Bundespolitik: Unionsfraktionsvize: Entschuldigung bei SPD und Brosius-Gersdorf ist angebracht

vor 2 Tage 4

CDU und CSU hätten sich „nicht sauber und korrekt verhalten“, sagt Mathias Middelberg. Er betont aber auch: Die Union habe sich nicht von Kampagnen gegen die Juraprofessorin treiben lassen, die die SPD für das Bundesverfassungsgericht nominiert hatte.

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.

Wichtige Updates

CSU von Beschränkung für Rüstungslieferungen an Israel überrascht, Kritik von der JU

Grüne und linke Reaktionen auf Merz' Entscheidung zu Israel: "Endlich kommt die Bundesregierung ins Tun" 

Miersch: Frage nach Belastbarkeit der Koalition ist berechtigt

Spahn: Mit SPD gemeinsame Lösung für Richterwahl finden

SPD und Grüne reagieren enttäuscht auf Rückzug von Brosius-Gersdorf – und kritisieren die Union

Leopold Zaak

Unionsfraktionsvize: Entschuldigung bei SPD und Brosius-Gersdorf ist angebracht

Nach dem Rückzug der Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf hält Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg eine Entschuldigung gegenüber der SPD und auch gegenüber der Jura-Professorin für angebracht. Die Fraktionsführung der Union hätte die gewichtigen Bedenken gegen Brosius-Gersdorf früher erkennen müssen, CDU und CSU hätten sich gegenüber der SPD "nicht sauber und korrekt verhalten", gestand der CDU-Politiker im NDR ein.

"Das haben wir versäumt, und das ist sicherlich ein Fehler gewesen", sagte Middelberg. "Und dafür kann man sich bei den Sozialdemokraten entschuldigen. Und das kann man auch gegenüber Frau Brosius-Gersdorf so tun." Denn sie sei dadurch unnötig lange in der Diskussion gehalten worden und Angriffen von außen ausgesetzt gewesen.

Middelberg sagte weiter, es habe zweifellos Kampagnen gegen Brosius-Gersdorf gegeben. Aber das sei nicht maßgeblich für die Entscheidung in der Unionsfraktion gewesen. Dort habe es in erheblichen Teilen große Bedenken wegen ihrer Positionen zum Schutz ungeborenen Lebens gegeben. "Das war für uns das maßgebliche Kriterium, diesen Vorschlag, diesen Personalvorschlag am Ende dann abzulehnen."

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hatte die Union zuletzt zu mehr Verlässlichkeit aufgerufen und die Vertrauensbasis der gemeinsamen Koalition infrage gestellt. Middelberg sprach von einem Einzelfall, wo ursprüngliche Absprachen nicht eingehalten werden konnten. Ansonsten sehe er eine überwiegend sehr gute, konstruktive und funktionierende Zusammenarbeiten zwischen Union und SPD. 

Philipp Saul

Uneinigkeit in Deutsch-Israelischer Gesellschaft bei Rüstungsexporten

Der Präsident sagt das eine, der Vizepräsident das andere: Nach der Entscheidung der Bundesregierung, keine Waffen mehr nach Israel zu exportieren, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten, zeigt die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) eine gespaltene Reaktion.

Einerseits erklärte Präsident Volker Beck, die DIG kritisiere die Beschränkung. "Wenn diese Entscheidung der Bundesregierung bestehen bleiben sollte, ist das ein Punktsieg der Hamas im globalen Propagandakrieg." Er warnte zudem vor möglichen Folgen: "Wenn Israel sich bei Rüstungslieferungen nach Deutschland revanchieren sollte, sieht es um die Zukunft deutscher Luftsicherheit schlecht bestellt aus." Deutschland hat mit Israel den Kauf des weitreichenden israelischen Raketenabwehrsystems Arrow 3 vereinbart, um sich gegen mögliche Angriffe von Mittelstreckenraketen schützen.

