Der Winter naht jetzt auch in Italien, trübe und nasskalt begann das G-7-Treffen in Fiuggi und Anagni, zwei mittelalterlichen Städtchen 80 Kilometer östlich von Rom. Aber vor allem kommt der Winter, unerbittlich, für die Menschen in der Ukraine, die seit zwei Jahren unter russischem Bombardement liegen, das maßgeblich auch der Zerstörung ihrer Energieversorgung gilt.
Die Lage in dem bedrängten Land war eines der beiden beherrschenden Themen der Außenministerinnen und Außenminister der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten: USA, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und Kanada sowie der Europäischen Union als Ganzes.
In einer Beziehung war Melonis Solidarität kompromisslos
Zumal das Gastgeberland Italien nicht müde wird, auf die verzweifelte Lage der Ukraine hinzuweisen und Hilfe gegen den russischen Aggressor zu versprechen. Die in Europa wegen ihrer Rechtslastigkeit umstrittene Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war in ihrer Solidarität mit dem überfallenen Land bisher kompromisslos.
Zwar wachsen unter den Verbündeten leise Sorgen, dass Meloni, der man eine Nähe zum kommenden US-Präsidenten Donald Trump nachsagt, auf einen russlandfreundlichen Kurs gehen könnte. In Fiuggi war das indes nicht zu erkennen.
„Wir werden die Ukraine ohne Wenn und Aber weiter unterstützen“, hatte Melonis Außenminister Antonio Tajani vor dem Treffen gesagt, ehe er als Gastgeber mit Nachdruck weitere Hilfe für die Ukraine forderte. Zugleich sprach er auch mögliche Friedensverhandlungen in einem Kreis an, zu dem Russland und die USA gehören sollten. Aber „ein gerechter Frieden kann nicht mit einer Niederlage einhergehen“.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock drohte Unterstützern des russischen Angriffskriegs mit gemeinsamen westlichen Sanktionen. Dafür gebe es bereits ausreichend Kataloge mit Strafmaßnahmen, sagt Baerbock in Fiuggi. Länder, Unternehmen oder Akteure, die einen Regelbruch begingen, müssten damit rechnen, in die Sanktionspakete aufgenommen zu werden. „Die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs ist auch ein Bruch des Völkerrechts“, betonte die Ministerin, vermied es aber, konkrete Länder zu nennen. Als Unterstützer Russlands bekannt sind Iran, Nordkorea und auch China.
Die Dominanz der Weltpolitik zeigt sich auch daran, dass die G-7-Außenminister sich bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr trafen. Im April auf der Insel Capri war nicht nur das Wetter besser, mancher Teilnehmer hatte damals noch Hoffnungen, die er jetzt nicht mehr hat. Etwa darauf, dass die Herausforderung eines Präsidenten Trump an der Welt vorübergehen möge. Oder auch Hoffnungen in Bezug auf die eigene Amtsführung: Für USA-Außenminister Tony Blinken, EU-Chefdiplomat Josep Borrell und mutmaßlich auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock war dies das letzte Zusammentreffen in diesem Kreis.
„Arbeitsmotor, Krisenteam, Freundeskreis“ – all das seien die G 7, sagte Baerbock
Geoökonomisch sehen sich die Europäer in der Zange zwischen den machtbewussten und zunehmend rücksichtslosen Supermächten USA und China, sie beschwören ihre eigene Einigkeit, ohne das davon bei den entscheidenden Fragen viel zu erkennen wäre.
Allein die große Zahl der 27 Mitglieder gilt vielen als Hindernis für einheitliche Beschlüsse. Das G-7-Format sei im Vergleich zu den großen EU-Runden das bessere Format, um Dinge voranzubringen, hieß es aus der Runde der Minister und Ministerinnen. „Arbeitsmotor, Krisenteam, Freundeskreis“ – all das seien die G 7, sagte Baerbock in Fiuggi.
Mit den Gelegenheiten zu Freundschaftsbekundungen hat es die Regierung Meloni im Jahr ihrer Präsidentschaft besonders gut gemeint. Über das Jahr und über Italiens geschichtsträchtige Regionen verteilt wurde zu sage und schreibe 23 Ministerkonferenzen eingeladen, nahezu jeder Fachminister aus den G-7-Staaten hatte 2024 eine Italien-Reise im Kalender stehen: Das Außenministertreffen markierte nun den Abschluss, im kommenden Jahr übernimmt Kanada den Vorsitz.
Eine weitere Spezialität der Italiener war die Einbeziehung anderer Staaten. In Fiuggi waren Vertreter aus Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar dabei, die für die Lösung des Nahostkonflikts als besonders wichtig gelten.
Starke Differenzen bei der Einschätzung des Haftbefehls gegen Netanjahu
Die Lage in Israel, Gaza und Libanon war das andere große Thema des Treffens. Mit Spannung war erwartet worden, ob die G 7 sich zu einer einheitlichen Aussage zum Haftbefehl gegen Netanjahu würden verständigen können; bis zuletzt wurde am Abschlussdokument gefeilt. Die USA hatten den Beschluss des Internationalen Strafgerichtshofs, dessen Autorität sie anders als etwa Deutschland und Italien nicht anerkennen, scharf kritisiert.
Baerbock hatte sich nicht explizit zu der Frage geäußert, ob Netanjahu gegebenenfalls bei einem Besuch in Deutschland verhaftet werden würde, aber gesagt: „Die Bundesregierung hält sich an Recht und Gesetz, weil niemand über dem Gesetz steht.“ Die Justiz sei zu dem Schluss gekommen, „dass es hinreichend Indizien für sie gibt, diesen Schritt jetzt zu unternehmen“.
Zugleich begleitete ein Anflug von Hoffnung die Konferenz: Würde es den von US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron verhandelten lange ersehnten Waffenstillstand in Libanon geben, wo Israel gegen die Hisbollah kämpft? Sie sehe „ein Momentum“, hatte Außenministerin Baerbock am ersten Tag gesagt, aber auch: „Wir glauben das erst, wenn wir es sehen“, zu häufig waren in diesem Kreis Erwartungen enttäuscht worden.
Insgesamt war bei den Teilnehmern der Fiuggi-Konferenz viel Frust und Anspannung zu spüren. Der Wille, die internationalen Herausforderungen gemeinsam und friedlich zu lösen, habe stark abgenommen, sagte ein Minister, das Lagerdenken sei auf dem Vormarsch. Eine Herausforderung, der sich im kommenden Jahr die kanadische Außenministerin Melanie Joly als neue Dirigentin der Bemühungen um Frieden und Kooperation stellen muss.