Fußball-EM 2025: VAR-Ärger bei Deutschland gegen Dänemark. Das sagen ARD und Uefa

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 Drei Minuten für eine Abseits-Entscheidung ist zu lang

Schiedsrichterin Campos: Drei Minuten für eine Abseits-Entscheidung ist zu lang

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Daniela Porcelli / Getty Images

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Die 34.165 Fans im Basler St.-Jakob-Park wurden ungeduldig. Pfiffe hallten durch das größte Stadion der Fußball-EM 2025.

Es lief die 39. Minute und zum zweiten Mal war das Gruppenspiel zwischen Deutschland und Dänemark länger unterbrochen.

Der Grund: Der Video-Assistent (VAR) Alen Borosak aus Slowenien überprüfte eine Szene, es ging um die Frage, ob der deutschen Mannschaft nach einem Handspiel ein Elfmeter zugesprochen wird.

Insgesamt gab es an diesem Abend in Basel drei längere VAR-Unterbrechungen. Zweimal profitierten die Däninnen von den Entscheidungen, in der zweiten Hälfte bekam das DFB-Team nach Borosaks Eingriff einen Elfmeter zugesprochen. Sjoeke Nüsken verwandelte, Deutschland glich aus, gewann das Spiel 2:1 und steht vorzeitig im Viertelfinale.

Der Videobeweis, der in der Männer-Bundesliga 2017 und in der Champions League 2018 eingeführt wurde, hat es weiterhin schwer, von der breiten Fußball-Öffentlichkeit akzeptiert zu werden. Bei den Frauen wiederum wurde der VAR viel später eingeführt, die EM 2022 war das erste Turnier mit Videobeweis, in der Frauen-Bundesliga gibt es noch gar keinen Videobeweis.

Foto: Matthias Hangst / Getty Images

Das sorgt auch dafür, dass manche Kritikpunkte auch mit Verzögerung auftreten – wie am Dienstag beim Spiel der deutschen Mannschaft. »Ich weiß nicht, ob die Entscheidungen richtig oder falsch waren«, sagte Bundestrainer Christian Wück nach dem Sieg. »Aber das System, der Fußball muss darüber nachdenken, wie er das beschleunigen kann.«

Wer nicht im Stadion war und das Spiel in der ARD schaute, dem fiel eine andere Sache auf: Während der Unterbrechungen wurden kaum Wiederholungen gezeigt, die TV-Zuschauerinnen und Zuschauer sahen stattdessen die wartende Schiedsrichterin Catarina Ferreira Campos oder Spielerinnen, die ähnlich ratlos wirkten, wie der Fan auf der Couch.

1. Szene: Das aberkannte Bühl-Tor

Klara Bühl war die auffälligste deutsche Offensivspielerin. In der 18. Minute erzielte die Münchnerin die vermeintliche Führung für Deutschland. Wenn ein VAR im Einsatz ist, wird jedes Tor überprüft, so auch in diesem Fall. Die Spielerinnen standen schon wieder am Mittelkreis, als klar wurde, dass dieser Check etwas länger dauern würde.

Unmittelbar nach Bühls Treffer waren in der ARD zwei Wiederholungen zu sehen. Reporterin Stephanie Baczyk machte auf die mögliche Abseitsposition von Nüsken aufmerksam, doch danach folgte keine weitere Wiederholung der Szene. Stand die Mittelfeldspielerin wirklich in der verbotenen Zone? Hat sie den Ball womöglich sogar berührt? Die Fragen blieben unbeantwortet, bis Ferreira Campos nach drei Minuten das Tor korrekterweise zurücknahm.

 Richtige Entscheidung

Tor Bühl, Abseits Nüsken: Richtige Entscheidung

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Bernadett Szabo / REUTERS

Drei Minuten ist bei einer faktischen Abseits-Überprüfung tatsächlich sehr lang. Zum Vergleich: In der vergangenen Bundesliga-Saison der Männer benötigten die Video-Assistenten im Durchschnitt 87 Sekunden, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Bei nicht-faktischen Entscheidungen (Foul, Handspiel) betrug die Zeit in der Saison 2024/2025 im Schnitt 106 Sekunden.

Die Kritik an der langen Entscheidungsfindung ist auch deshalb berechtigt, weil die Uefa bei ihren Wettbewerben, anders als der DFB, auf eine halbautomatische Abseitserkennung setzt. Dabei werden Kameras eingesetzt, die das gesamte Spielfeld und die Positionen der Spielerinnen erfassen. Laut Berechnungen des europäischen Verbands soll das die Abseitserkennung deutlich beschleunigen, 50 Sekunden gilt dabei als Richtwert.