DIG-Vizepräsident und CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt hingegen unterstützte die Entscheidung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Die Reaktion der Bundesregierung auf die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, den Krieg auszuweiten, sei "unausweichlich" gewesen. "Wir wollen Israel damit eindeutig signalisieren, dass wir das Vorgehen in Gaza für bedrohlich für Israels Stellung in der Welt und seine Sicherheit halten", sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Nadja Lissok

CSU von Beschränkung für Rüstungslieferungen an Israel überrascht, Kritik von der JU

Die Junge Union kritisiert die Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Israel mehr zu genehmigen, die im Krieg im Gazastreifen verwendet werden könnten. Auf Instagram schrieb der Nachwuchsverband: "Staatsräson abgehakt? Ein Bruch mit den Grundsätzen der Unionspolitik." Der JU-Vorsitzende und CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Winkel schrieb auf der Plattform X: "Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen."

Mit der CDU-Schwesterpartei CSU war die Wende der Israel-Politik der Bundesregierung offenbar nicht abgesprochen. Ein entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Parteikreisen in München bestätigt. Bild hatte berichtet, die CSU sei an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen und sei davon überrascht worden. 

Nadja Lissok

Grüne und linke Reaktionen auf Merz' Entscheidung zu Israel: "Endlich kommt die Bundesregierung ins Tun" 

Die grüne und linke Opposition begrüßt die Entscheidung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern mehr nach Israel zu genehmigen. Grünen-Chefin Franziska Brantner fordert die Bundesregierung zudem zu weitergehenden Schritten auf. Sie sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Endlich kommt die Bundesregierung ins Tun und stoppt die Lieferungen von Waffen, die in Gaza eingesetzt werden können. Ich begrüße das sehr, es kann aber nur ein erster Schritt sein." Die vom israelischen Kabinett beschlossene Ausweitung des Gaza-Kriegs, mit der Merz seine Entscheidung begründet, sei eine Katastrophe - für die Zivilbevölkerung in Gaza und auch für die immer noch von der Terrororganisation Hamas festgehaltenen Geiseln. Deutschland müsse sich jetzt an die Spitze eines konsequenten Handels der EU stellen, dass auf ein Ende des Krieges hinwirkt.

Ende Juli hatte Brantner einen Waffenexportstopp für den Einsatz in Gaza, die Aussetzung von Handelserleichterungen und Sanktionen gegen die israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir gefordert. Die beiden ultrarechten Politiker unterstützen unter anderem die Annexion des besetzten Westjordanlands.

Ähnlich wie Brantner äußert sich auch die Linken-Außenpolitikerin Lea Reisner. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spreche von Vertreibung und die Angriffe auf den Gazastreifen hielten an. "Angesichts dieser Vertreibungspläne und der humanitären Katastrophe muss die Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommen und entschieden handeln: das EU-Assoziierungsabkommen aussetzen, Palästina anerkennen und die Maßnahmen des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs umsetzen", sagt Reisner. 

Weimer: Wer öffentliches Geld erhält, soll nicht gendern

Nachdem Kulturstaatsminister Wolfram Weimer geschlechtergerechte Sprache in seiner Behörde verboten hat, drängt er öffentlich geförderte Institutionen wie Museen, Stiftungen oder Rundfunk, dieser Linie zu folgen. Es gehe um eine "gemeinsame Verantwortung für die Verständlichkeit staatlich geförderter Kommunikation", sagte der parteilose Politiker der Deutschen Presse-Agentur. 

"In der offiziellen Kommunikation verzichten wir daher auf Sonderzeichen wie Sternchen, Doppelpunkte oder Unterstriche - zugunsten von sprachlicher Klarheit, rechtlicher Eindeutigkeit und allgemeiner Verständlichkeit", sagte der 60-Jährige der dpa. "Diese Linie empfehle ich auch jenen Institutionen, die mit öffentlichen Mitteln arbeiten - von Museen über Stiftungen bis hin zu Rundfunkanstalten. Wer im öffentlichen Auftrag spricht, sollte eine Sprache wählen, die für alle nachvollziehbar ist und breite Akzeptanz findet."

