Essen: Krankenhausseelsorger erinnert sich an Nottaufe eines Neugeborenen

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Krankenhausseelsorger über eine Nottaufe »Sie hatte einen Namen. Er lautete Yasemin«

Jens Schwabe-Baumeister ist Krankenhausseelsorger. Er sieht in der Zeitung eine Sammelanzeige für verstorbene Menschen ohne Angehörige, darin ist ein »Mädchen ohne Vornamen« aufgelistet. Doch er kannte das Kind.

Aufgezeichnet von Tobias Großekemper

22.08.2025, 09.24 Uhr aus DER SPIEGEL 35/2025

 »Versuche, in solchen Situationen nicht zu viel zu denken«

Schwabe-Baumeister, 63: »Versuche, in solchen Situationen nicht zu viel zu denken«

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Andrea Kiesendahl / DER SPIEGEL

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»Vor etwa zwei Wochen entdeckte ich in der Lokalzeitung eine Todesanzeige für die, die wir die ›Unbedachten‹ nennen – Menschen, die ohne Angehörige sterben. Sie werden dann von der Stadt beigesetzt, in einer Gedenkfeier wird an sie erinnert. Fast alle sind alt und alleinstehend. In der letzten Spalte dieser Anzeige war ein Kind aufgelistet. Da stand neben dem Nachnamen: ›Mädchen ohne Vornamen, einen Tag alt‹. Ich bin dann zu der Gedenkfeier im Essener Dom gegangen, um für mich mit der Sache abzuschließen. Und ich wollte die Kollegen darauf hinweisen, dass das Kind einen Vornamen hatte. Als Krankenhausseelsorger hatte ich es im April getauft.

Damals schellte an einem Samstagabend kurz vor Mitternacht mein Telefon, ich hatte an dem Tag Rufbereitschaft. Die Kinderintensivstation war dran, es ginge um eine Nottaufe – es stand also bei einem Säugling Spitz auf Knopf. Ich zog mir nur schnell ein Jackett an und machte mich auf den Weg.

Auf der Station hatte eine Mitarbeiterin ein kleines Bündel Mensch im Arm, das Kind war wenige Stunden alt und wurde von Hand beatmet. Es war klar, dass das Frühchen sterben wird. Die Mutter kam dazu, es gab Verständigungsprobleme, aber sie nannte mir einen Namen und machte mir deutlich, dass das Kind getauft und gesegnet werden sollte. Das habe ich getan.

Ausgerechnet er?

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Am nächsten Tag ging ich noch mal ins Krankenhaus, um die Mutter zu fragen, wie der Name genau buchstabiert werden soll. Doch sie war verschwunden und hatte das tote Kind und dessen Zwillingsschwester zurückgelassen. In der Klinik hatte sie alte Kontaktdaten angegeben, unter denen sie nicht mehr auffindbar war. So etwas habe ich noch nie erlebt.

Als Seelsorger versuche ich, in solchen Situationen nicht zu viel zu denken. Zu werten, ohne alle Einzelheiten zu kennen, ist sehr dünnes Eis. Die Frau muss unter erheblichem Druck gestanden haben, um ein totes Kind zurückzulassen und ein anderes lieber in einer Pflegefamilie als im eigenen Umfeld groß werden zu lassen. Aber dass die beiden ihr etwas bedeutet haben, kann man daran sehen, dass es der Mutter wirklich wichtig war, ihre Tochter vor ihrem Tod taufen zu lassen. Sie hatte einen Namen. Er lautete Yasemin. So wurde er bei der Gedenkfeier vorgelesen.«

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