Bundespolitik: Union will der Zahl der Abweichler nicht bekanntgeben

vor 2 Tage 4

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.

Wichtige Updates

Deutscher Mittelstand schickt Brandbrief an Bas

Union stimmt für Rentenpaket – aber einige Gegenstimmen 

Spahn: Abweichler sollten sich im Rentenstreit Mehrheitsmeinung anschließen

Junge Gruppe in der Union soll in Rentenkommission eingebunden werden

Merz erwartet Renten-Abstimmung am Freitag

Dominik Fürst

Union will Abweichler-Zahl nicht bekanntgeben

Die Spitze der Unionsfraktion will vor der Abstimmung über das Rentenpaket am Freitag im Bundestag zunächst nicht bekanntgeben, wie viele Abgeordnete ein Nein oder eine Enthaltung angemeldet haben. „Es handelt sich um ein internes Verfahren, aus dem keine Zwischenstände kommuniziert werden“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur eine Fraktionssprecherin. 

Die Fraktionsführung hat die 208 Abgeordneten von CDU und CSU aufgefordert, sich bis heute um 12 Uhr zu melden, falls sie ein von der Fraktionsmehrheit abweichendes Abstimmungsverhalten planen. Die große Mehrheit hat sich am Freitag per Handzeichen für eine Zustimmung zum Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas, SPD, ausgesprochen.

Nach unterschiedlichen Darstellungen gab es aber zehn bis 20 Nein-Stimmen und etwa eine Handvoll Enthaltungen. CDU, CSU und SPD haben im Bundestag eine Mehrheit von lediglich zwölf Stimmen. Die Fraktionsführung geht davon aus, dass ein Großteil der Gegenstimmen lediglich als Zeichen des Unmuts zu werten ist, aber noch nichts über das tatsächliche Abstimmungsverhalten aussagt.

Der Widerstand gegen das Rentenpaket kommt vor allem aus der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sich seit Monaten wegen der aus ihrer Sicht viel zu hohen Folgekosten gegen das Rentenpaket stemmt. Zu ihr zählen 18 Abgeordnete, die zu Beginn der Legislaturperiode höchstens 35 Jahre alt waren.

Deutscher Mittelstand schickt Brandbrief an Bas

In einem Brandbrief haben mehrere Mittelstandsverbände auf Äußerungen von Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas beim Juso-Bundeskongress reagiert. „Mit großer Verwunderung und Sorge haben wir Ihre jüngsten Aussagen beim Bundeskongress der Jusos am vergangenen Wochenende zur Kenntnis genommen“, hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben.

Bas stelle sich mit ihren Äußerungen über Arbeitgeber gegen all diejenigen, „die tagtäglich Werte schaffen, Arbeitsplätze sichern, Innovationen hervorbringen und damit die Grundlage all jener sozialen Leistungen legen, die unser Gemeinwesen ausmachen“, schrieben die 15 Verbandschefs an die SPD-Chefin. „Wir möchten Sie eindringlich bitten, Ihre Aussagen öffentlich zu präzisieren und klarzustellen, dass Sie den Mittelstand nicht als Gegner verstehen, sondern als unverzichtbaren Teil unserer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilität.“

Bas hatte bei dem Juso-Treffen von ihrem Auftritt auf dem Arbeitgebertag berichtet und gesagt, dort sei ihr „besonders deutlich geworden (...), gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“. Sie sei dort gefragt worden, wie viel soziale Sicherheit sich Deutschland überhaupt noch leisten wolle.

Katja Guttmann

Union stimmt für Rentenpaket – aber einige Gegenstimmen 

Die Unionsfraktion hat sich mit großer Mehrheit für die Zustimmung zum umstrittenen Rentenpaket im Bundestag ausgesprochen. Es gab aber auch zahlreiche Gegenstimmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern einer Fraktionssitzung. Die genaue Zahl der Nein-Stimmen und Enthaltungen bei der Test-Abstimmung ist noch unklar. Es war aber von etwa 15 Gegenstimmen und einzelnen Enthaltungen die Rede. Das Rentenpaket wird vor allem von jungen Abgeordneten in der Fraktion abgelehnt.

