist allerdings, ob Zuckerberg diesen Pfad dauerhaft weiter beschreitet. Er soll in den Rekrutierungsgesprächen gesagt haben, kommende KI-Modelle könnten closed sein. Den Schritt soll Zuckerberg mit der einhergehenden Gefahr besonders leistungsfähiger Modelle begründen. Und tatsächlich ist das eine immer wieder aufkommende Fragestellung, geht es um Open-Source-Modelle. Sie können missbraucht werden, die Konkurrenz kann sich aber auch bei ihnen bedienen und sie deutlich leichter kopieren.
Nun hat Zuckerberg auch noch ein gigantisches Rechenzentrum angekündigt – Hyperion soll fast so groß werden wie Manhattan. Schon jetzt sollen in Louisiana Zelte aufgebaut werden, weil Stein auf Stein offenbar zu lange dauert. Auch Project Stargate, das maßgeblich OpenAI zugutekommen wird, ist bereits im Bau. Es würde mich jedoch nicht wundern, wenn auch dieser Abschnitt des Rennens bereits an Meta geht – und die Zelte schon brummen, während in Texas noch in die Sterne geschaut wird.
Zuckerberg will nichts mehr als ein KI-Ökosystem
Zuckerberg sagt, er habe das Geld. Er könne KI und die Entwicklungen rund um KI mittels all der anderen Dienste finanzieren. Dennoch dürften auch hier irgendwann die Investoren fragen, wie und ob sich das denn auch mal auszahlen wird. Manche Beobachter sind sich sicher, dass dieser Umstand dazu führen wird, dass nicht alle künftigen Modelle frei verfügbar sein werden.
Doch Zuckerberg denkt bekanntlich nicht besonders begrenzt. Facebook sollte die ganze Welt umspannen und einander näherbringen, ein Online-Ökosystem, geführt von einem Unternehmen. Das Metaverse sollte eine Art Parallelwelt werden – von Meta betrieben samt Pflichten, Kosten und Einnahmen. Und auch für KI sieht Zuckerberg die Chance auf ein Ökosystem, das er stellt, von dem er ebenso profitiert.
So ist auch die Entwicklung der KI-Brillen einzuordnen als Teil eines potenziellen KI-Ökosystems, in dem Meta erstmals auch Hardware anbietet. Bisher musste sich das Unternehmen vornehmlich nach Apple und Google richten und Dienste für deren Geräte und Betriebssysteme anbieten. Meta-Brillen von Ray-Ban und Oakley, Meta AI, Instagram, WhatsApp, Threads und natürlich Facebook – alles greift ineinander und alles taugt für Werbung.
Einnahmequelle Werbung statt Abo
Einen ähnlichen Schritt möchten freilich auch andere KI-Unternehmen gehen. OpenAI hat bereits offen über zusätzliche Einnahmen durch Werbung gesprochen. Google ist fast noch konsequenter als Meta, wenn es um das Anzeigengeschäft geht, und nutzt KI-Umgebungen bereits dafür. Doch auch Meta hat die Daten, die Erfahrung und offenbar künftig auch noch mehr Expertise und Einsatzgebiete, um mit Werbung rund um KI-Dienste wieder Geld einzunehmen. Dass Abonnements für rund 20 Euro im Monat nicht ausreichen, zeigen bereits OpenAI, Perplexity, Google und selbst Grok. Sie alle sind inzwischen als erweiterte Abo-Modelle für mehr als 200 US-Dollar im Monat verfügbar. Selbst das wird die Investitionen der KI-Unternehmen nicht decken.
Dabei kann Meta bei den eigenen Investitionen sogar den guten Ruf im Bereich Forschung und Wissenschaft behalten – mit einem Turing-Preisträger an der Seite. Konkrete Produkte werden im neu geschaffenen Superintelligence-Labs-Team entwickelt, in dem sich einige Köpfe der KI-Elite treffen und sich vermutlich auch geschmeichelt fühlen, zu ebendieser zu gehören. Die gigantische Rechenpower wird künftig Projekte ermöglichen, die anderswo nicht umsetzbar wären. Das macht Arbeitsplätze attraktiv und sicher. Und bringt Meta momentan an die Spitze des KI-Rennens.
(emw)