Beim Vorsitzenden des Kulturausschusses, Sven Lehmann (Grüne), trifft Weimers Vorstoß auf Kritik. "Ist Herr Weimer eigentlich Kulturstaatsminister oder missionarischer Kulturkämpfer?", sagte der Grünen-Politiker der dpa. "Es ist schlimm genug, dass er in seiner Behörde Sprachverbote verhängt. Dass er nun aber sogar freie Kulturinstitutionen einschränken will, geht eindeutig zu weit." Das deutsche Recht kenne mehr als ein Geschlecht und die Gesellschaft mehr als eine Art zu sprechen, fügte Lehmann hinzu. Sprache, die niemanden ausschließe, sei kein Muss, aber ein Kann. 

Nadja Lissok

CDU-Agrarpolitikerin Silvia Breher wird neue Tierschutzbeauftragte

Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) besetzt den frei gewordenen Posten der Tierschutzbeauftragten der Bundesregierung mit einer Mitarbeiterin seines Ministeriums. Die CDU-Politikerin Silvia Breher, Parlamentarische Staatssekretärin, soll das Amt künftig übernehmen. Zuvor hatte er sich von der bisherigen Tierschutzbeauftragten Ariane Kari getrennt, die noch sein Vorgänger Cem Özdemir von den Grünen beauftragt hatte.

"Mir ist bei der Neubesetzung dieser Funktion besonders wichtig, dass sie sinnvoll in bestehende Strukturen eingebettet ist, ohne neue Bürokratie aufzubauen", sagte Rainer. Zugleich werde auf eine Lösung geachtet, die mit der aktuellen Haushaltslage vereinbar ist, ohne zusätzliche Belastung des Bundeshaushaltes. Das Bundeskabinett soll die Nachfolge zeitnah beschließen. 

Breher sagte laut Mitteilung: "Ich sehe es als große Verantwortung und zugleich als Herzensanliegen, mich künftig auch in dieser Funktion für das Wohl der Tiere einzusetzen. Dabei ist mir der Dialog mit den Tierschutzverbänden, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und der Gesellschaft besonders wichtig." Die Bundestierschutzbeauftragte soll bei der Gesetzgebung in Tierschutzbelangen mitwirken, Missstände beim Umgang mit Tieren bekämpfen und Ansprechpartnerin für Organisationen und Bürger sein. 

Kritik an der Personalie kam vom Deutschen Tierschutzbund. Breher sei als Parlamentarische Staatssekretärin qua Amt zuständig für Tierschutz. "Die Unabhängigkeit als bisher zentrale Stellenanforderung wird so ad absurdum geführt", teilte der Verein mit. 

Leopold Zaak

Miersch: Frage nach Belastbarkeit der Koalition ist berechtigt

Die Personalie Frauke Brosius-Gersdorf wühlt die Koalition weiter auf. Vor allem in der SPD scheint Vertrauen verloren gegangen zu sein. Matthias Miersch, der Fraktionschef der SPD, hat sich in einem Schreiben an seine Abgeordneten gewandt. CDU und CSU müssten sich nun zu den Spielregeln des Regierens bekennen, schrieb er. "Nur wenn Zusagen Bestand haben, sind tragfähige Kompromisse möglich. Nur dann können wir Vertrauen zurückgewinnen und politische Handlungsfähigkeit sichern." Die Unionsspitze habe zunächst wiederholt ihre Zustimmung zu Brosius-Gersdorf signalisiert. "Dass sich zentrale Teile der CDU/CSU-Fraktion am Ende davon distanziert haben, erschüttert nicht nur Vertrauen, sondern stellt das Fundament infrage, auf dem demokratische Zusammenarbeit überhaupt möglich ist." Weiter schrieb Miersch: 

Vielleicht fragen sich einige von Euch, wie belastbar diese Koalition überhaupt noch ist, wenn sich der andere Partner nicht an Absprachen hält. In dem Zustand, in dem sich die Unionsfraktion bei der Richterwahl präsentiert hat, ist diese Frage berechtigt.

