Langes Elend: Oft sind es winzige Momente, die den Unterschied zwischen Finaleinzug und Turnieraus machen. Zwischen Deutschland und Spanien aber war es eine sekundenlange Sequenz, die sich rund um den Strafraum der DFB-Elf abspielte: Die frisch eingewechselte Sydney Lohmann fing im eigenen Sechzehner ein spanisches Zuspiel ab. Statt den Ball zu klären, drehte sich Lohmann um sich selbst, wollte, verfolgt von Spaniens Ona Batlle, unbedingt die spielerische Lösung finden. Doch die blieb unauffindbar.

Sydney Lohmann unterlief der Ballverlust vor dem 0:1
Foto: Sebastian Christoph Gollnow / dpaNach einem Dribbling bis zur Seitenlinie spielte Lohmann den Ball unter Druck zu Spaniens Athenea del Castillo, die setzte Aitana Bonmatí in Szene. Und die Weltfußballerin tat Weltfußballerinnendinge, sah aus spitzestem Winkel die Lücke zwischen Ann-Katrin Berger und dem Pfosten und traf. Sie stand nur am Ende der Fehlerkette, trotzdem zeigte sich Berger nach Spielende tief betrübt: »Da nehme ich die Schuld auf mich. Die kurze Ecke muss zu sein.« Besonders für das Team täte es ihr leid: »Da kann ich noch so viele Paraden machen. Der hätte einfach meiner sein sollen.«
Das Ergebnis: 0:1 (0:0, 0:0) unterliegt Deutschland Spaniens Weltmeisterinnen in einem Halbfinale, das über 120 Minuten von der Spannung getragen werden musste. Somit kommt es zum Traumfinale der Spanierinnen gegen Titelverteidiger England. Für Deutschland ist das Turnier vorbei, bei Europameisterschaften wird kein Spiel um Platz drei ausgetragen. Hier geht es zum Spielbericht.
Wo kein Wolle ist: Was im Sommer 2024 noch Peter Schillings »Major Tom« war, ist im Sommer 2025 das Gesamtwerk von Schlager-Legende Wolfgang Petry. Der hatte den deutschen Fußballerinnen während der EM-Vorbereitung in Herzogenaurach einen Besuch abgestattet, dabei sogar einen seiner Klassiker gemeinsam mit dem Team neu vertont. Vor dem Halbfinale hoffte Deutschlands Sophia Kleinherne nun auf Unterstützung vor Ort: »Er hat gesagt, dass er da ist, wenn wir ihn brauchen. Ich glaube, es ist ein Moment da, wo wir ihn brauchen.« Die Reise nach Zürich trat Petry dann zwar nicht an, wandte sich aber zumindest via Instagram an die DFB-Elf: »Mein Herz ist bei jeder Einzelnen von Euch.«
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Warum denn so ernst? Im fiktiven Gotham City hätte man einen unpässlichen Superhelden wie Petry bestimmt per Lichtsignal herbeirufen können. Beim realen Gotham City FC spielen für gewöhnlich zwei Protagonistinnen des Abends zusammen: Esther González, Spaniens Mittelstürmerin, bei der EM schon viermal erfolgreich. Und Ann-Katrin Berger, beim dramatischen Viertelfinalerfolg gegen Frankreich die Spielerin des Abends. Nun also das direkte Duell – mit dem Punktsieg für Berger: Eine Direktabnahme von Knipserin Esther lenkte sie mit einem spektakulären Reflex über die Latte (23.), stoppte die Spanierin auch im Eins-gegen-Eins nach einem Traumpass von Patri (45.+1). Im Anschluss lachte Berger ihre Klubkollegin fast schon an, als wollte sie sagen: netter Versuch.

Hatten ihren Spaß: Ann-Katrin Berger und Esther González forderten einander
Foto: Alexander Hassenstein / Getty ImagesMit Betonung auf Beton: Die frühen bergerschen Heldentaten waren eingepreist. Fraglich war eher, was in der Offensive passieren würde: Mutiger Angriffsfußball wie in der Vorbereitung? Oder würde Bundestrainer Christian Wück sich am Frankreichspiel orientieren, wo er (auch aufgrund der frühen Roten Karte) defensiv Beton anrührte und die Offensive hintanstellte? Es sollte erneut der vorsichtige Ansatz werden: Fünf Verteidigerinnen in der Startelf, Sara Däbritz als defensivste denkbare Vertreterin der gesperrten Sjoeke Nüsken auf dem Feld, auch Stürmerin Giovanna Hoffmann durfte mit ihrer körperbetonten Spielweise als Zeichen für wückschen Raubeinfußball gewertet werden.
Chancenminus: So war es fast folgerichtig, dass das DFB-Team sich seine Torgelegenheiten nur sehr vereinzelt erspielte. Klara Bühl erlief mal einen langen Ball von Berger (8.), Hoffmann schlug ein unglückliches Luftloch nach Solo von Jule Brand (29.), Bühl scheiterte per Knie an Cata Coll (63.). Währenddessen hielt Spanien die Ballbesitzhoheit, kam gerade gegen Ende der ersten Hälfte im Minutentakt vor Bergers Tor. Es war Außenseiterfußball des deutschen Teams, aber weil auch die Chancen der Spanierinnen selten groß waren, war es guter Außenseiterfußball.

Giovanna Hoffmann macht Stimmung: Gegen Spanien zeigte Deutschland
Foto: Martin Meissner / APUnlucky Punch: So verdiente sich die deutsche Elf die Verlängerung. Und beinahe noch mehr: In der vierten Minute der Nachspielzeit wählte Bühl den Fernschuss. Abgefälscht senkte sich der Ball als Bogenlampe aufs Tor, Keeperin Coll pritschte ihn wie beim Volleyball von der Linie und taumelte in die Maschen des Tornetzes. Bis zum Nachschuss von Carlotta Wamser aber hatte Coll sich wieder berappelt – und in der Verlängerung hatten die Spanierinnen dann wieder Oberwasser.
Wück will die Lücke schließen: Spanien und England blicken auf das Finale, das am Sonntag um 18 Uhr (TV: ZDF, Liveticker: SPIEGEL.de) in Basel steigt. Christian Wück blickt in die ferne Zukunft: »Wir haben eine Entwicklung angestoßen im Oktober«, richtete der Bundestrainer den Blick nach dem Aus nach vorne, als wäre das bittere 0:1 nur eine Randerscheinung. »Da gibt es überhaupt keine Vorwürfe, weder an Syd, noch an Anne. Wir haben aus meiner Sicht ein richtig gutes Turnier gespielt.« Nun müsse man sich im Ballbesitz verbessern, um die Lücke zu Spanien und England zu schließen. Die WM 2027 wird in Brasilien steigen, schlechter wird das junge deutsche Team bis dahin voraussichtlich nicht werden.