Die Heldinnen-Geschichte um Jennifer Falk war am Donnerstagabend schon geschrieben. Dann wollte die schwedische Torhüterin vielleicht etwas zu viel.

Jennifer Falk erlebte den kompletten Mix an Emotionen in wenigen Minuten. imago images
Eigentlich hätte sie gar nicht schießen sollen. Weil aber Standardspezialistin Jonna Andersson und Top-Stürmerin Stina Blackstenius in der Verlängerung ausgewechselt worden waren, rutschte Jennifer Falk in der schwedischen Hierarchie an die fünfte Position.
Also schritt die Torhüterin zum womöglich entscheidenden letzten Versuch ihres Teams - und schoss drüber. "Ich dachte einfach nur, dass ich tief einatme und ihn nach links schieße - was ich nicht getan habe", sagte sie hinter mit glasigem Blick und brüchiger Stimme: "Das ist mir nicht gelungen, was im Moment sehr schwer ist." Immer wieder seufzte sie tief.
Was dann passierte, ist schließlich bekannt: England gewann im EM-Viertelfinale noch irgendwie mit 3:2 im Elfmeterschießen. Und das, obwohl die Schwedinnen in der regulären Spielzeit lange 2:0 geführt hatten und eben auch vom Punkt Matchball hatten. "Leere" sei in ihr und "tausend Gefühle gleichzeitig, das ist kaum zu beschreiben", sagte Falk.
Die 32-Jährige hatte schon drei Elfmeter gehalten, als sie zu ihrem Schuss antrat. Trainer Peter Gerhardsson habe sie gefragt, "ob ich einen Elfmeter schießen kann, und ich habe Ja gesagt", erklärte Falk: "Ich habe das vorher schon in der Vereinsmannschaft gemacht." Doch diesmal ging es schief. Der Eindruck kam auf, dass sie nach ihren Paraden in diesem Moment etwas zu viel wollte.
Zwar hielt sie danach gar noch einen vierten Schuss der Lionesses, doch auch Sofia Jakobsson vergab einen weiteren Matchball zum Sieg. So gingen die Schwedinnen nach dem Treffer von Lucy Bronze und dem verschossenen Elfmeter der 18-jährigen Smilla Holmberg doch noch als Verlierer vom Platz. "Als ich sie dort ankommen sah, dachte ich nur: 'Scheiße, was für ein tapferes Mädchen'", sagte Falk über Holmberg, die gegen Deutschland ein Tor erzielt hatte und vom kicker zur Spielerin des Spiels gekürt wurde.
Gerhardsson wollte sich das Spiel direkt nochmal anschauen
"Natürlich ist es schwer, aber sie hat eine unglaubliche EM gespielt. Und wir waren viele, die Elfmeter verschossen haben", betonte die Schlussfrau: "Natürlich wird es für denjenigen, der den letzten verfehlt, besonders schwer sein, aber es war unglaublich mutig von ihr." Insgesamt unterliefen den Schwedinnen fünf Fehlschüsse, den Engländerinnen vier. Einigen Versuchen war der hohe Druck anzumerken.
Der bisherige Rekord bei einem Frauen-Turnier hatte zuvor bei sieben verschossenen Elfmetern gelegen. Bei der EM 1989 im Halbfinale vergab Italien vier und Deutschland drei. Ähnlich verhielt es sich im WM-Viertelfinale 2023, als Australien mit drei Fehlschüssen die Oberhand vor Frankreich (vier) behielt.
Für Coach Gerhardsson war es nach acht Jahren das letzte Spiel als Nationalcoach: "Das ist Fußball, man kann nichts vorhersehen", sagte der 65-Jährige, der gern auf Pressekonferenzen philosophiert, diesmal aber auch nicht die richtigen Worte fand. Wie er sich nun verabschiede, wurde er noch gefragt. "Ich werde zurück ins Hotel fahren, das Spiel noch mal anschauen und dann schauen, wie wir die Heimreise organisieren." Wenn nur seine Spielerinnen so abgeklärt gewesen wären.
pab, DPA, SID