Der Plan der EU-Kommission für einen Digital Networks Act (DNA) sorgt weiter für Unmut. Eigentlich will die Brüsseler Regierungsinstitution mit dem Vorhaben sichere und schnelle Hochgeschwindigkeitsnetze fördern, den Binnenmarkt für Telekommunikation stärken und die Regulierung weiter harmonisieren. Doch die Initiative drohe nach hinten loszugehen, warnen mehrere große europäische Telekommunikationsanbieter und Branchenverbände in Brandbriefen vom Donnerstag. Sie befürchten demnach dramatische Folgen für den Wettbewerb und den Glasfaserausbau in Europa.
Die europäische Regulierung habe bisher "ein Gleichgewicht zwischen Wettbewerb" und Anreizen für langfristige Investitionen verfolgt, die für den Aufbau und Betrieb hochwertiger Gigabit-Glasfaser-Festnetzverbindungen erforderlich seien, betonen die Chefs von Telcos wie 1&1, Vodafone, Colt, Eurofiber oder Hutchison (Three) in einem heise online vorliegenden Schreiben. Es sei daher besorgniserregend, dass die Kommission nun mit den Überlegungen für einen DNA und eine Reform der Märkte-Empfehlung für den Sektor vorschlage, "die Regulierung ehemaliger fester Monopole zu lockern". Es drohe ein Rückschritt.
Vor allem die vorgesehene Deregulierung des Zugangs zu Vorleistungsprodukten der Platzhirsche würde dem Brief zufolge "zu einer erneuten Monopolisierung führen und den Wettbewerb sowie Investitionen in Festnetzdienste, insbesondere während der Migration von Kupfer- auf Glasfaserkabel, behindern". Das Modell der Vorabregulierung (ex ante) müsse daher beibehalten werden. Wettbewerber bräuchten weiterhin Zugang zur physischen Infrastruktur, einschließlich Leitungen und Masten.
Drastische Auswirkungen?
Der Erfolg des europäischen Telekommunikationsmarkts beruhe auf "einer ausgewogenen Mischung aus Marktkräften und angemessener, faktenbasierter Regulierung", heben auch Verbände wie Breko, VATM, MVNO, ECTA und AIIP in ihrem offenen Brief hervor. "Die Aufgabe dieses Modells zugunsten vager, unerprobter Alternativen würde Europas digitale Ambitionen und seine globale Wettbewerbsfähigkeit gefährden." Die EU müsse daher "an bewährten Lösungen festhalten und nur dort Reformen durchführen, wo sie nachweislich notwendig sind".
Zentraler Kritikpunkt am geplanten DNA ist die erhebliche Lockerung der Ex-ante-Regulierung für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht wie die Deutsche Telekom hierzulande oder Orange in Frankreich. Dies würde den Alt-Monopolisten "Tür und Tor öffnen, um ihre dominante Marktstellung in Deutschland weiter auszubauen und zu Lasten des Wettbewerbs zu missbrauchen", schlägt VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer Alarm.
Als "hochbrisant" wertet der Brancheninsider auch die vorgesehenen Änderungen der Definitionen für Vorleistungen für den Massenmarkt und für Geschäftskunden. In der großen Mehrzahl der Mitgliedstaaten bestünden dafür derzeit strenge Auflagen. Deren Streichung käme "zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt" und könnte "eine wettbewerbliche Versorgung der Wirtschaft mit digitaler Konnektivität gefährden". Insgesamt drohten drastische Auswirkungen beider Initiativen, die "an zentralen Stellen industrie- und wettbewerbsfeindlich, investitionsgefährdend und systemwidrig" seien. Parallel gibt es Kritik, dass die Kommission mit dem DNA die umstrittene Datenmaut alias Big-Tech-Kostenbeteiligung am Netzausbau durch die Hintertür einführen wolle.
(mho)