„Die dramatische Entwicklung setzt sich weiter fort“: Pflege im Heim wird immer teurer – Sozialverbände und Kassen fordern Entlastung

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Bewohner von Pflegeheimen müssen immer höhere Eigenanteile zahlen. Die Zahlungen aus eigener Tasche während des ersten Jahres in der Einrichtung beliefen sich am 1. Juli im bundesweiten Schnitt auf 3108 Euro pro Monat, wie eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen ergab. Das sind 124 Euro mehr als zum 1. Januar und 237 Euro mehr als im Vorjahr.

Grund für immer höhere Belastungen der Pflegebedürftigen seien steigende Personal- und Lebenshaltungskosten, erläuterte der Ersatzkassenverband. So ging der Eigenanteil nur für die reine Pflege im bundesweiten Schnitt auf jetzt 1.862 Euro im Monat hoch – 184 Euro mehr als Mitte vergangenen Jahres. Stark zu Buche schlägt da eine bessere Bezahlung dringend benötigter Pflegekräfte. 

Aber auch Unterhalt und Verpflegung kosten mehr, nämlich durchschnittlich jetzt 1018 Euro im Monat und damit plus 63 Euro im Vergleich zu Juli 2024. Ausgewertet wurden Vergütungsvereinbarungen der Pflegekassen mit Heimen in allen Ländern, wie der Verband der Ersatzkassen erläuterte. Zu ihm gehören etwa die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit.

Sozialverband fordert Vollversicherung

In den Beratungen für eine große Pflegereform wächst damit der Druck für Entlastungen. „Die dramatische Entwicklung setzt sich weiter fort“, sagte die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier dem Tagesspiegel. „Wir fordern daher schon seit Jahren, dass die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung weiterentwickelt werden muss.“

Wir fordern daher schon seit Jahren, dass die Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung weiterentwickelt werden muss.

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland

Bisher trägt die Pflegeversicherung – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Pflegekosten. Für Bewohnerinnen und Bewohner im Heim kommen dann noch Zahlungen für Unterkunft und Verpflegung, Investitionen in den Einrichtungen und Ausbildungskosten hinzu.

Engelmeier forderte, dass die Pflegeversicherung künftig die zur Pflege, Betreuung und Teilhabe erforderlichen Kosten vollständig trage und damit das Pflegerisiko komplett absichere. „Bis dahin ist aber eine Begrenzung der Eigenanteile notwendig, um die Menschen vor noch weiter steigenden Kosten zu schützen.“

Politik erwägt verpflichtende Zusatzversicherung

Eine Kommission von Bund und Ländern soll bis Ende des Jahres eine Reform der Pflegeversicherung ausarbeiten. Bei ihrer Einsetzung Anfang Juli stellte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) aber klar, dass die Pflegeversicherung auch künftig „eine Teilkaskoversicherung“ bleibe. Die Übernahme neuer Leistungen schloss sie aus. Denn in den Kassen der sozialen Pflegeversicherung tut sich laut Bundesrechnungshof bis 2029 ein Defizit von mehr als zwölf Milliarden Euro auf.

Bund und Länder denken deshalb über eine verpflichtende Pflegezusatzversicherung nach, die die hohen Heimkosten abdeckt. Damit werde die Absicherung im Alter sicher nicht spektakulär vorangebracht, sagte die Chefin des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann dem Tagesspiegel. „Ich habe mit dieser Kombination aus Empfehlung einer Zusatzversicherung und Androhung von Leistungskürzungen im bestehenden System Probleme.“

Um die Eigenanteile zu drücken, bekommen Pflegebedürftige seit 2022 neben den Leistungen der Pflegekassen auch Entlastungszuschläge, die sich nach der Aufenthaltsdauer richten. Der Eigenanteil nur für die reine Pflege wird damit im ersten Jahr im Heim um 15 Prozent gedrückt, im zweiten um 30 Prozent, im dritten um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent.

Doch auch mit dem höchsten Zuschlag legten die Belastungen auf niedrigerem Niveau zu – im Schnitt auf nun 1991 Euro im Monat. Das waren 126 Euro mehr als Mitte 2024.

Heimbewohnern sei dies nicht mehr zuzumuten, sagte die Vorstandschefin des Ersatzkassenverbands, Ulrike Elsner. Sie forderte die Länder auf, die Kosten für Investitionen und Ausbildung zu übernehmen. Allein ein Wegfall der Investitions-Umlagen brächte eine monatliche Entlastung von durchschnittlich 507 Euro. (mit dpa)

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