Matthias Miersch, SPD-Fraktionsvorsitzender

Neben Miersch meldeten sich auch weitere SPD-Politiker zu Wort. Justizministerin Stefanie Hubig sagte der dpa, Kampagnen dürften nicht dazu führen, dass man talentierte und qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen verliere. "Wir müssen daraus lernen – alle gemeinsam. Es geht um eine bessere Diskussionskultur und darum, solchen Angriffen auf die Demokratie künftig besser standzuhalten."

Der rheinlandpfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer rief zu besserer Zusammenarbeit in der Koalition auf. "Diese Bundesregierung ist zum Gelingen verdammt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich kann nur hoffen, dass dies alle vor Augen haben, allen voran Bundeskanzler Friedrich Merz."

Kassian Stroh

Bundesregierung verliert massiv an Zustimmung

Seit drei Monaten ist die neue Bundesregierung im Amt, die Zustimmung in der Bevölkerung zu ihr ist auf einen Tiefstwert gesunken. Nach dem neuen "Deutschlandtrend" der ARD sind aktuell nur noch 29 Prozent der Befragten zufrieden mit der Arbeit der schwarz-roten Koalition (minus 10 Prozentpunkte im Vergleich zum Juli). Das ist der schlechteste Wert seit Amtsantritt. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verliert an Zustimmung - mit seiner Arbeit sind 32 Prozent einverstanden (-10). 

Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap hat für den "Deutschlandtrend" von Montag bis Mittwoch dieser Woche gut 1300 Wahlberechtigte befragt. Die Umfrage gilt als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Die Unzufriedenheit spiegelt sich auch in der Sonntagsfrage wider: Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen CDU/CSU laut Infratest dimap auf 27 Prozent (-3 im Vergleich zum Juli). Die AfD würde mit 24 Prozent (+1) erneut ihren bisherigen Höchstwert im ARD-Deutschlandtrend aus dem April 2025 erreichen. Die SPD bliebe unverändert bei 13 Prozent, die Grünen kämen unverändert auf 12 und die Linke auf 10 Prozent. Die anderen Parteien, darunter das BSW mit 3 Prozent (-1) und die FDP mit 4 Prozent (+1) wären ohne Chance auf einen Parlamentseinzug. Wahlumfragen wie diese sind generell mit Unsicherheiten behaftet und spiegeln nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider.

Philipp Saul

Spahn: Mit SPD gemeinsame Lösung für Richterwahl finden

Unionsfraktionschef Jens Spahn hat angekündigt, nach dem Rückzug der Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf mit der SPD gemeinsame Lösungen finden zu wollen. Der Rückzugsentscheidung Brosius-Gersdorfs gelte "größter Respekt", sagte Spahn der Deutschen Presse-Agentur. "Für ihre juristische Expertise und persönliche Integrität genießt sie zurecht hohe Anerkennung." Jenseits der sachlichen Auseinandersetzung habe es "herabsetzende und beleidigende Kritik" gegeben, die Brosius-Gersdorf habe erleiden müssen. "Diese verurteilen wir ausdrücklich."

Die Wahl von Brosius-Gersdorf und zwei weiteren Nominierten für das Bundesverfassungsgericht war im Juli im Bundestag kurzfristig abgesetzt worden. Teile der Unionsfraktion hatten Vorbehalte gegen die von der SPD nominierte Brosius-Gersdorf. Nach der gescheiterten Wahl hatte es vor allem an Spahn massive Kritik gegeben.

Spahn sagte nun: "Ich bedauere, dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte. Nun werden wir mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden." 

