Los Angeles: Erstmals menschliche Blase transplantiert

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Er musste jahrelang zur Dialyse, hatte aufgrund einer Krebserkrankung den Großteil seiner Blase eingebüßt: Einem 41-jährigen Mann ist in den USA die erste menschliche Harnblase transplantiert worden. Das berichtet ein Ärzteteam  der Keck School of Medicine der University of Southern California und der University of California. Der Eingriff fand bereits am 4. Mai statt, wurde aber erst jetzt öffentlich.

»Transplantationen sind eine lebensrettende und lebensverbessernde Behandlungsoption für viele Erkrankungen wichtiger Organe«, sagte einer der Operateure, Inderbir Gill. Nun könne auch die Blase auf die Liste der transplantierbaren Organe genommen werden. »Ein historischer Moment«, so der Urologe.

Blase galt als nicht transplantierbar

Bisher galt die Blase als nicht transplantierbar, weil die Risiken überwiegen. »Die Blase verfügt über mindestens sechs kleine Arterien und der venöse Abstrom erfolgt auch über mehrere Gefäße«, sagte Johannes Huber vom Universitätsklinikum Heidelberg dem Science Media Center. Eine Transplantation sei deshalb schwierig.

Gleichzeitig ist die Blase kein lebenswichtiges Organ. »Der Einsatz eines fremden Organs geht immer mit einer starken Immunsuppression einher«, erklärte Huber weiter. »Und diese ist Stand jetzt für ein nicht überlebenswichtiges Organ in den allermeisten Fällen nicht zu rechtfertigen.« Transplantationen von Harnblasen würden deshalb sehr wahrscheinlich eine absolute Nische bleiben.

Im aktuellen Fall wagte das Ärzteteam den Eingriff dennoch. Der Patient hatte wegen einer Krebserkrankung den Großteil seiner Harnblase verloren. Die Blase war seit dem Eingriff zu klein, um voll zu funktionieren. Geheilt vom Krebs war der heute 41-Jährige dennoch nicht, ihm mussten auch die Nieren entfernt werden.

Er brauchte also nicht nur eine neue Blase, sondern auch neue Nieren. Eine solche Kombination von zwei Krebserkrankungen kommt selten vor. Und nur in einem solch speziellen Fall sei der Eingriff laut unabhängigen Fachleuten vertretbar.

Die Mediziner transplantierten die Nieren und die Blase während derselben Operation, alle stammen von einem Spender. Der Eingriff dauerte etwa acht Stunden. Die Mediziner sind mit dem Ergebnis zufrieden. »Die Niere produzierte sofort eine große Menge Urin, und die Nierenfunktion des Patienten verbesserte sich sofort«, sagte Nima Nassiri. Der Patient musste nicht mehr zur Dialyse – das erste Mal seit sieben Jahren.

Blasen können schon jetzt ersetzt werden

Schon mit heutigen Verfahren ist es möglich, die Blase zu ersetzen. In der Regel wird ein Teil des Dünndarms zur Blase umfunktioniert, Fachleute sprechen dann von einer Neoblase. »Das ist vor allem bei Krebspatienten gängig«, sagte Urologe Huber. Zudem gab es einzelne Eingriffe, bei denen künstliche Blasen aus Stammzellen transplantiert wurden.

Allerdings haben Patientinnen und Patienten nach solchen Operationen meist Probleme beim Wasserlassen. »Eine gesunde Blase kann sich durch neuronale Befehle zusammenziehen und entleeren«, erklärte Huber. Bei umgeformten Dünndarmgewebe funktioniere das nicht. Um sich zu entleeren, müssten Patienten stattdessen beispielsweise den Bauch anspannen. »Bei Männern klappt das oft sehr gut«, sagte Huber. »Bei Frauen ist der Schließmuskel häufig zu kräftig, sodass die Patientinnen die Neoblase selbst mit einem Katheter entleeren müssen.«

Noch ist unklar, ob die transplantierte Blase das Problem lösen kann. Peter Albers vom Universitätsklinikum Düsseldorf hat seine Zweifel. »Die willentliche Entleerung der Blase erfordert eine gute Nervenversorgung, die man üblicherweise nicht herstellen kann, auch nicht bei einer transplantierten Harnblase«, so Albers.

Die Chirurgen aus den USA wollen den Eingriff nun an vier weiteren Patienten wiederholen und die Operationen mit einer klinischen Studie begleiten.

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