Dass ein Land in zwei Kriegen zutiefst erleichtert ist, wenn wenigstens einer durch einen Waffenstillstand endet, ist wahrscheinlich eine naive Vorstellung. Die Reaktionen in Israel auf den Waffenstillstand mit der libanesischen Hisbollah fielen jedenfalls gemischt aus. Zwar stimmte das Kabinett dem Vorschlag Premierminister Benjamin Netanjahus für eine Waffenruhe mit großer Mehrheit zu. Die einzige Gegenstimme kam von Itamar Ben-Gvir, dem rechtsextremen Minister für Nationale Sicherheit, der immerhin von einem „historischen Fehler“ sprach. Und er ist nicht allein.
Avigdor Lieberman, Vorsitzender der nationalistischen Partei „Unser Haus Israel“, nannte das Abkommen eine „Kapitulation vor dem Terror“. Bürgermeister aus Städten und Orten wie Kirjat Schmona oder Metulla nahe der libanesischen Grenze, wo Zehntausende Einwohner seit Beginn der Hisbollah-Angriffe vor über einem Jahr vertrieben wurden und in Hotels oder anderen Unterkünften wohnen, sprachen von einer „Schande“.
Umfragen lokaler Medien spiegeln zumindest eine gewisse Unsicherheit wider. Die meisten Israelis sind froh über den Waffenstillstand, aber dass Israel die Hisbollah besiegt hat, glauben nur wenige.
Netanjahu verweist auf Druck aus den USA
Angesichts der erwartbaren Skepsis, zumal von der Seite seiner rechten Koalitionspartner, streuten Netanjahus Leute schon Tage zuvor Berichte über den immensen Druck aus den USA, der dem Premier keine Wahl gelassen habe. Der amtierende Präsident Joe Biden habe mit einem Ende der Waffenlieferung gedroht, habe sogar angekündigt, Israel im UN-Sicherheitsrat nicht länger vor Resolutionen zu schützen. Die Reaktion der Biden-Administration: Nichts davon sei wahr.
Dass Netanjahu mindestens einen der beiden Kriege vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Donald Trump beenden wollte, ist andererseits durchaus denkbar. Militärisch wirkte der Krieg in Libanon im Vergleich zu dem im Gazastreifen immerhin professioneller und zielgerichteter. Die spektakuläre Pager-Operation, mit der Israel Tausende Funktionsträger der Hisbollah verletzte oder tötete, die Tötung des ikonischen Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah und fast der gesamten Spitze der Miliz, die weitgehende Zerstörung des Raketenarsenals und der Infrastruktur in Beirut und im Süden des Landes – das alles wirkte gezielt und effektiv und hat womöglich etwas vom Versagen der Geheimdienste vor dem 7. Oktober wettgemacht. „Militärakademien im Westen und Osten werden diesen Krieg studieren“, jubelte ein Kommentator der israelischen Zeitung Yedioth Ahronoth.
Die Hisbollah hatte der Hamas den gemeinsamen Kampf geschworen
Das Ende des Libanon-Krieges nun verschafft der israelischen Armee die Möglichkeit zur Neugruppierung und ist nach 14 Monaten Krieg eine Atempause für Soldaten, Reservisten und ihre Familien. Schließlich und vor allem aber isoliert es die Hamas. Seit Beginn des Krieges nach dem 7. Oktober hatte die Hisbollah den gemeinsamen Kampf gegen Israel geschworen. Nun kämpft die Hamas allein.
Die Zerstörung der Hisbollah war – anders als die Zerstörung der Hamas – nie Israels erklärtes Ziel. Was also wäre in Libanon noch zu erreichen? Die israelischen Streitkräfte sind zuletzt bis in die Region des Litani-Flusses vorgerückt. Nach der Vereinbarung soll sich die Hisbollah hinter den Litani zurückziehen, die libanesische Armee soll dies überwachen, energischer, so die Hoffnung, als nach dem Krieg von 2006 und der UN-Resolution 1701, als der Litani schon einmal die rote Linie war, die Hisbollah aber trotzdem bis an die israelische Grenze vorrückte.
Niemand weiß, wie lange die Waffenruhe hält. Anders als im Gazastreifen aber hat Israel in Libanon klarere Ziele: die Schwächung der Hisbollah, eine Zone ohne die Hisbollah bis zum Litani, die Rückkehr der israelischen Einwohner in die Städte des Nordens. Was ein Kriegsende zudem leichter macht: Niemand, nicht einmal die extreme Rechte, hat je im Südlibanon siedeln wollen. Der Waffenstillstand mit der Hisbollah mag für Netanjahus rechte Koalitionspartner eine Enttäuschung sein, aber kein Grund, das Bündnis aufzukündigen. Ihre Hoffnungen auf günstige Immobilien richten sich auf den Gazastreifen.