Die Abstimmung im Bundestag soll am Freitag stattfinden. Bis 12 Uhr am Donnerstag sollen die Abgeordneten der Fraktionsführung abschließend melden, wenn sie dem Gesetz nicht zustimmen wollen. Erst dann herrscht weitgehende Klarheit. Anders als bei der im ersten Anlauf geplatzten geheimen Richterwahl im Juli wird diesmal namentlich abgestimmt.

Wie viele Gegenstimmen aus den eigenen Reihen für die Koalition verkraftbar sind, hängt davon ab, wie viele Abgeordnete am Freitag anwesend sind. Wenn alle da wären, bräuchte die Koalition 316 von 630 Stimmen für eine eigene Mehrheit. CDU, CSU und SPD kommen zusammen auf 328 Stimmen.

Christoph Heinlein

Spahn: Abweichler sollten sich im Rentenstreit Mehrheitsmeinung anschließen

CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn fordert, dass sich die Abweichler im Rentenstreit der Mehrheitsmeinung in der Unionsfraktion anschließen. Es werde ein Meinungsbild erstellt, und er erwarte große Zustimmung, sagte Spahn vor der Fraktionssitzung an diesem Dienstag, in der es eine Probeabstimmung der Abgeordneten geben soll. "Wenn das der Fall ist, dann gibt es die klare Erwartung auch in unserer Arbeitsordnung, dass dann diejenigen, die es anders gesehen haben, in dieser Abstimmung gemeinsam mit der Mehrheit der Fraktion im Deutschen Bundestag abstimmen", fügte der CDU-Politiker mit Blick auf die abschließende Abstimmung im Bundestagsplenum hinzu.

Diese soll nun tatsächlich am Freitag erfolgen. Das geht aus der Tagesordnung der Parlamentsverwaltung hervor, die am Dienstagnachmittag festgelegt wurde - ursprünglich hätte das erst nach der Fraktionssitzung der CDU/CSU geschehen sollen.

Dominik Fürst

Junge Gruppe in der Union soll in Rentenkommission eingebunden werden

In der Unionsfraktion geht das Gezerre um die Zustimmung zum Rentenpaket weiter. „Wir sind intensiv im Gespräch mit den jungen Abgeordneten“, die sich gegen das Paket gestellt hatten, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Steffen Bilger (CDU), im ARD-Morgenmagazin. Es gebe das Angebot an sie, „mit einem Vertreter der Jungen Gruppe ganz konkret in dieser Rentenkommission mitzuarbeiten.“ Auch Sachsens Ministerpräsident und CDU-Präsidiumsmitglied Michael Kretschmer rief die Kritiker zur Unterstützung des Rentenpakets auf.

Die Junge Gruppe der Unionsfraktion hatte am Montag erklärt, es bleibe dabei, dass man das Rentenpaket für „nicht zustimmungsfähig“ halte. Gleichwohl könnten die Abgeordneten frei entscheiden. Der Gruppe gehören 18 Abgeordnete an – die Koalition hat im Bundestag nur eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Bilger sagte, er rechne nach der Erklärung vom Montag damit, dass es „unterschiedliche Stimmabgaben auch bei Mitgliedern der Jungen Gruppe“ geben werde.

Einzelheiten zur Sitzung der Unionsfraktion an diesem Dienstag erfahren Sie hier: 

Grüne: „Werden diesem Rentenpaket nicht zustimmen“

Bei einer möglichen Bundestagsabstimmung zum Rentenpaket in dieser Woche wollen die Grünen die Zustimmung verweigern. „Wir werden diesem Rentenpaket nicht zustimmen. Wir sind keine Hilfstruppe für schlechtes Regieren“, sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann. Die Menschen erwarteten Verlässlichkeit. „Wir brauchen eine langfristige Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, die Rente muss ein gutes Leben im Alter ermöglichen.“ Das gebe Sicherheit, auch für die heute junge Generation.

