Bürgerkrieg im Sudan: Was die Gewalt im Sudan ausgelöst hat

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Der Bürgerkrieg im Sudan eskaliert weiter, es gibt Berichte über mögliche Kriegsverbrechen. Wer kämpft dort gegen wen und seit wann? Und wie geht es weiter? Ein Überblick

3. November 2025, 18:44 Uhr

 Eine sudanesische Frau in einem Flüchtlingslager in Nord-Darfur, aufgenommen im Juli
Eine sudanesische Frau in einem Flüchtlingslager in Nord-Darfur, aufgenommen im Juli © Mohamed Jamal/​Reuters

Mit der Eroberung der Großstadt Al-Faschir durch die Miliz Rapid Support Forces (RSF) in der Region Darfur ist die internationale Aufmerksamkeit auf den Krieg im Sudan zurückgekehrt. Der Krieg in dem Land, in dem laut UN die schlimmste humanitäre Krise der Welt herrscht, dauert aber schon mehr als zwei Jahre. Wer kämpft dort gegen wen? Wie hat der Krieg angefangen? Und welche ausländischen Staaten mischen mit? Das Wichtigste im Überblick:

Alle Fragen im Überblick:

Wer sind die Konfliktparteien?

Im sudanesischen Bürgerkrieg stehen sich die sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter General Abdel Fattah al-Burhan und die Miliz Rapid Support Forces (RSF) unter Mohammed Hamdan Daglo gegenüber. Die RSF gingen aus den sogenannten Dschandschawid hervor. Das waren Reitermilizen, die gemeinsam mit der Armee in der westlichen Region Darfur Aufstände niederschlugen und dabei Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begingen. Zwischen 2003 und 2006 sollen etwa 300.000 Menschen von der Reitermiliz getötet worden sein. Im Oktober hat der Internationale Strafgerichtshof erstmals einen ehemaligen Anführer der Dschandschawid wegen Kriegsverbrechen verurteilt

2019 stürzten Al-Burhan und Daglo nach einer breiten Protestbewegung im Land noch gemeinsam den langjährigen Diktator Umar al-Baschir, um selbst an der Macht zu bleiben. Sie zerstritten sich aber über die Frage, ob die militärisch und wirtschaftlich mächtige RSF in die Armee integriert oder als eigenständige Macht bestehen sollte. Seit einigen Jahren gilt Militärchef Al-Burhan als De-facto-Machthaber im Sudan, auch wenn es mit Kamil Idris formal einen Premierminister gibt.

Wie hat der Bürgerkrieg angefangen?

2023 sollte die Macht im Sudan vom Militär auf eine zivile Regierung übergehen. Im Zuge dessen sollten die RSF in die Armee integriert werden, was die Miliz jedoch nicht akzeptierte. Am 15. April 2023 brachen in der Hauptstadt Khartum schließlich Kämpfe zwischen der Armee unter Al-Burhan und der RSF-Miliz unter Daglo aus.

Seitdem bekriegen sich die beiden Gruppen. Die Armee kontrolliert die meisten Gebiete im Osten, im Norden und im Zentrum des Sudan. Die RSF dominieren im Westen und haben die Region Darfur im Südwesten des Landes erobert. Anfang des Jahres gründeten die RSF formell eine Parallelregierung für die von ihnen kontrollierten Gebiete, welche schätzungsweise etwa ein Drittel des Staatsgebiets umfassen. Beiden Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kriegsverbrechen zu begehen.

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Was ist in Al-Faschir passiert?

Al-Faschir war bis vor Kurzem die letzte Großstadt in Darfur, die die RSF noch nicht eingenommen hatten. Seit mehr als einem Jahr hatte die Miliz die Stadt in Nord-Darfur belagert, die Bevölkerung litt unter großem Hunger, Krankheiten und Angriffen.

Am 26. Oktober fiel die Stadt dann an die RSF. Militärchef Al-Burhan teilte mit, die Streitkräfte hätten sich vollständig aus Al-Faschir zurückgezogen. Die RSF habe Menschen "systematisch getötet", sagte er in einer Fernsehansprache.