Leopold Zaak

SPD und Grüne reagieren enttäuscht auf Rückzug von Brosius-Gersdorf – und kritisieren die Union

SPD-Chef Lars Klingbeil kritisiert die Abgeordneten von CDU und CSU nach dem Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf. Die SPD habe zu der Kandidatin gestanden, sagte er. "Diejenigen, die am Ende nicht zu ihrem Wort innerhalb der Koalition gestanden haben, müssen dringend aufarbeiten, was da passiert ist", so Klingbeil weiter.

Auch die SPD-Fraktion reagiert enttäuscht auf den Rückzug ihrer Kandidatin. Sie hätte dem Verfassungsgericht gut getan, sagte Matthias Miersch, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag. Sie sei eine herausragende Juristin, die Opfer einer Kampagne geworden sei. Die SPD-Fraktion werde nun einen neuen Vorschlag unterbreiten, kündigte Miersch an – und verbindet das mit einer Warnung an seine Kollegen von CDU und CSU: "Wir erwarten von unserem Koalitionspartner, dass Absprachen künftig Bestand haben. Ein solcher Vorgang darf sich nicht wiederholen", sagte Miersch.

Franziska Brantner, Co-Chefin der Grünen, wirft der CDU vor, sich in der Frage von Rechtsextremen getrieben haben zu lasen. "1 zu 0 für die Gegner demokratischer Prozesse", schreibt sie in einem Beitrag bei X. Auch die Faktionsspitze der Grünen kritisierte die Fraktion der Union. Es sei "ein ungeheuerlicher Vorgang, den es so noch nicht gegeben hat", sagten Katharina Dröge und Britta Haßelmann in einem Statement. Unionsfraktionschef Jens Spahn warfen sie Wortbruch vor. Wenn Spahn sein Wort nicht mehr halten könne, dann sei er "ungeeignet für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe", so Dröge und Haßelmann weiter.

Der SPD-Politiker und ehemalige Gesundheitsminsiter Karl Lauterbach reagiert mit Bitterkeit. Die Kampagne von Rechtspopulisten sei erfolgreich gewesen, schreibt er bei X. "Danke an die Kollegen der Union. Das wird man sich gut merken können".

Unterstützung erhält Brosius-Gersdorf auch von der ehemaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Sie habe Hochachtung vor ihrer Entscheidung, sich von der Kandidatur zurückzuziehen. "Das ist wahre Größe, an der sich politische Verantwortungsträger messen lassen müssen", schreibt sie in ihrem Post bei X.

Die Linke fordert Union und SPD nun zu gemeinsamen Gesprächen über die Besetzung auf. Die Parlamentarische Geschäftsführerin Ina Latendorf sagte, ihre Partei bestehe darauf, dass sich die Regierungskoalition gemeinsam auf Kandidaten einige und "über diese mit den anderen demokratischen Fraktionen das Gespräch sucht".

Der Streit um Frauke Brosius-Gersdorf war ein Vorgeschmack auf den Kulturkampf, der diesem Land noch bevorsteht - ein Kommentar von Katharina Riehl, Ressortleiterin Politik (SZ Plus):

Leopold Zaak

Brosius-Gersdorf zieht Kandidatur als Verfassungsrichterin zurück

Frauke Brosius-Gersdorf will nicht mehr für das Richteramt am Bundesverfassungsgericht kandidieren. Das teilt sie in einer Stellungnahme mit. Ihren Schritt begründet sie mit der Ablehnung innerhalb der Unionsfraktion. Man habe ihr deutlich gemacht, dass ihre Wahl ausgeschlossen sei, heißt es weiter. Durchhalten mache nur Sinn, "wenn es eine reelle Wahlchance gibt, die leider nicht mehr existiert", schreibt sie.

