Der HSV hat plötzlich mehr Probleme als Vorsprung

vor 8 Stunden 1

Das 2:4 gegen Braunschweig sollte umgehend ausradiert und als Ausrutscher gekennzeichnet werden, stattdessen hat der Hamburger SV ein ganz dickes Fragezeichen hinter die Aufstiegstauglichkeit gesetzt. Das 2:2 auf Schalke, in einem nahezu kompletten Spiel in Überzahl, war ein böser Rückschlag und ein klares Zeichen von Nervenflattern.

 HSV-Routinier Jonas Meffert.

"Wir haben uns selbst ein Bein gestellt": HSV-Routinier Jonas Meffert. picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS

In sechs Jahren haben es die Hamburger trotz großer finanzieller Kraftanstrenungungen geschafft, den Aufstieg auf verschiedenste Art und Weise zu verspielen, in diesem Jahr aber schien alles anders - bis zum 2:2 am Samstagabend auf Schalke, der in seinem Zustandekommen noch alarmierender war als die Pleite in der Vorwoche.

Weil offensichtliche Probleme zu Tage traten. Und einige hausgemacht waren. Dass Jean-Luc Dompé nach der Partie im Mannschaftskreis, der eigentlich Geschlossenheit ausdrücken soll, auf seinen Landsmann und besten Kumpel William Mikelbrencis losgehen wollte und nur mit Mühe von den Kollegen zurückgehalten werden konnte, wirkt wie ein Sinnbild, dass die Nerven eben doch wieder blank liegen. Tatsächlich ist der Zwist womöglich noch das kleinere Übel im Vergleich zu den Problemen, die Merlin Polzin schnell beheben muss, damit das große Ziel nicht wieder in Gefahr gerät.

"Von außen betrachtet", sagt der Trainer über Dompé und Mikelbrencis, "mag es so aussehen, dass etwas zwischen uns steht, aber für mich ist es eher ein positives Zeichen, wenn sich zwei, die sich so gut verstehen, so reiben. Die Sache wurde in der Kabine geklärt, wir hängen es nicht so hoch. Das ist eher ein Bild für außen."

Auch Jonas Meffert bekräftigt: "Jean-Luc ist der große Bruder von Willi, und jeder weiß, wie der Streit mit dem Bruder mal sein kann, da ist man emotionaler." Tatsächlich gab der HSV in Gelsenkirchen ein Bild ab, dass gravierende Probleme offenbart als einen "Bruderstreit".

Man hat gespürt, dass die Hamburger wieder das Zittern anfangen.

Polzin hatte auf Schalke überraschend auf seinen Top-Torjäger Davie Selke verzichtet und damit erstmals in seiner Amtszeit mit einer Personalie daneben gelegen. Zum einen unverschuldet, weil das Spiel durch die Blitz-Überzahl ein anderes als erwartet war und die Präsenz des Mittelstürmers hilfreicher als Ransford Königsdörffer gewesen wäre, obwohl dieser einen Treffer vorbereitete. Und zum anderen, und das war vorhersehbar, dass die Emotionalität des Anführers gerade im Schalker Hexenkessel elementar gewesen wäre. Klarheit war bislang ein Kernmerkmal des 34-Jährigen. Und muss es auf der Zielgeraden bleiben.

Großbaustelle links hinten

Die nächste Großbaustelle herrscht auf der linken defensiven Außenbahn. Polzin hatte sich, wie in der Vorwoche, für Silvan Hefti als Ersatz von Miro Muheim entschieden und muss erkennen: Der Schweizer Landsmann ist ein Schwachpunkt, er verteidigt fahrig, ist hölzern im Aufbau.

Der Versuch, nach der Pause Triebfeder Ludovit Reis auf dieser Position einzusetzen, erinnerte an die gefloppte Idee von Vorgänger Steffen Baumgart mit dem Niederländer als verkapptem Rechtsverteidiger. Reis setzte zwar Dompé besser in Szene, war aber durch ein verlorenes Kopfballduell am 2:2 mitbeteiligt, fehlt zudem im Mittelfeldzentrum, wo ausgerechnet im Endspurt Probleme entstanden: Adam Karabec fand sich nach einer Reihe von zu laxen Vorstellungen auf der Bank wieder, der für ihn ins Team gekommene Immanuel Pherai ließ seine nächste Chance, wie in der Vorwoche Marco Richter, verstreichen.

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Werden die Nerven zum größten Problem?

Zum wohl größten Problem drohen doch wieder die Nerven zu werden. Schalkes Torschütze Ron Schallenberg gab am Sky-Mikrofon Einblicke, wie die HSV-Profis auf ihre Kontrahenten in dieser finalen Phase wirken. "Man hat gespürt, dass die Hamburger jetzt wieder das Zittern anfangen."

Und es war jetzt auch für jeden Konkurrenten im Aufstiegskampf zu sehen. Immerhin, die Protagonisten beschönigen nichts: "Wir haben uns selbst ein Bein gestellt", beklagt Meffert, "wir müssen in Überzahl dieses Spiel gewinnen." Daniel Elfadli gesteht: "Mir fehlen etwas die Worte, gefühlt haben wir verloren."

Und er gibt auch zu, dass die Situation vor dem Heimspiel gegen Karlsruhe nun eine besondere ist: "Klar ist es jetzt eine Herausforderung." Noch beträgt der Vorsprung auf Rang 3 fünf Zähler, Magdeburg aber könnte am Sonntag auf vier Punkte herankommen. Das ist für den HSV in der Verfassung der jüngsten beiden Spiele kein Ruhekissen.

Sebastian Wolff

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