Was viele Hausbesitzer im Land frösteln lässt, findet sich in Paragraf 72 des Gebäudeenergiegesetzes, besser bekannt als „Heizungsgesetz“. Sein Titel: „Betriebsverbot für Heizkessel, Ölheizungen“. Es ist jener Passus, auf den es nun auch Katherina Reiche abgesehen hat, die neue Wirtschaftsministerin von der CDU. „Als erste Maßnahme werden wir das Betriebsverbot für Heizkessel abschaffen“, hatte sie schon vorige Woche im Bundestag erklärt. Diese Woche hat sie noch einmal nachgelegt. Es gelte, „wieder Ruhe in den Markt zu bekommen“, sagte sie der Nachrichtenplattform Table Briefings. Das Verbot müsse weg, noch in diesem Jahr. Wenn sie sich davon bloß nicht zu viel verspricht.
Der Vorstoß ist Teil von Reiches Mission „Heizungsgesetz abschaffen“. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart; Union und SPD wollen sich so von dem umstrittenen Gesetzeswerk absetzen. Allerdings ist es ihr eigenes Baby, dass sie da verstoßen wollen. Denn das Betriebsverbot war keine Erfindung der Ampel, sondern der Vorgängerkoalition. Die hatte 2020 das erste Gebäudeenergiegesetz erlassen, inklusive Paragraf 72. Demnach durften Eigentümer Heizkessel, die vor 1991 eingebaut wurden, „nicht mehr betreiben“. Nach 30 Jahren sollte Schluss sein mit den alten Kesseln. Das wiederum stand so ähnlich auch schon in der Energieeinsparverordnung von 2007, erlassen von der damaligen großen Koalition. Nur hieß das damals noch „Nachrüstung“ und galt für Anlagen, die vor 1978 eingebaut wurden. Ihr Verfallsdatum: 2008.
Das Gesetz lässt schon heute viele Ausnahmen zu
Seinerzeit erscholl kein großer Aufschrei – und das lag an den vielen Ausnahmen, die das Betriebsverbot seit jeher garnieren. Das Verbot gilt nicht für die weitverbreiteten Niedertemperaturkessel und auch nicht für die gerade aufkommenden Brennwertkessel. Es nimmt sehr kleine und sehr große Kessel aus und auch einen Großteil der Ein- und Zweifamilienhäuser. Diese Ausnahmen, das ging im großen Rauschen um das Heizungsgesetz ganz unter, gelten bis heute.
Das Ergebnis findet sich in den jährlichen Erhebungen des Schornsteinfegerhandwerks. Demnach gab es 2023 mehr als eine Million Heizkessel im Land, die schon vor 1990 eingebaut wurden. Um die drei Millionen sind, wenn sie nicht zwischenzeitlich ausgetauscht wurden, an die 30 Jahre und älter. Und das umfasst nur die messpflichtigen Heizkessel. Brennwertkessel fallen nicht darunter. Auch die Schornsteinfeger selbst verweisen zur Begründung auf die vielen Ausnahmen im Gesetz.
Was aber schon in den vergangenen 18 Jahren von einem Verbot nicht verboten wurde, wird auch nicht dadurch verschont, dass das Verbot nun gekippt wird. Damit dürfte dieser Teil der Operation „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“ zwar gut klingen, aber in der Praxis eher symbolischer Natur bleiben.
Bleibt jener Teil des Gesetzes, der nicht von Verboten, sondern Erlaubnissen handelt. Denn in der Ampel-Version listet das Heizungsgesetz seitenlang auf, welche Heizungen in Zukunft erlaubt sein sollen. Ölheizungen tauchen hier gar nicht auf, Gasheizungen nur als Teil einer „Hybrid-Anlage“, also in Verbindung mit einer Wärmepumpe. Auch hier gibt es Übergangsfristen – mit der Folge, dass auch im ersten Quartal dieses Jahres jede zweite verkaufte Heizung noch Gas oder Öl verbrennt. Bis Mitte 2026 dürfen solche Heizungen noch alte Anlagen ersetzen, in kleineren Städten sogar bis Mitte 2028.
Heizungsbauer fordern Klarheit – und zwar schnell
„Technologieoffener, flexibler und einfacher“ will die Koalition das Gesetz nun machen, so betont es auch Ministerin Reiche. Allerdings wird das wohl nicht dazu führen, dass fossile Heizstoffe eine Renaissance erleben. Schon jetzt verweist das Wirtschaftsministerium darauf, dass es ohnehin einer Gesetzesnovelle bedarf – nämlich zur Umsetzung der neuen Gebäuderichtlinie der EU. Dafür bleibt noch ziemlich genau ein Jahr Zeit.
Diese Richtlinie wiederum ist nicht ohne. Sie verlangt von den Europäern „nationale Gebäuderenovierungspläne“, die den Pfad der Dekarbonisierung der Gebäude vorzeichnen – und das auch „im Hinblick auf einen vollständigen Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis 2040“. Auch die Regeln für neue Gebäude werden deutlich schärfer. Mit einem stark abgeschwächten Heizungsgesetz wird sich das nur schwer vertragen.
Andererseits sind die Erwartungen an Reiche hoch – gerade nach einem Wahlkampf, in dem die Abschaffung des ungeliebten Gesetzes einer der Schlager der Union war. Mit einem Ende des wirkungslosen Betriebsverbots dürfte es kaum getan sein. Schon schwant der Branche, dass da wieder längere Diskussionen drohen könnten, wie bei der letzten Novelle des Gesetzes. „Wir brauchen schnell klare Verhältnisse“, heißt es beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima. Schon zu lange warteten zu viele Leute ab. „Bitte“, sagt ein Sprecher, „zieht es schnell durch.“