Ein Grund für ihre Entscheidung sei gewesen, die beiden anderen Richterkandidaten schützen zu wollen. Im Streit um die Richterwahl sei "ein Aufschnüren des 'Gesamtpakets'" zu befürchten gewesen, schreibt sie. Außerdem wolle sie verhindern, dass "sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitzt und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind."

In dem Statement kritisiert sie Diffamierungen gegen sich im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag vor wenigen Wochen. Wider besseren Wissens hätten Medien ihre Positionen verzerrt und sie als linke Aktivistin dargestellt. Der Unionsfraktion wirft sie vor, ungeprüfte Behauptungen zur Grundlage ihrer Kritik gemacht zu haben. Der Fraktion sei es nicht gelungen sich, "mit meinen Themen und Thesen inhaltlich auseinanderzusetzen." Auch sei sie nicht zu einer Fraktionssitzung eingeladen worden. "Von politisch verantwortlichen Funktionsträgern wie Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, die für bürgerliche Werte wie Anstand, Respekt und Verantwortungsbewusstsein stehen, darf und muss man erwarten, dass Grundlage ihrer Entscheidung nicht ungeprüfte Behauptungen und Stimmungen, sondern Quellen- und Faktenanalysen sind", schreibt sie. 

Lob äußert sie gegenüber den Fraktionen von SPD, Grünen und Linken. Von dort habe sie Rückhalt und Zustimmung erfahren. Auch einzelne Mitglieder der Unionsfraktion seien "fair, sachlich und respektvoll" gewesen. 

Dobrindt kündigt Verlängerung der Grenzkontrollen an

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die vorübergehenden Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen erneut verlängern. „Wir werden die Grenzkontrollen weiter aufrechterhalten“, sagte Dobrindt im Podcast Table.Today. Es werde sowohl Kontrollen als auch Zurückweisungen über den September hinaus geben.

Auch an weiteren Abschiebungen werde derzeit gearbeitet. „Es ist uns gelungen, einen Flug nach Afghanistan zu organisieren, in dem schwerste Straftäter abgeschoben worden sind. Das kann keine Einmalmaßnahme bleiben“, sagte der Minister. Die Bundesregierung arbeite nun daran, weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan und Syrien zu organisieren.

Die aktuelle Forderung, Kinder aus Gaza in Deutschland aufzunehmen, lehnte Dobrindt ab. „Man muss sehr vorsichtig sein mit dem, was man jetzt alles an möglichen Maßnahmen diskutiert.“ Die Bilder aus dem Gazastreifen seien bewegend. Deswegen sei die Bundesregierung engagiert, die humanitäre Lage zu verbessern. 

„Aber die Hilfe vor Ort sollte im Vordergrund stehen“, sagte Dobrindt. Er könne die Idee zwar gut nachvollziehen. Allerdings gehe es darum, möglichst vielen Menschen zu helfen und nicht nur einigen wenigen.

Patrick Wehner

Klingbeil fordert Lösungen von der Koalition

SPD-Chef Lars Klingbeil fordert von der schwarz-roten Koalition mehr Ergebnisse. "Die Menschen wollen, dass wir Lösungen finden, daran müssen wir arbeiten", sagte der Vizekanzler und Bundesfinanzminister der Rheinischen Post. Für das Gelingen der Koalition trügen alle gemeinsam Verantwortung. "Von Ampel-Zeiten aber sind wir sehr weit entfernt", betonte er mit Blick auf die zahlreichen Konflikte von SPD, FDP und Grünen in der Vorgängerregierung.