Parteichef Felix Banaszak sagte, manche Elemente des Pakets teilten die Grünen im Grundsatz. Anders als die Junge Gruppe in der Union, die sich gegen das Paket stemmt, sei er nicht der Auffassung, dass es ein Fehler sei, das Rentensystem zu stabilisieren. Dennoch stelle sich weiter die Frage der Generationengerechtigkeit. Die Milliarden für die Mütterrente seien nicht zielgenau, beklagte Banaszak. Frauen, die das Geld bräuchten, würden nicht erreicht, weil die Rente auf die Grundsicherung angerechnet werde. Nötig sei eine kluge Nutzung des Kapitalmarkts, um das umlagefinanzierte System zu stabilisieren.

Katja Guttmann

Merz erwartet Renten-Abstimmung am Freitag

Bundeskanzler Friedrich Merz erwartet an diesem Freitag die entscheidende Bundestagsabstimmung über die geplante Rentenreform. Das sagte der CDU-Chef am Rande von deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Berlin.

Die Unionsfraktion werde am Dienstag über das Thema in ihrer regulären Sitzung beraten und „die entsprechenden Schlussfolgerungen“ besprechen. Merz geht nach eigenen Angaben von einer Abstimmung im Bundestag über das Rentenpaket an diesem Freitag aus - „das ja nicht nur aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht, sondern auch aus der sogenannten Aktivrente, weitere Inhalte auch beinhaltet, die schon zum 1. Januar 2026 auch inkrafttreten sollen“, wie Merz wörtlich sagte.

Newsdesk

Junge Gruppe hält Rentenpaket weiter für „nicht zustimmungsfähig“

Die Junge Gruppe veröffentlichte am Montagnachmittag eine gemeinsame Erklärung. Darin begründet sie noch einmal ihre Vorbehalte und erklärt: „Als Junge Gruppe halten wir das Rentenpaket für nicht zustimmungsfähig. Dabei bleibt es.“ Allerdings verweist die Gruppe auch darauf, dass allen frei gewählten Abgeordneten „eine eigene staatspolitische Verantwortung“ zukomme. Diese umfasse „Rücksicht auf den Koalitionsfrieden und die weitere Regierungsarbeit in anderen wichtigen Politikfeldern und die Bewertung des Erreichten“. Ebenso umfasse sie „aber auch die finanzielle Stabilität und die sich daraus ergebende Handlungsfähigkeit unseres Landes in den 2030er-Jahren nicht außer Acht zu lassen“. Vor diesem Hintergrund werde jetzt „jedes Mitglied der Jungen Gruppe die Argumente abwägen und eine Entscheidung treffen“.

In der Erklärung wird zugleich die SPD kritisiert, die Änderungen am Gesetzentwurf ablehnt. „Wenn eine Partei 45 Prozent Rentenerhöhungen, die andere Partei 48 Prozent Rentenerhöhungen bis 2040 anstrebt, wäre ein Kompromiss in der Mitte naheliegend gewesen. (...) Leider war die SPD nicht kompromissfähig. Dass die SPD nicht zu Verhandlungen in der Sache bereit war, zu denen sie parlamentarisch verpflichtet gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar.“ Regierungsfähigkeit hieße auch Vertrauen gegenüber dem Koalitionspartner, das Vertrauen in die Reformbereitschaft der SPD fehle beim Thema Rente derzeit aber.

Julia Daniel

Mehr als 50 verletzte Polizisten bei Anti-AfD-Protesten 

Nach den massiven Protesten gegen die Neugründung der AfD-Jugendorganisation in Gießen hat der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) die Zahl verletzter Polizeibeamter nach oben korrigiert. Nach Rückmeldungen aus den anderen Bundesländern sei von mehr als 50 verletzten Einsatzkräften auszugehen, sagte er. Bei der Auflösung rechtswidriger Blockaden seien Polizisten geschlagen, getreten und mit Böllern beworfen worden. „Dieses Wochenende in Gießen hinterlässt einen sehr faden Beigeschmack“, bilanzierte Poseck.

