Erfolg für große US-Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix: Sie müssen vorerst keine Datenmaut in der EU mehr befürchten. "Die Europäische Union bestätigt, dass sie keine Netznutzungsgebühren einführen oder beibehalten wird", führt das Weiße Haus in einem "Faktenblatt" zu der politischen Verständigung zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump auf ein Abkommen über Zölle und eine Handelspartnerschaft vom Sonntag aus. Von EU-Seite gibt es dazu keinen Widerspruch.
Andere Begriffe für Netznutzungsgebühren sind Infrastrukturabgabe, Fair Share oder Sender Pays. Die EU-Kommission und der Ministerrat starteten in den vergangenen Jahren zahlreiche Initiativen, um so eine Big-Tech-Kostenbeteiligung am Netzausbau einzuführen. Das Vorhaben galt aufgrund großen Widerstands von vielen Seiten vor Kurzem als gescheitert. Mittlerweile hat die Kommission aber einen neuen Anlauf genommen. Sie will die Datenmaut nun durch die Hintertür über den geplanten Digital Networks Act (DNA) salonfähig machen. Dafür soll ein Streitbeilegungsverfahren für "IP-Zusammenschaltungen" alias Peering den Weg ebnen.
"Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union beabsichtigen, ungerechtfertigte digitale Handelshemmnisse anzugehen", heißt es in der Handreichung der US-Regierungszentrale weiter. Diese fokussiert sich zwar auf die Netznutzungsgebühren, doch solche Blockaden könnte die US-Seite deutlich weiter interpretieren. Konkret steht für das Weiße Haus fest, dass beide Blöcke "weiterhin keine Zölle auf elektronische Übertragungen erheben". Damit sieht es nicht gut aus für – vorab schon eingeschränkte – Gedankenspiele der Kommission, eine Digitalsteuer für große Plattformbetreiber einzuführen.
"Angriff" auf US-Tech-Konzerne
Die EU-Kommission hatte sich am Montag beeilt zu betonen, dass die Regulierung des Technologiesektors einer der Bereiche sei, in denen sie keinen Zentimeter nachgegeben habe. Vorgaben wie der Digital Services Act (DSA), der besonders bedrohte Digital Markets Acts (DMA) und die KI-Verordnung würden weiter durchgesetzt. Am Dienstag räumte ein Kommissionssprecher dann ein, dass der Absatz zu den Digitalbestimmungen aus der Erklärung des Weißen Hauses korrekt sei. Zugleich versicherte er: "Aber das beeinträchtigt nicht unsere Vorschriften oder unseren Regulierungsspielraum". Die EU werde ihr "Recht auf autonome Regulierung im digitalen Raum nicht aufgeben".
Im Laufe der Zoll-Verhandlungen kritisierten Vertreter der Trump-Regierung immer wieder die vergleichsweise strikten Digitalgesetze der EU, auf deren Basis gerade US-Tech-Konzernen teils empfindliche Sanktionen drohen. US-Handelsminister Howard Lutnick sagte am Dienstag gegenüber CNBC, der ein oder andere Kuhhandel mit der EU stehe noch aus. "Kann ich damit rechnen, weiterhin mit den Handelsvertretern der Europäischen Kommission zu sprechen? Ja, sie haben mich heute Morgen angerufen", berichtete er. "Digitale Dienste, Steuern und der Angriff auf unsere Technologieunternehmen – das wird auf dem Tisch liegen."
Europäische Abgeordnete sollen einschreiten
Den EU-Abgeordneten Brando Benifei, der den AI Act mitverhandelt hat, besorgt diese Rhetorik. Auch die Haltung der Kommission sende "das falsche Signal", befürchtet der Sozialdemokrat: "Wenn wir unter Druck einknicken, was soll Trump dann davon abhalten, als Nächstes unsere Gesetzgebung anzugreifen?"
Washington wolle weitreichende Ausnahmen von EU-Regeln etwa im Digitalbereich durchsetzen, moniert auch Max Bank, Experte für Handelspolitik der zivilgesellschaftlichen Organisation LobbyControl. "Dieser Deal ist TTIP [Transatlantic Trade and Investment Partnership] durch die Hintertür", beklagt er mit Blick auf die jahrelangen, letztlich gescheiterten transatlantischen Gespräche über ein umfassendes Handelsabkommen. Dieses Mal sei der Konsens einfach "per Handschlag auf dem Golfplatz" besiegelt worden. LobbyControl fordert eine gründliche parlamentarische Kontrolle – auch in den Mitgliedstaaten. Sollte sich die US-Auslegung bestätigen, müssten die Volksvertreter den Deal stoppen: "Sonst droht eine schleichende Aushöhlung unserer Gesetze – und damit unserer Demokratie."
(mma)