Israel: „Da habe ich den Knall wieder gehört, denselben Knall“

vor 15 Stunden 1

Die Straße zu seinem Haus liegt voller Staub, die Druckwelle hat die parkenden Autos zerdrückt und in der ganzen Straße die Fenster herausgeschlagen. Eli Bachar, 40 Jahre alt, steht mit einem leeren Kinderwagen am Absperrgitter, er blickt auf das zerstörte Haus der Nachbarn und wartet auf die Retter. Sie suchen seinen Hund.

In der Nacht auf Samstag hatte Iran immer wieder Raketen nach Israel geschickt. Es war eine Reaktion auf die Angriffe der israelischen Armee auf „hochrangige Militärkommandeure, führende Atomwissenschaftler, die wichtigste Uran-Anreicherungsanlage des islamischen Regimes“ sowie das iranische Raketenarsenal, wie Ministerpräsident Benjamin Netanjahu danach erklärte. Die meisten iranischen Geschosse konnte das israelische Luftabwehrsystem abfangen, aber einige von ihnen schlugen ein, so wie hier in dieser Vorstadt von Tel Aviv, in Ramat Gan.

Rettungskräfte inspizieren zerstörte Häuser in Ramat Gan.
Rettungskräfte inspizieren zerstörte Häuser in Ramat Gan. (Foto: Amir Levy/Getty Images)

Eli Bachar lebt mit seiner Familie in einem der Neubauten hier, sie waren mit dem Baby und der Zweijährigen im Schutzraum ihrer Wohnung, als die ersten Raketen kamen. Die Explosion war ohrenbetäubend, sagt er, und als er die Tür öffnete und das Chaos in seiner Wohnung sah, wurde ihm klar, dass sie gehen mussten. Ihre Hündin ließen sie zurück, sie hatte sich vor Angst versteckt.

Sie verbrachten die Nacht bei den Eltern seiner Frau in Rischon LeZion. Ausgerechnet. Denn dort schlug später in der Nacht eine weitere Rakete ein. „Da habe ich den Knall wieder gehört, denselben Knall“, sagt er und blickt auf das Haus seiner Nachbarn. Es ist in sich zusammengefallen, Stahlträger und Kabel ragen heraus, die Wände fehlen. Eine Frau sei hier gestorben heute Nacht, sagt Bachar.

In Israel sind mindestens drei Menschen durch Raketentreffer getötet worden, etwa 80 wurden Medienberichten zufolge verletzt. Auch in der Nähe der palästinensischen Stadt Hebron im Westjordanland wurden nach palästinensischen Angaben fünf Menschen von herabfallenden Trümmerteilen verletzt, darunter drei Kinder. In Rischon LeZion, dort, wo Eli Bachar und seine Familie die Nacht verbrachten, seien mehrere Menschen in einem getroffenen Haus eingeschlossen gewesen, heißt es in Medienberichten, und mussten von der Feuerwehr gerettet werden, darunter auch ein drei Monate altes Baby.

:Iranische Raketen schlagen in israelische Wohnhäuser ein – drei Tote

In Israel gibt es wiederholt Raketenalarm. Der Verteidigungsminister droht: Wenn es weitere Attacken auf Zivilisten gebe, werde Teheran brennen. Auch aus Iran werden weitere Explosionen gemeldet.

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz drohte Iran und seinem Obersten Führer Ali Chamenei bei weiteren Angriffen auf Zivilisten mit schweren Konsequenzen: „Falls Chamenei weiter Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abgefeuert, wird Teheran brennen“, sagte Katz.

Auch die Angriffe in Iran haben Menschen das Leben gekostet, nach iranischen Angaben seien allein in der ersten Nacht der israelischen Angriffe 78 Menschen getötet und 320 verletzt worden. Und auch in der Nacht zu Samstag wurden neue Explosionen gemeldet, unter anderem aus Teheran.

In Ramat Gan sagt Bachar, er stehe grundsätzlich hinter Israels Krieg gegen Iran. Es seien nicht die Menschen dort, sondern das Regime, gegen das die israelische Armee zu Recht kämpfe, findet er. Das Israel nun auch mit Gegenschlägen zu rechnen hat, sei eben ein Teil davon. Der Staat, sagt er, kümmere sich um die Reparatur der Schäden.

Eine Gruppe von Helfern kommt auf ihn zu, begleitet von Fotografen, die Stahlhelme tragen und ihre Objektive auf einen kleinen, zitternden Hund halten. Bachar nimmt ihn in seine Arme, hält das zappelnde Tier fest und küsst sein Fell. Als sich der Hund langsam beruhigt hat, setzt er ihn in den Kinderwagen. Dann zündet er sich eine Zigarette an.

Eli Bachar und seine Hündin sind wiedervereint.
Eli Bachar und seine Hündin sind wiedervereint. (Foto: Amir Levy/Getty Images)

In der Nacht hatten in Israel immer wieder Sirenen geheult. Nach Angaben der Armee seien Hunderte Raketen und Drohnen abgefangen worden, die zu vier Zeitpunkten auf Israel geschossen wurden. Die israelische Rüstungsindustrie hat die Luftüberwachung und Abwehrtechnik nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Jahren stetig weiterentwickelt und auf die Masse der Geschosse angepasst, die Israel erreichen. Doch die Luftabwehr sei eben nicht perfekt, heißt es aus dem Militär.

Israel befindet sich seit dem 7. Oktober 2023, seit einem Angriff auf das Land, bei dem rund 1200 Menschen starben und 251 entführt wurden, im Kampf gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas, die libanesische Hisbollah und die Huthi-Miliz in Jemen. Iran hatte das Land im vergangenen Jahr zweimal mit Raketen angegriffen – aber noch nie in diesem Ausmaß.

Eli Bachar und seine Familie werden jetzt trotz allem erst einmal bei den Schwiegereltern bleiben, sagt er. Und dort warten, wohin dieser neue Krieg noch führt. Denn Israel setzt seine Angriffe auf Iran auch an diesem Samstag weiter fort.

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