
Das Titelteam der HB Ludwigsburg
Foto: Marijan Murat / dpaUngefähr drei Wochen vor Beginn der neuen Saison in der Handball-Bundesliga der Frauen ist noch offen, ob Vorjahresmeister HB Ludwigsburg überhaupt die Chance bekommt, den Titel zu verteidigen. Der Klub steht vor dem Ende, weil es an Geld fehlt.
Der Crash versetzt den deutschen Handball in Aufruhr. Spielerinnen sind ratlos, Konkurrenten verärgert, auch vom Deutschen Handballbund kommen klare Worte im Hinblick auf die WM, die vom 26. November bis 14. Dezember in den Niederlanden und Deutschland stattfindet.
Was ist passiert?
Vor zwei Wochen hat die HB Ludwigsburg, bis 2024 als SG BBM Bietigheim in der Bundesliga aktiv und dabei mit sechs Meisterschaften in neun Jahren eine der erfolgreichsten Mannschaften, Insolvenz angemeldet. Am Montagabend wurde bekannt, dass die Finanzierung der kommenden Saison nicht gesichert ist, worüber auch das Team informiert wurde. Die Spielerinnen sind nicht mehr an ihre Verträge gebunden.
Warum ist das passiert?
Der wichtigste Grund für den Finanzkollaps ist der Rückzug des Hauptsponsors Olymp. Der Bekleidungshersteller mit Sitz in Bietigheim-Bissingen, das in der Nähe von Ludwigsburg liegt, wird sein Sponsoring ab der Saison 2025/26 reduzieren. Diese Lücke kann die HB nicht schließen, wobei Olymps Rückzug dem Klub offenbar schon länger bekannt war.
»Über diese unternehmerische Entscheidung haben wir uns bereits im Juni 2024 frühzeitig mit dem Vorstand der HB Ludwigsburg abgestimmt und uns auf die sukzessive Reduktion unseres Sponsorings ab der Saison 2025/26 verständigt und diese vertraglich festgelegt«, sagte Olymps geschäftsführender Gesellschafter Mark Bezner.
Was bedeutet das für die Wettbewerbe?
Im deutschen Supercup wurde Ludwigsburg durch den Thüringer HC ersetzt. Der Startplatz in der Champions League geht an den norwegischen Verein Sola HK. Ob Ludwigsburg in der Bundesliga antreten kann, ist noch unklar – Klubchef Christian Köhle hat noch Hoffnung.
»Unser Ziel ist weiterhin, den Supercup zu bestreiten und in der kommenden Saison in der 1. Bundesliga zu spielen. Ob es umsetzbar ist, werden wir sehen«, sagte Köhle: »Es stehen noch Antworten von über 200 angefragten Sponsoren aus. Vielleicht kriegen wir die Lücke ja doch noch ein Stück weiter geschlossen.«
Was bedeutet das für die Spielerinnen?
Beim deutschen Meister spielen mehrere deutsche Nationalspielerinnen, darunter auch Xenia Smits, die Handballerin des Jahres. »Wir haben noch keine Ahnung, was jetzt passiert«, sagte die 31-Jährige, die sich »ratlos, aufgeschmissen und sehr leer« fühle.

Rückraumspielerin Xenia Smits
Foto: Marijan Murat / dpaSmits und ihre DHB-Kolleginnen Antje Döll, Viola Leuchter, Jenny Behrend, Mareike Thomaier und Lena Degenhardt müssen sich jetzt wohl um neue Teams kümmern. Doch kurz vor Saisonstart ist die Kaderplanung »bei den meisten Vereinen weitestgehend abgeschlossen«, sagt Smits.
Was bedeutet das für das Nationalteam?
»Diese Unsicherheit ist wenige Monate vor der Heim-WM natürlich nicht optimal für die Spielerinnen«, sagte Bundestrainer Markus Gaugisch: »Für alle Beteiligten gilt es jetzt, so schnell wie möglich Lösungen zu finden. Wir werden sie dabei unterstützen, so gut es geht.«
Mark Schober, Vorstandsvorsitzender des DHB, äußerte sich im ZDF-Morgenmagazin zu dem Fall: »Das ist alles andere als optimal, was da passiert ist«, sagte er: »Viele unserer Nationalspielerinnen hätten sich dort optimal auf die Weltmeisterschaft vorbereiten können.«
»Letztlich sind die Opfer die Spielerinnen, die anderen Vereine in der Liga, auch der Deutsche Handballbund, der die Nationalmannschaft stellt«, erklärte Schober: »Wir müssen den Fokus jetzt auf die Spielerinnen richten. Wir müssen schauen, dass wir sie unterbekommen, dass sie weiterspielen können.«
Wie reagiert der deutsche Handball?
Die Konkurrenz aus der Bundesliga äußert teilweise scharfe Kritik an Ludwigsburg. Maik Schenk, Geschäftsführer des Thüringer HC, sprach von »Betrug und Täuschung gegenüber allen anderen Mannschaften« und bezeichnete den Titel im Vorjahr als »erstunkene und erlogene Meisterschaft«.

Maik Schenk vom Thüringer HC
Foto: Eibner-Pressefoto / Martin Herbst / Eibner / IMAGO»Die Höhe der Forderungen kann nicht innerhalb kurzer Zeit entstanden sein, da wurde klar über den Verhältnissen gelebt«, sagte Schenk. Nach seiner Ansicht leide durch den zu befürchtenden Ausfall von mehr als 20 Saisonspielen die gesamte Liga. »Alles, was vor vier Wochen auf der Liga-Tagung besprochen wurde, kann man nicht mehr verwenden. Bezüglich des Spielplans und des Modus müssen neue Ideen in den Raum geworfen werden«, sagte er.
Romina Heßler, Geschäftsstellenleiterin der HSG Bensheim/Auerbach, zeigte sich vor allem wegen der anstehenden Heim-WM im Winter besorgt. »Das sollte eigentlich ein Moment der Euphorie und Aufbruchstimmung sein – und ausgerechnet jetzt zeigt sich, wie fragil die Realität in vielen Vereinen tatsächlich ist«, sagte sie. »Es fehlt nicht am sportlichen Potenzial, sondern an finanzieller Planbarkeit, professionellen Rahmenbedingungen und echter Wertschätzung. Wenn wir es mit einer Heim-WM im Rücken nicht schaffen, nachhaltige Veränderungen anzustoßen – wann dann?«
Heßler sieht im Fall Ludwigsburg »einen Weckruf für Verbände, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft«. Es brauche daher »tragfähige Strukturen, verlässliche Förderung und ein Umfeld, in dem sich Spielerinnen und Vereine langfristig entwickeln können – nicht trotz, sondern wegen der Bedingungen im deutschen System«, erklärte sie.