Klub-WM: FC Bayern München und die Suche nach dem Soccer-Fieber

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FC Bayern bei der Klub-WM Viel heiße Luft

Der FC Bayern hat die Vorrunde der von der Fifa hochgejubelten Klub-WM beendet. Das Stadion war nicht einmal zur Hälfte gefüllt, die Hitze erdrückend. Über den Besuch eines merkwürdigen Fußballspiels.

Aus Charlotte, North Carolina, berichtet Danial Montazeri

25.06.2025, 07.49 Uhr

Michael Olise (l) und Harry Kane stehen bei einer Trinkpause zusammmen

Michael Olise (l) und Harry Kane stehen bei einer Trinkpause zusammmen

Foto: Sven Hoppe / dpa

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Es heißt, niemand verstehe sich so sehr aufs Showgeschäft wie die Amerikaner, doch sogar sie stießen an diesem Nachmittag an Grenzen.

Der Anpfiff zur Partie des FC Bayern München gegen Benfica (0:1 - hier lesen Sie mehr zum Spiel) bei der Klub-WM stand bevor, nacheinander betraten die Fußballer im Stadion von Charlotte das Feld, begleitet von inbrünstigen Rufen des Stadionsprechers: Leroy Sané! Thomas Müller!! Der Einzug der Gladiatoren in die Arena. Aber die Profis von Benfica und des FC Bayern stolzierten nicht über den Rasen, sie trotten dahin, als fremdelten sie selbst mit dieser Art des Stadioneinlaufs. Um sie herum waren die Ränge zu großen Teilen leer.

Selbst der größte Hollywoodregisseur macht eine Spritztour nicht zur Verfolgungsjagd.

40.000 leere Plätze

In den USA findet seit bald zwei Wochen die neuartige Klub-WM statt. 32 Teams aus sechs Kontinenten sollen die weltbeste Mannschaft ermitteln. Die Fifa präsentiert das Turnier als grandiosen Erfolg, die Fans hätten in den Stadien und außerhalb für eine unglaubliche Atmosphäre gesorgt, jubelte der Weltverband kürzlich in einer Pressemitteilung.

Gleichzeitig sieht man am TV-Bildschirm manche Partie vor trister Kulisse.

Die Bayern spielten gegen Benfica vor 33.287 Menschen, dabei fasst das Stadion eigentlich 75.000 Plätze. 40.000 leere Plätze. Wann hat es das bei einem Bayern-Spiel zuletzt gegeben?

Noch am Tag vor der Partie gab es Tickets zuhauf, Preis: ab 18 Dollar aufwärts. Selbst zu Ramschpreisen wurde man Zehntausende nicht los.

Bayern-Profis um Thomas Müller (l)

Bayern-Profis um Thomas Müller (l)

Foto: Kai Pfaffenbach / REUTERS

Das ist keine Petitesse. Zwar verdient der Fußball das große Geld nicht mit Ticketverkäufen, sondern TV-Lizenzen und Werbung. Der globale Fernsehmarkt ist wichtiger als Fans vor Ort. Aber wie bedeutsam volle Stadien für den Sport sind, weiß man nicht erst seit den Geisterspielen während der Coronapandemie. Erst die Bilder des vollen Stadions, der mitfiebernden Fans, lösen bei TV-Zuschauenden das Gefühl aus, dass ein Spiel wichtig ist. Und dass sie etwas verpassen, weil sie nicht vor Ort sind. Deswegen würde Fußball ohne Fans nicht funktionieren, und deswegen benötigt die Fifa volle Arenen.

Noch etwas täte dem Produkt Fußball gut: guter Fußball.

Aber wer sah, wie sich die Spieler des FC Bayern und von Benfica über den Platz bewegten, fühlte sich erinnert an all die Testspiele während der PR-Sommertourneen europäischer Vereine durch Asien oder die USA. Laue Vorbereitungskicks, die man leicht vergisst.

»Es war brutal heiß, lag aber auf keinen Fall an der Hitze«

Das lag auch am Wetter. Für Charlotte wurde eine Warnung vor extremer Hitze ausgerufen. Die Beine waren angesichts von gefühlten 40 und tatsächlichen 36 Grad schwer. Während der ersten Hälfte saßen die Münchner Ersatzspieler nicht wie üblich auf der Bank, sondern in der Kabine. Ihnen war schlicht zu heiß.

Und als es nach 30 Minuten eine erste Trinkpause gibt, flohen die Zuschauenden vor der Sonne und verließen die Ränge wie nach einem Abpfiff.

»Es war brutal heiß, lag aber auf keinen Fall an der Hitze«, sagte Manuel Neuer über die Münchner Niederlage. Schließlich hätten nicht nur die Bayern mit den Temperaturen zu kämpfen gehabt, sondern auch Benfica.

Ob er schon einmal unter solchen Konditionen gespielt habe, wurde Thomas Müller hinterher gefragt. Er erinnere sich da an die WM in Brasilien, »das war auch sehr heiß«, sagte er, aber: »Wenn so ein beinahe 36-Jähriger wie ich fast 90 Minuten laufen kann, sollte das jeder können«, sagte Müller. »Daher: keine Ausreden.«

Dass man als Beobachter im Stadion von Charlotte kaum in Wallung geriet, lag nicht nur an der Hitze. Die Atmosphäre dort hatte mit der von echten Weltmeisterschaften wenig gemein. Daran konnte auch die Verve des Stadionsprechers nichts ändern.

Den Bayern und Benfica waren offenkundig wenige Fans aus den Heimatländern gefolgt. Bei den Partien südamerikanischer Mannschaften ist das anders. Ähnlich war das bei der WM in Katar 2022 gewesen, als man relativ wenige europäische Fans antraf und dafür umso mehr Argentinier.

Halbleere Ränge in Charlotte

Halbleere Ränge in Charlotte

Foto:

Erik S. Lesser / EPA

Dass es bei der Klub-WM aus europäischer Sicht nicht nur um sportliche Meriten geht, sondern in erster Linie um Geld und in zweiter um Prestige (das wiederum zu mehr Geld führt), ist offensichtlich.

Auf der Suche nach der Soccermania

Und es ist auch nicht so, als wäre in den USA die Soccermania ausgebrochen.

Beim Besuch einer Sportsbar am Abend vor dem Benfica-Spiel zog die Kellnerin die Augenbrauen hoch. Ob man was zeigen könne? Soccer? Die Verwirrung wäre kaum größer gewesen, wenn man sie gefragt hätte, ob man sein Hausschwein in die Bar führen dürfe.

Sie würde sich bei der Managerin erkunden, ob das gehe, antwortete die junge Frau, aber versprechen könne sie nichts. Es ging. Fortan lief also auf einem der vier TV-Schirme die Klub-WM.

Aber die Menschen in der Bar ließen sie an sich vorüberziehen wie die derzeit in Uijeongbu ausgetragene koreanische Meisterschaft. Angesichts dieser Erfahrung erscheinen die die rund 33.000 Fans, die die Bayern und Benfica am Tag danach anlockten, vielleicht in einem anderen Licht.

Die Partie, um die es sich in der Sportsbar handelte, lautete Palmeiras gegen Inter Miami. Jenem Klub, der einst unter Mithilfe der MLS Lionel Messi verpflichtete. Der Transfer Fußballsuperstars sollte die Soccermania in den USA in Gang setzen. Das ist zwei Jahre her.

Dass man in Sportsbars wie in Charlotte darum bitten muss, ihm bei einem im eigenen Land ausgetragenen Turnier zuschauen zu dürfen, gibt einen Hinweis darauf, wo sich der Männerfußball in den USA auf diesem Weg befindet.

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