Gewalt gegen Frauen: Kommt das Gewalthilfegesetz noch durch den Bundestag?

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Es war Anfang November, als Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Bundestag einen Gesetzentwurf gegen Gewalt an Frauen vorstellte. Sie nannte Statistiken, sprach über Femizide und die immens hohe Dunkelziffer und konstatierte: „Deutschland hat ein massives Gewaltproblem gegen Frauen.“ Eigentlich ein guter Auftakt für das Gesetz, wenn diese Bundestagssitzung nicht am 6. November stattgefunden hätte. Wenige Stunden später war die Ampel Geschichte.

Das sogenannte Gewalthilfegesetz des Familienministeriums steht seitdem auf der Kippe. Es sieht den Ausbau der dringend benötigten Frauenhausplätze vor. Dazu soll sich der Bund an den Kosten der Frauenhäuser beteiligen und Frauen sollen einen Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz bekommen. Paul wird den Gesetzentwurf am Mittwoch ins Kabinett einbringen. Dort wird er mit aller Wahrscheinlichkeit beschlossen. Die größte Hürde für das Gesetz kommt aber erst danach – es muss noch durch den Bundestag.

Die Gewalt gegen Frauen nimmt laut aktuellem BKA-Bericht zu

Ob das klappt, ist seit dem Ende der Koalition fraglich. Das Familienministerium appelliert nun vehement an das Gewissen der Abgeordneten. „Den bedrohten, geschlagenen und um ihr Leben fürchtenden Frauen ist es vollkommen egal, wer regiert“, sagte Paus am Montag, als sie einen offenen Brief des Deutschen Frauenrates entgegennahm, unterschrieben von über 70 Prominenten, Verbänden und Organisationen, die fordern, dass das Gewalthilfegesetz beschlossen wird. Zusätzlich haben mehr als 70 000 Menschen eine gleichnamige Onlinepetition unterzeichnet.

Dass etwas gegen Gewalt an Frauen getan werden muss, steht spätestens seit dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Lagebericht des Bundeskriminalamts außer Frage. Der Bericht verzeichnet nicht nur einen Anstieg von häuslicher Gewalt, sondern auch von Femiziden, Sexualstraftaten und digitaler Gewalt. Trotzdem ist die Unterstützung des Bundestags für das Gesetz nicht sicher. Insbesondere auf die Stimmen der Union kommt es jetzt an, doch der Fraktion geht das Gewaltschutzgesetz nicht weit genug. In einem Forderungskatalog verlangt sie zahlreiche zusätzliche Maßnahmen – einige davon sind bei der Bundesregierung schon länger in Arbeit.

Familiengerichte sollen mehr Maßnahmen verhängen können

So plant etwa das Bundesjustizministerium eine Änderung zum seit 2002 bestehenden Gewaltschutzgesetz. Der Gesetzentwurf sei bereits fertig und soll in dieser Woche in die Ressortabstimmung gehen, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag. Aus dem BMJ heißt es, dass ein Kabinettsbeschluss Anfang 2025 angestrebt wird.

Konkret beabsichtigt das Ministerium zwei Dinge zu ändern: Familiengerichte sollen Täter künftig zur Teilnahme an Anti-Gewalttrainings verpflichten können. Und sie sollen eine elektronische Aufenthaltsüberwachung anordnen können – eine elektronische Fußfessel also. Auf Initiative des ehemaligen Justizministers Marco Buschmann (FDP) hatte das BMJ dazu im Sommer eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern eingerichtet. Buschmann hatte zunächst für länderspezifische Regelungen zur elektronischen Fußfessel plädiert. Die Landesinnenminister wiederum hatten eine bundesweite Regelung gefordert.

Das Ziel sei, die Änderungen zum Gewaltschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode durchzubringen, sagte der Sprecher des Justizministeriums. Was nach dem Koalitionsbruch erneut die Frage nach dem Wie aufwirft. Das Justizministerium hofft genau wie das Familienministerium darauf, dass der Bundestag den notwendigen Schutz der Frauen vor etwaige parteipolitische Interessen stellt. Es gebe „eine breite Übereinstimmung darin, dass der Schutz gegen häusliche Gewalt verbessert werden muss“, sagt der Sprecher in Hinblick auf die Debatte der vergangenen Tage.

Währenddessen ist ein vom Justizministerium geplantes Gesetz gegen digitale Gewalt bereits endgültig gescheitert. Anfang April waren Eckpunkte zum Gesetz vorgestellt worden. Doch bis zu den Neuwahlen im Februar wird es nicht fertig werden, ließ der Ministeriumssprecher verlauten. Auch von diesem Gesetz hätten Frauen profitiert.

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