Klingbeil zog eine gemischte Bilanz fast 100 Tagen Schwarz-Rot. "Wir hatten keine 100-Tage-Schonfrist, es waren wahrscheinlich noch nicht mal drei Tage", sagte er. Unter dem Strich habe man in dieser Zeit vieles geschafft: "Zwei Haushalte, den Wachstumsbooster für die Wirtschaft, das Rentenpaket, bereits in den Sondierungen die Einigung auf das Sondervermögen Infrastruktur und die Einigung bei den Verteidigungsausgaben." Kritisch blickt er allerdings auf den Konflikt um die Wahl von SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin, die wegen Widerständen in der Unionsfraktion Mitte Juli kurzfristig abgesagt wurde. "Wenn wir Absprachen treffen, dann müssen die gelten. Darauf müssen wir uns als SPD verlassen können", so der SPD-Chef. Das sei bei der geplanten Berufung Brosius-Gersdorfs nicht der Fall gewesen.

Julia Bergmann

Rente, Tarifverträge, Schwarzarbeit - Was das Bundeskabinett beschlossen hat 

Die Bundesregierung hat an diesem Mittwoch fast zwei Dutzend Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht. Darunter ist auch der für ein milliardenschweres Paket zur Absicherung des Rentenniveaus und zur Ausweitung der Mütterrente. Mit dem Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) soll das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des jeweils geltenden Durchschnittslohns gesichert werden. Zudem sollen Eltern von 2027 an  drei statt bislang zweieinhalb Jahre Erziehungszeiten bei der Rente angerechnet bekommen – auch wenn ihr Kind vor 1992 geborenen wurde.

Zudem will die Regierung die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung von Tarifverträgen knüpfen. Mit dem Gesetzentwurf von Bas und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) soll die seit Jahrzehnten sinkende Bindung an Tariflöhne gestärkt werden.

Auch der Aufbau einer Infrastruktur zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid (CO₂) soll mit einem entsprechenden Entwurf massiv beschleunigt werden. Ein weiterer Beschluss soll den Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung erleichtern.

Dringend gesuchte Pflegekräfte sollen außerdem mehr Kompetenzen bei der Patientenversorgung bekommen. Ein Gesetzentwurf von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) soll attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen. Unter anderem sollen Pflegefachkräfte künftig neben Ärztinnen und Ärzten mehr Leistungen eigenverantwortlich erbringen dürfen - etwa beim Versorgen von Wunden, Diabetes und Demenz.

Die Bundesregierung brachte auch Pläne auf den Weg, um Unternehmen und Verbraucher von Kosten der Gasspeicherumlage zu befreien. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sprach von einer Entlastung von rund 3,4 Milliarden Euro. Die Gasspeicherumlage soll künftig vom Bund finanziert werden.

Um großangelegten Steuerbetrug besser aufdecken zu können, sollen sich in Zukunft auch Aufbewahrungsfristen ändern. Buchungsbelege bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten künftig zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Für alle anderen Steuerpflichtigen gilt weiter eine Frist von acht Jahren.

Julia Bergmann

Bund will Deutschlandticket auch 2026 bezuschussen

Das schwarz-rote Kabinett hat eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, damit sich der Bund auch 2026 mit 1,5 Milliarden Euro an der Finanzierung des Deutschlandtickets beteiligt. Diese ist im Regionalisierungsgesetz bislang nur noch für 2025 festgelegt. Ohne Fortschreibung der Finanzierung sei das Deutschlandticket gefährdet, heißt es im Gesetzentwurf. 

Unklar bleibt aber, wie erwartete Mehrkosten von Bund und Ländern ausgeglichen werden sollen. Bisher geben Bund und Länder einen Zuschuss von jeweils 1,5 Milliarden Euro im Jahr für das Ticket, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben auszugleichen. Denn die meisten üblichen Pendler-Abos waren zuvor deutlich teurer als das Deutschlandticket, das derzeit 58 Euro pro Monat kostet. 

Das Ticket gibt es seit Mai 2023, damals noch für 49 Euro. Es wird nach Branchenangaben von rund 14 Millionen Menschen genutzt und ermöglicht bundesweit Fahrten im öffentlichen Regional- und Nahverkehr. Sollte sich für das kommende Jahr eine Finanzierungslücke abzeichnen, droht eine erneute Preiserhöhung.

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