Machtkampf entbrannt: So ringt die SPD um die 15 Euro Mindestlohn

vor 7 Stunden 1

Es ist ein Fernduell, wie so oft. Der eine, SPD-Generalsekretär Matthias Miersch, legt per Interview vor. Im Podcast „Table Briefings“ lässt er wissen, er gehe fest von 15 Euro Mindestlohn ab 2026 aus. Ansonsten könne man gesetzgeberisch tätig werden.

Prompt muss der andere, nämlich CDU-Amtskollege Carsten Linnemann, parieren. Es gelte der Koalitionsvertrag, ließ er die Mediengruppe Bayern wissen. „Politische Mindestlöhne, die im Plenarsaal des Bundestages beschlossen werden, sind ausgeschlossen worden.“

Es ruckelt in der Koalition, die noch gar nicht im Amt ist. In vergangenen Tagen gingen öffentliche Äußerungen zum Thema Mindestlohn hin und her, Miersch hat nun in Sachen Unverblümtheit eine Schippe drauf gelegt.

CDU-Minister Laumann stützt die SPD-Linie

Die Botschaft der SPD an die Mindestlohnkommission lautet: Wir respektieren Eure Unabhängigkeit, aber nur, solange Ihr mindestens 15 Euro festlegt. Wo da das logische Problem liegt, wissen sie auch bei den Sozialdemokraten.

Aber die 15 Euro sind ihnen überragend wichtig, sie sehen sich inhaltlich im Recht – und nicht mehr in der Rolle, als Kanzlerpartei den Koalitionsladen zusammenhalten zu müssen. Der Mindestlohn ist eine gute Gelegenheit, SPD pur ins Schaufenster zu stellen.

Die Mindestlohnkommission hat zuletzt keine gute Arbeit geleistet.

 Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen

Sogar in der Union gibt es dafür Unterstützung. Zum Beispiel Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen und so etwas wie das soziale Gewissen der CDU. Dem Tagesspiegel sagte er am Mittwoch, die Kommission müsse faire Empfehlungen aussprechen, „die die Inflation und die Lebensrealität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich im Blick haben“.

Laumann kritisiert die Kommission deutlich: „Hier hat sie zuletzt keine gute Arbeit geleistet.“ Bei der letzten Entscheidung nämlich haben die Arbeitgeber die Arbeitnehmer mit Hilfe der Vorsitzenden überstimmt.

Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Es geht auch darum, welchen Stellenwert eine EU-Richtlinie hat, in der 60 Prozent vom Medianlohn als Referenzwert erwähnt sind. Damit käme man auf rund 15 Euro.

Laumann stützt die SPD, die sich darauf beruft. Er halte die 60 Prozent als Referenzwert für sinnvoll. „Genau dieser Vorschlag hat auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.“

Die Frage ist nur, welche Verbindlichkeit das hat. Die SPD sagt es nicht gern, aber die Verbindlichkeit ist niedrig bis null. Im Koalitionsvertrag sind die 60 Prozent zwar als Kriterium genannt. Allerdings gibt es dort keine klare politische Schlussfolgerung, es heißt nur, ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 sei „erreichbar“.

Vielleicht beschließt die Kommission ohnehin die 15 Euro. Sie hat den 60-Prozent-Richtwert nach heftigen internen Debatten auch in ihrer neuen Geschäftsordnung verankert. Verbindlich ist er aber nicht. Kommen weniger als 15 Euro heraus, muss aus Sicht der SPD ein Gesetz her.

Von der Opposition kommt Häme

Das aber wäre mit der Union nicht zu machen. Kommt es hart auf hart, kann sie sich auf den Koalitionsvertrag berufen. Das wissen sie bei der Union genauso wie auf der Arbeitgeberseite. Deshalb verbucht der eine oder andere Äußerungen wie die von Miersch großzügig als Säbelrasseln, das man auch einfach einmal durchgehen lassen kann. Schließlich hat die SPD noch ein Mitgliedervotum zu bestehen.

Der Koalitionsvertrag ist Willensbekundung und Prosa für die SPD-Seele, keinerlei Veränderung der Realität.

Andreas Audretsch, Grünen-Fraktionsvizevorisitzender

„Ich verstehe den Druck, den die SPD durch die Mitgliederbefragung hat“, auch mit diesem Satz lässt Linnemann sich zitieren.

Häme kommt dafür von der Opposition. „Der Koalitionsvertrag ist Willensbekundung und Prosa für die SPD-Seele, keinerlei Veränderung der Realität“, sagt der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem Tagesspiegel.

Ähnlich sieht es Sören Pellmann, Linken-Fraktionsvorsitzender. „Jeden Tag kommt die Sozialdemokratie jetzt im Schlussspurt des Mitgliedervotums mit Forderungen, die sie in den Koalitionsverhandlungen hätte durchsetzen können. Das offenbart nur, wie schlecht die SPD verhandelt hat“, sagt er.

Ob real etwas verpasst wurde, zeigt sich bis Ende Juni. Dann verkündet die Kommission ihre Entscheidung.

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