Das hat in diesem Fall nicht funktioniert.

2. Szene: Der zurückgenommene Elfmeter

Die zweite Szene ist anders zu bewerten. Nach einer Flanke von Bühl stoppte Frederikke Thögersen den Ball mit der Hand. Die Schiedsrichterin nahm das Vergehen in der realen Geschwindigkeit wahr und zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt (37. Minute). Direkt im Anschluss wurden in der ARD drei Wiederholungen gezeigt und schnell war klar, dass es bei der obligatorischen Überprüfung um die Frage ging, wo genau Thögersen der Ball an die Hand sprang.

Es dauerte zweieinhalb Minuten, ehe Video-Assistent Borosak seine nicht-faktische Entscheidung übermittelte: Das Handspiel fand außerhalb des Strafraums statt, statt Elfmeter gab es Freistoß für Deutschland.

 Lange Wartezeit

Elfmeterschützin Nüsken: Lange Wartezeit

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Stephane Mahe / REUTERS

Diese Entscheidung fiel mit Hilfe einer anderen Technologie, die noch relativ neu ist. In den Bällen sind Sensoren verarbeitet, die Ballberührungen messen und einer genauen Positionierung auf dem Feld zugewiesen werden können. Wegen dieser Technik bekam die Männer-Nationalmannschaft im vergangenen Jahr bei der Heim-EM gegen Dänemark einen Elfmeter zugesprochen, was im Nachgang sehr kritisch bewertet wurde, denn die Handberührung von Joachim Andersen war minimal.

3. Szene: Elfmeter für Deutschland

In der zweiten Hälfte bekam die DFB-Elf dann aber doch einen Elfmeter zugesprochen. Nach einem Foul an Linda Dallmann hatte Ferreira Campos zunächst weiterspielen lassen, doch der Video-Assistent übermittelte seine Zweifel. Die Schiedsrichterin ging 80 Sekunden nach dem Foul an die Seitenlinie, um sich die Szene selbst anzuschauen, ihre revidierte Entscheidung fiel eine weitere Minute später.

Dallmann wurde von Katrine Veje tatsächlich am Fuß getroffen, ob der Tatbestand einer klaren Fehlentscheidung zutrifft, muss zumindest bezweifelt werden. Insgesamt handelte es sich um eine zügige Entscheidungsfindung. Allerdings wurden die TV-Zuschauer auch in diesem Fall mit ihrer Unkenntnis lange allein gelassen.

Warum zeigt die ARD keine Wiederholungen?

Auf Nachfrage des SPIEGEL verweist der NDR, der für die ARD die Übertragungen aus der Schweiz verantwortet, auf das sogenannte »Spielsignal« der Uefa. Die TV-Sender, in Deutschland teilt sich die ARD die Übertragung mit dem ZDF, übernehmen die vom europäischen Verband zur Verfügung gestellten Bilder. Die Sender haben demnach »keinen Einfluss auf die Bildauswahl oder die Anzahl der Wiederholungen bei strittigen Szenen«, wie es von Seiten des NDR heißt.

Was sagt die Uefa?

Die Auswahl der TV-Bilder liegt also in der Verantwortung der Uefa. Auf die Frage des SPIEGEL, warum in der Partie der deutschen Mannschaft so spärlich aufgeklärt wurde, antwortet der Verband nicht. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass manche VAR-Einsätze einfach länger andauern und die vollständige Aufklärung strittiger Szenen im weiteren Spielverlauf nachgeholt wird.

Das ist tatsächlich auch am Dienstag passiert, was es für die Fans vor den Bildschirmen nicht besser macht.

Zudem verweist die Uefa auf einen Service auf ihrer Website, wo im Nachhinein VAR-Entscheidungen erklärt werden . Dort findet man kurze Video-Sequenzen mit hilfreichen Erklärungen, wie etwa Grafiken mit Ausschlägen der Sensortechnik im Ball. Diese Informationen werden allerdings nicht im laufenden Spiel veröffentlicht.

Die Anzahl der zur Verfügung stehenden TV-Kameras ist übrigens nicht für die mangelnden Szenen verantwortlich. Die Uefa setzt in der Vorrunde 23 Kameras in den Stadien ein, diese Anzahl wird im Laufe der K.-o.-Phase gar auf 27 erhöht. Das entspricht in etwa dem Standard in den Stadien der Bundesliga der Männer.

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