Sudan

Khartum

©ZEIT-Grafik

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Das UN-Menschenrechtsbüro schätzt, dass Hunderte Zivilisten beim Angriff der RSF-Milizen getötet wurden. Das sudanesische Ärztenetzwerk sprach bereits kurz nach der Eroberung der Stadt von einem Genozid und mindestens 1.500 getöteten Zivilisten innerhalb von drei Tagen. Überlebende berichteten von Massenerschießungen, Massenvergewaltigungen unter Waffeneinsatz, Angriffen auf humanitäre Helfer und Entführungen.

Wie ist die Situation momentan?

Nach Angaben der Vereinten Nationen konnten 65.000 Menschen aus Al-Faschir fliehen. Zehntausende weitere sind demnach noch in der Stadt gefangen. Satellitenaufnahmen deuten nach Angaben einer Forschergruppe der US-Universität Yale darauf hin, dass die Massentötungen weiter andauern und ein großer Teil der Bewohner "tot ist oder gefangen genommen wurde oder sich versteckt".

In der im Zentrum des Sudan gelegenen Region Kordofan wird ebenfalls eine weitere Eskalation der Gewalt befürchtet. Nach jüngsten Angaben der UN flohen zwischen dem 26. und dem 31. Oktober aus fünf Ortschaften der Region mehr als 36.800 Zivilisten. Anwohner berichteten davon, dass sowohl die RSF-Miliz als auch die Regierungsarmee ihre Einheiten in der Region verstärkten. 

Laut einer Analyse der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group ist der Sudan nach dem Fall Al-Faschirs de facto geteilt. Das Land habe nun zwei konkurrierende Machtzentren. Die RSF hätten ihre Macht im Westen gefestigt und sich transnationale Versorgungswege gesichert.

Wie fallen die internationalen Reaktionen aus?

Deutschlands Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat die Lage im Sudan als "apokalyptisch" bezeichnet. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien und Jordanien rief er auf einem Sicherheitsgipfel zu einer sofortigen Waffenruhe auf. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den Angriff auf Al-Faschir und verurteilte "Gräueltaten" gegen Zivilisten. Auch die Afrikanische Union (AU) sprach von "Gräueltaten" und "Kriegsverbrechen" und forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe.

Die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag teilten mit, dass sie Beweise für mutmaßliche Massenmorde und Massenvergewaltigungen sammeln würden. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, könnte es sich um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln, heißt es in der Mitteilung.

Welche Rolle spielen andere Länder in dem Konflikt?

Die sudanesische Regierung, UN-Experten und US-Vertreter werfen den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die RSF seit Beginn der Kämpfe mit Geld und Waffenlieferungen zu unterstützen. Der Golfstaat weist das zurück. Die sudanesische Armee wiederum wird von Ägypten unterstützt. Auch Saudi-Arabien und der Iran stehen Beobachtern zufolge auf deren Seite.

Darüber hinaus sollen russische Akteure auf der einen Seite mit der RSF beim Goldabbau zusammengearbeitet haben; auf der anderen Seite verhandelt die russische Regierung mit Machthaber Al-Burhan über eine russische Flottenbasis am Roten Meer. In der Vergangenheit hat Russland eine UN-Resolution zu einer Feuerpause im Sudan blockiert.

Welche Rolle spielen ethnische Konflikte in dem Krieg?

Der Konflikt in Darfur ist maßgeblich von ethnischen Faktoren geprägt. Diese hängen eng mit Fragen von Landrechten, Ressourcenverteilung und politischer Marginalisierung zusammen. Dabei geht es vor allem um Konkurrenz um Land und Wasser zwischen traditionell nomadischen, arabischen Volksgruppen und sesshaften, nicht arabischen Gruppen. 

In vergangenen Jahrzehnten förderte die Regierung systematisch ethnische Spannungen in Darfur, indem sie die arabischen Dschandschawid-Milizen gezielt unterstützte, um Aufstände in der sich benachteiligt fühlenden nicht arabischen Bevölkerung zu unterdrücken.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters und AP

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