Nicht einmal an Weihnachten haben die diplomatischen Bemühungen um einen Friedensschluss in der Ukraine pausiert. Am Freitag gab der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij bekannt, dass er sich demnächst persönlich mit US-Präsident Donald Trump treffen werde. „Bis Neujahr kann noch viel entschieden werden“, schrieb Selenskij auf seinen Social-Media-Kanälen. Die Kiewer Zeitung Kyiv Post berichtete unter Berufung auf diplomatische Quellen, das Treffen solle am 28. Dezember in Trumps Residenz in Florida stattfinden. Eine US-Bestätigung fehlte zunächst.
Am 23. Dezember hatte Selenskij in Kiew einen Arbeitsentwurf mit 20 Punkten für eine Regelung zum Friedensschluss in der Ukraine vorgestellt. Er sei mit den USA abgestimmt und solle nun von Washington nach Moskau übermittelt werden, sagte er. Am Donnerstag telefonierte Selenskij dann nach eigener Aussage eine Stunde mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und mit Jared Kushner, dem ebenfalls an den Verhandlungen teilnehmenden Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, um „verschiedene substanzielle Details“ zu klären.
Die Reaktion aus Moskau ist verhalten
In Moskau sprach Kremlsprecher Dmitrij Peskow allerdings nur davon, dass der russische Machthaber Wladimir Putin die Gespräche zwischen Washington und seinem Gesandten Kirill Dmitrijew „analysiere“, und nicht etwa einen Vorschlag Kiews und Washingtons. Auch Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa bezog eine Aussage über „langsamen, aber stetigen Fortschritt“ ausschließlich auf Gespräche zwischen Moskau und Washington. In Richtung Ukraine sprach Sacharowa weiter vom „Kiewer Neonazi-Regime“.
Selenskij hatte betont: „Wir arbeiten wirklich rund um die Uhr, um ... sicherzustellen, dass alle Dokumente und Schritte realistisch, effektiv und zuverlässig sind.“ Allerdings wirken viele der vom ukrainischen Präsidenten vorgestellten 20 Punkte wenig realistisch. So sieht der Entwurf vor, Russland müsse zunächst seine Truppen aus eroberten Teilen der Regionen Dnipropetrowsk, Luhansk, Donezk und Cherson zurückziehen sowie aus den Regionen Sumy, Mykolajiw und Charkiw. Diese Forderung wirkt angesichts des an vielen Stellen der Front weiteren Vorrückens der Russen nicht besonders chancenreich. Die Idee einer entmilitarisierten Zone im Donbass greift der 20-Punkte-Plan als „Freie Wirtschaftszone“ auf; sie wäre wohl nur durch Zehntausende europäische Soldaten zu sichern. Westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine wurden bisher von Moskau ebenso abgelehnt wie eine Beteiligung der Nato.

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Für das von Moskau besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja sieht der von Selenskij vorgestellte Entwurf keine russische Beteiligung, sondern eine Arbeitsteilung zwischen Ukrainern und US-Amerikanern vor. Angesichts der Tatsache, dass die Russen das Werk und die umgebende Stadt Enerhodar kontrollieren und Leitungen legen, um die Energie aus dem Atomkraftwerk ins russische Netz einzuspeisen, erscheint dies wenig wahrscheinlich. Das gilt auch für Punkt 6, in dem es heißt, Moskau solle eine „Nichtangriffspolitik“ gegenüber der Ukraine und Europa gesetzlich festschreiben. Punkt 13 verlangt in ukrainischen und russischen Schulen Pflichtprogramme gegen Rassismus und Vorurteile.
Auch die EU oder die Ukraine betreffende Punkte sind hoch fragwürdig: etwa Selenskijs Wunsch, sein von massiver Korruption auf allen Ebenen durchzogenes Land möge schon 2027 oder 2028 in die EU aufgenommen werden. Ebenso die Idee einer Präsidentschaftswahl unter Kriegsrecht, denn zu einer Wahl gehört ein freier, monatelanger Wahlkampf. Wahlen in Kriegszeiten werden bisher durch die ukrainische Verfassung und das Gesetz über das Kriegsrecht ausgeschlossen. Zwar lässt Selenskij das Parlament an Änderungen am Kriegsrechtsgesetz arbeiten, die eine Präsidentenwahl erlauben würden. Solch eine Regelung wäre aber mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig.
Dass in Moskau Außenamtssprecherin Sacharowa von Fortschritt spricht, dürfte vor allem daran liegen, dass Moskau es sich nicht mit US-Präsident Trump verderben will. Denn der könnte dann etwa das seit Monaten im US-Senat liegende Gesetz mit vielen neuen, scharfen Sanktionen gegen Moskau beschließen lassen.
Darauf drängt der ukrainische Präsident. Die Russen „können Präsident Trump nicht sagen: ‚Also, wir sind gegen eine friedliche Lösung‘ … wenn sie versuchen, alles zu verhindern, müsste uns Präsident Trump schwer bewaffnen und ihnen gleichzeitig alle möglichen Sanktionen auferlegen“, sagte Selenskij am 23. Dezember.











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