Jemand hat der Kuh Stroh über das Horn geworfen, aber das Tier in Halle 25 schert das nicht. Die Kuh ist aus Plastik. Wo sonst Viehzüchter ihre Prachtexemplare präsentieren, herrscht Stille. In einem der Rinderställe grast ein Pony. So geht es zu in der Tierhalle der Grünen Woche: Die Maul- und Klauenseuche hat die Messe im Griff, seit vor einer Woche vor den Toren Berlins drei Wasserbüffel an der Seuche verendeten.
Wie anders war die Lage genau vor einem Jahr. Damals stellten die Landwirte die Hauptstadt auf den Kopf, mit Tausenden Traktoren waren sie angerückt. Bauernpräsident Joachim Rukwied bekommt heute noch leuchtende Augen, wenn er an den Aufruhr von damals zurückdenkt. „Ich sag’ ganz selbstbewusst: Den ersten Riss haben wir der Ampel zugefügt“, sagt er. „Davon hat sie sich nicht mehr erholt.“ In diesem Jahr dagegen rollen schon deshalb keine Traktoren mehr, damit sich die Maul- und Klauenseuche nicht weiter verbreitet. Auch die traditionelle Agrarwende-Demo an diesem Samstag wird ohne schweres Gerät auskommen müssen.
„Wir waren sehr erfolgreich“, sagt der Bauernpräsident. Das ist noch untertrieben
Allerdings hat sich die Lage bei den Landwirten auch deutlich beruhigt. Rein wirtschaftlich waren die letzten beiden Jahre für viele nicht schlecht. Und dann hatte der Protest aus dem vergangenen Jahre durchaus Folgen. „Wir waren sehr erfolgreich“, sagt Rukwied. „Wir haben die agrarpolitische Agenda im Sinne der Landwirtschaft verändern können.“ Und das ist noch untertrieben.
Der ursprüngliche Plan der Ampelkoalition, Steuersubventionen sowohl beim Agrardiesel als auch bei der Kfz-Steuer zu streichen, war nach den Protesten rasch halbiert worden. Verzichten müssen die Landwirte nun nur auf den ermäßigten Agrardiesel. Doch die Union, die nach der Wahl gute Chancen auf das Landwirtschaftsministerium haben dürfte, hat die Rücknahme auch dieser Kürzung zu ihrer wichtigsten agrarpolitischen Forderung gemacht.
Gleichzeitig kippten Brüssel und auch Berlin eine Reihe jener Umweltauflagen, an die bislang die EU-Agrarsubventionen geknüpft waren. Dadurch müssen die Bauern weniger Flächen der Natur überlassen und können sie stattdessen bewirtschaften. Die Subventionen bekommen sie trotzdem weiter. Das hilft zwar der Umwelt nicht, dafür aber den Landwirten. Jedenfalls so lange, wie keinem auffällt, was das für Ackervögel oder Insekten bedeutet.
Landwirtschaftsminister Özdemir bekommt ein vergiftetes Lob
Das vorerst letzte Kapitel solcher „Erfolge“ schrieb diese Woche die Union. Am Mittwoch ließen CDU-geführte Länder einen Vermittlungsausschuss platzen, der einen Kompromiss zum Düngerecht hätte finden sollen. Das Ergebnis ist, dass rund um die Düngung weiter ein rechtliches Vakuum herrscht, obwohl Deutschland seit mittlerweile 34 Jahren die einschlägigen EU-Regeln verletzt. Das wiederum kommt vor allem jenen Landwirten zupass, die besonders viel Gülle auf ihre Felder ausbringen und damit das Grundwasser belasten. Ausnahmen für „saubere“ Betriebe dagegen werden erst einmal unmöglich. Offenbar habe man ihm den Kompromiss kurz vor der Wahl nicht gönnen wollen, vermutet der grüne Agrarminister Cem Özdemir. „Das ist ganz kleines Karo der Parteipolitik.“
Für Özdemir ist es absehbar die letzte Grüne Woche als Agrarminister, er bewirbt sich um das Amt des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Doch besonders gut kommt er bei der Agrarmesse nicht weg. Bei der Eröffnung bedankt sich der Chef des Ernährungsindustrie-Verbands BVE überschwänglich bei Özdemir – für all die Pläne, die er als Minister nicht ins Werk gesetzt habe. Es ist ein vergiftetes Lob. Der Grüne reagiert säuerlich.
Und auch Bioverbände, einem grünen Minister prinzipiell zugetan, schieben hinter jedes Lob ein großes Aber. Zwar habe Özdemir eine Reihe liegen gebliebener Themen endlich angepackt und Impulse für eine nachhaltigere Landwirtschaft gesetzt, sagt etwa Bioland-Chef Jan Plagge. Doch Finanzierung und praktische Umsetzung blieben hinter den Erwartungen zurück. „Unterm Strich hat Özdemir vieles richtig gedacht und angepackt, aber zu wenig durchgebracht“, findet Plagge.
Mit jedem weiteren Fall der Seuche werden wirtschaftliche Schäden wahrscheinlicher
Freitagfrüh aber steht Özdemir erst einmal vor einer illuminierten Blumenwiese, schließlich ist auf den Plakatwänden der Grünen Woche die Agrarwelt immer in Ordnung. Von einer kleinen Bühne aus schickt er einen „Gruß an all diejenigen, die sich Sorgen machen wegen der Maul- und Klauenseuche“. Man werde alles tun, um Deutschland möglichst rasch wieder von der Seuche zu befreien. Zuvor hatte der Raiffeisen-Verband bereits einen Umsatzschaden von allein bisher einer Milliarde Euro ausgemacht – einfach deshalb, weil einige Länder vorerst kein Fleisch aus Deutschland beziehen wollen. Zwar lassen sich die Auswirkungen schwer genau beziffern. Mit jedem weiteren Fall der Seuche aber werden wirtschaftliche Schäden wahrscheinlicher, vom Leid der Tiere mal ganz abgesehen.
Insofern kommt die gute Nachricht zur Eröffnung der Messe aus dem brandenburgischen Landkreis Barnim, nordöstlich von Berlin. Dort war bei einer Ziege eine Infektion mit der Maul- und Klauenseuche vermutet worden, doch der Verdacht erwies sich als unbegründet. Über der Grünen Woche aber wird die Seuche dennoch wie ein Damoklesschwert schweben. Nur den Plastikkühen in Halle 25 kann sie nichts anhaben.