Borussia Dortmund muss gegen die Mamelodi Sundowns aus Südafrika länger um den Sieg zittern als erwartet - vor allem, weil die eigene Abwehr beim glücklichen 4:3-Erfolg im brütend heißen Cincinnati teilweise völlig indisponiert agierte.

Holten sich nach der Partie den Applaus bei den Fans ab: Die Spieler von Borussia Dortmund. Kai Pfaffenbach-Reuters via Imagn Images
Aus Cincinnati berichtet Matthias Dersch
Um die Leistung einer Mannschaft einzuordnen, hilft es manchmal, dem Trainer des Gegners zuzuhören. So auch am Samstagnachmittag nach dem glücklichen 4:3-Sieg von Borussia Dortmund über die Mamelodi Sundowns im zweiten Gruppenspiel der Klub-WM. Jose Miguel Azevedo Cardoso, der Coach der Südafrikaner, erzählte in der Pressekonferenz lang und ausführlich - und mit einem ausgeprägten Hang zum Pathos - über das Spiel und vergaß dabei nicht, seine Mannschaft zu loben. Zwei Gefühlswelten trafen bei dem Portugiesen zusammen: Der Stolz über das, was sein Team in der Hitze von Cincinnati gegen den hohen Favoriten aus Deutschland geleistet hatte - und der Ärger darüber, die vielleicht einmalige Chance verpasst zu haben, dem finanziell übermächtigen Gegner richtig wehzutun.
BVB-Defensive wirkte komplett indisponiert
Bereits nach elf Minuten war Cardosos Team durch Lucas Ribeiro mit 1:0 in Führung gegangen und hatte dabei von einer haarsträubenden Fehlerkette in der Dortmunder Hintermannschaft profitiert. Immer wieder rannten die Südafrika in der Anfangsphase der ersten Hälfte auf das viel zu ungeschützte Tor von Gregor Kobel zu. Die BVB-Defensive wirkte komplett indisponiert, ließ sich reihenweise übertölpeln und musste hinterherlaufen - anstatt den Gegner bei Temperaturen von mehr als 32 Grad und ohne Schatten sprinten zu lassen.
Zwar bekam der BVB phasenweise die Kurve und zeigte jene Stärken, die in der Bundesliga zum erfolgreichen Schlussspurt geführt hatten - aggressive Zweikampfführung in der gegnerischen Hälfte, hohe Ballgewinne, schnelle Angriffe und effektive Chancenverwertung. Doch selbst die zwischenzeitliche 4:1-Führung durch Tore von Felix Nmecha, Serhou Guirassy, Jobe Bellingham, der bei seinem Startelf-Debüt prompt das erste Mal traf, und ein Eigentor von Khuliso Mudau führten nicht dazu, dass die Kontrolle bei den Dortmunder blieb. Stattdessen kam der südafrikanische Rekordmeister noch einmal auf ein Tor heran.
Mamelodi mit mehr Pässen, mehr Schüssen, mehr xGoals
Die Zahlen belegten nach der Partie eindrucksvoll, wie schwach der BVB gespielt hatte: Mamelodi spielte fast 200 Pässe mehr als die Dortmunder (583 zu 388), schoss häufiger aufs Tor (16:8) und lag auch bei den xGoals vorne (2,60 zu 2,19). Am eklatantesten war allerdings der niedrige Laufwert des BVB von nur 104 abgespulten Kilometern. "Es darf uns nicht passieren, dass wir ein 4:1 nicht sicher über die Zeit bringen. Das ärgert mich natürlich, aber ich kann es auch gut einschätzen", sagte BVB-Trainer Niko Kovac und verwies auf die besonderen äußeren Umstände.
In der Dortmunder Coachingzone hatte der Klub Ventilatoren aufstellen lassen, um für etwas Luftzirkulation zu sorgen. Die Ersatzspieler hatten erst gar nicht auf der Bank Platz genommen, die komplett in der Sonne lag und keinen Schutz bot, sondern waren in der Kabine geblieben. Dass der BVB trotzdem die 100-Kilometer-Marke geknackt habe, wertete der milde gestimmte Kovac als Beleg, dass seine Mannschaft, die nun beste Chancen auf den Einzug ins Achtelfinale hat, ans Limit gegangen sei.
Kobels Ärger: "Sonst war nicht viel"
Gregor Kobel dagegen konnte seinen Ärger nicht verbergen. Der Keeper, der teilweise komplett von seinen Vorderleuten allein gelassen wurde, sagte sichtbar angefressen: "Viel Positives abseits des Resultats kann ich nicht sagen. Wir dürfen keine drei Gegentore kriegen. Nicht auf diese Art." Es sei zwar gut gewesen, dass sein Team vier Tore geschossen habe, "aber sonst war nicht viel".
Besonders die Unsicherheiten in der Hintermannschaften überraschten angesichts der verbesserten Stabilität, die der BVB unter Kovac zuletzt gezeigt hatte. Zu sehen war davon in Cincinnati nichts, der Sieg war daher das Bestmögliche, das die Dortmunder aus dem Mittleren Westen mit zurück ins Teamquartier nach Fort Lauderdale nehmen konnten.
Erneut über 30 Grad gegen Ulsan HD
Zumal die äußeren Bedingungen nicht einfacher werden dürften: Für den kommenden Mittwoch, wenn der BVB in Cincinnati gegen Ulsan HD aus Südkorea antreten muss, sind trotz der um drei Stunden späteren Anstoßzeit wieder deutlich mehr als 30 Grad angesagt.