Die Mehrheit im EU-Parlament für das neue Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gilt als sicher. Drei Personalien waren bis zum Schluss umstritten.
27. November 2024, 5:27 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, kj
Das Europaparlament stimmt an diesem Mittwoch über das neue Team von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ab. Die Abgeordneten sollen in Straßburg die 26 Kommissarinnen und Kommissare bestätigen, die dann wie geplant zum 1. Dezember ihr Amt antreten könnten. Die Mehrheit gilt als gesichert, weil sich die Spitzen von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen vorab bereits geeinigt hatten.
Erwartet wird, dass Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer zweiten Amtszeit andere Schwerpunkte setzt als bisher. War bei ihrem Antritt 2019 die Klimakrise eines der treibenden Themen, dürften nun andere Probleme in den Fokus rücken: Mit den Kriegen in der Ukraine und in Gaza, dem bevorstehenden Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident und dem schwelenden Handelsstreit mit China steht die EU vor der großen Frage, wie sie wettbewerbsfähig und wehrhaft bleiben kann.
Ein Zeichen für
diese veränderten Schwerpunkte setzt von der Leyen mit der Schaffung des
neuen Postens eines Verteidigungskommissars. Litauens
Ex-Ministerpräsident Andrius Kubilius soll dafür sorgen, dass
Europa militärisch unabhängiger wird und leichter in europäische
Rüstungsprojekte investiert werden kann.
Ukrainekrieg, Handelskonflikt, Migration
Der Krieg in der Ukraine dürfte auch die Estin Kaja Kallas beschäftigen: Als neue Chefdiplomatin der EU wird sie sich damit befassen müssen, dass die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg derzeit nachlässt – während die EU in anderen Konflikten wie etwa im Nahen Osten nur wenig Einfluss geltend machen kann.
Neben den sicherheitspolitischen Herausforderungen gilt es, die EU krisensicher im Wettbewerb mit China oder den USA zu machen. Der designierte EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič übernimmt einen Handelskonflikt mit China: Die EU wirft der Regierung in Peking Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen vor und beschloss im vergangenen Monat Extrazölle auf chinesische E-Autos. China prüft derzeit Gegenmaßnahmen, von denen auch deutsche Autobauer betroffen sein könnten.
Ein Dauerthema bleibt der Kampf gegen illegale Migration. Der bisherige österreichische Finanzminister Magnus Brunner wird als neuer Kommissar dafür verantwortlich sein, den umstrittenen Migrationspakt umzusetzen. Das wird nicht einfach, da das Thema immer wieder für Uneinigkeit zwischen den Ländern sorgt – zuletzt hatte etwa Deutschland mit vorübergehenden Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen Ärger ausgelöst.
Drei Nominierungen sorgten für Streit
Die Abstimmung erfolgt knapp sechs Monate nach der Europawahl, bei der Ursula von der Leyens Mitte-Rechts-Bündnis EVP die meisten Stimmen bekam. Sie wurde daraufhin im Juli für ihre zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt und hatte ihr Wunschteam im September vorgestellt. Für besonderes Aufsehen sorgte die Nominierung des Italieners Raffaele Fitto, der künftig unter anderem für Reformen zuständig sein soll – also auch für den Europäischen Sozialfonds und einen Fördertopf für regionale Entwicklung. Zwar gilt der Rechtspolitiker vielen in Brüssel als politisch gemäßigt und proeuropäisch. Die Sozialdemokraten im Parlament wehrten sich aber heftig dagegen, dass ein rechter Politiker aus der Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine herausgehobene Position wie die des Vizepräsidenten bekommt.
Im
Gegenzug blockierte die EVP, der auch CDU und CSU angehören, zunächst
die Berufung der Sozialistin Teresa Ribera als Kommissarin für
Wettbewerbspolitik und grünen Wandel. Konservative und rechte
Abgeordnete werfen der derzeitigen spanischen Umweltministerin Versagen
bei den schweren Überschwemmungen in der Region Valencia vor. Letztlich
einigten sich die großen Fraktionen im Parlament nach langen
Verhandlungen jedoch, sodass sowohl Fitto als auch Ribera nun wohl ihr
Amt antreten können.
Umstritten ist auch der Ungar Olivér Várhelyi, der wegen seiner Loyalität gegenüber dem autoritär regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Orbán in der Kritik steht. Die großen Fraktionen einigten sich letztlich darauf, Teile seines Portfolios Gesundheit und Tierschutz anderen Kommissaren zu übertragen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa sind darunter etwa jene zur sexuellen Diskriminierung und Selbstbestimmung. Kritiker werfen Orbán vor, die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten in Ungarn beschnitten und unter anderem das Abtreibungsrecht verschärft zu haben.
Die EU-Kommission mit einem Apparat von rund 32.000 Beschäftigten schlägt als einzige Institution in der Europäischen Union Gesetze für die Staatengemeinschaft vor und überwacht die Einhaltung des EU-Rechts. Alle 27 EU-Staaten durften mindestens eine Kandidatin und einen Kandidaten nominieren. Weil mit von der Leyen eine Deutsche an der Spitze der EU-Kommission steht, gibt es keinen zusätzlichen deutschen Kommissar.