Nur das Polizeigroßaufgebot mit Beamtinnen und Beamten aus 15 Bundesländern habe „schwerste Rechtsbrüche“ verhindern können. Insofern sei der Einsatz als Erfolg zu werten. Tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte seien aber ebenso unerträglich wie Attacken auf AfD-Vertreter. Die große Zahl militanter Gegendemonstranten schade auch dem legitimen Protest der Bürgerinnen und Bürger gegen die AfD. „Es ist kein wirklicher Einsatz für die Demokratie, wenn dieser Einsatz mit Gewalt und Rechtsbrüchen erfolgt“, sagte der Innenminister.

Kritik an einem unangemessenen Gewalteinsatz vonseiten der Polizei wies Poseck zurück, sicherte jedoch zu, der Einsatz werde noch gründlich aufgearbeitet. „Nach meiner Wahrnehmung hat die Polizei sehr verhältnismäßig gehandelt“, sagte er. Vorwürfe, Festgenommenen sei nicht gestattet worden, ihre Anwälte zu kontaktieren, seien nach seinem Kenntnisstand falsch. Genaue Angaben zur Anzahl verletzter Gegendemonstranten konnte der Minister nicht machen. Abfragen bei Kliniken deuteten auf eine zweistellige Größenordnung hin. Allerdings gebe es wohl weniger verletzte Demonstranten als Polizeibeamte.

Linken-Chefin Ines Schwerdtner stellte sich hingegen ausdrücklich hinter die Proteste. Hier habe sich „der rechte Nachwuchs des parlamentarischen Faschismus in Deutschland“ formiert, sagte sie. „Der Protest war absolut legitim.“ Einige Bilder und Berichte aus Gießen hätten sie schaudern lassen, fügte Schwerdtner hinzu. Polizisten seien in einzelne Blockaden mit Schlagstöcken hineingegangen. „Wir halten diese Polizeigewalt für absolut unangemessen“, sagte sie. Sie erwarte Aufklärung vom Polizeipräsidenten in Gießen und allen Beteiligten sowie die Einsetzung einer unabhängigen Kommission.

Den Polizeieinsatz rund um die Gründungsveranstaltung der neuen AfD-Jugendorganisation haben die Kolleginnen Vivian Timmler und Kathrin Wiesel-Lancé zusammengefasst:

Junge Union kritisiert Bas scharf im Rentenstreit

Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, hat im Rentenstreit die SPD-Chefin Bärbel Bas scharf kritisiert. „Regierungsfähigkeit heißt Reformfähigkeit“, sagte er vor einer Sitzung des CDU-Vorstands in Berlin. „Und wenn Bärbel Bas am Wochenende nochmal zu gemeinsamem Kampf gegen die Arbeitgeber in Deutschland aufruft, dann sagt das alles über die Reformfähigkeit der SPD aus.“

Zu seinem Abstimmungsverhalten bei der Entscheidung über das Rentenpaket im Bundestag äußerte Winkel sich auch auf Nachfrage nicht. Er gehört zu den 18 jungen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, die das Gesetz ablehnen. Ein Teil ihrer Stimmen wird aber benötigt, um eine eigene Mehrheit der Koalition zu sichern.

Bas hatte auf dem Juso-Bundeskongress am Wochenende gesagt: „Und für mich war spätestens, wenn nicht sogar schon vorher, dieser Arbeitgebertag für mich ein Schlüsselerlebnis, weil da besonders deutlich geworden ist, gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen." Später präzisierte sie ihre Aussage: „Da saßen sie, ich sag das jetzt mal ganz offen, die Herren, ja, meistens waren es Männer, in ihren bequemen Sesseln, der eine oder andere im Maßanzug, und die Ablehnung war deutlich zu spüren“, sagte sie. „Während sie lachten, habe ich allerdings an die Menschen gedacht, die auf unsere Solidarität angewiesen sind. Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, oft körperlich hart, oft schlecht bezahlt, oft bis an die Grenzen ihrer Kraft.“

Dieser Moment habe ihr noch einmal gezeigt, wo die Linien in diesem Land wirklich verliefen, betonte Bas. „Sie verlaufen nicht zwischen jung und alt, sondern zwischen arm und reich, zwischen denen, die Sicherheit brauchen und denen, die sie für verhandelbar halten.“

Schon auf dem SZ Wirtschaftsgipfel vor zwei Wochen hatte Bas vor einem Bruch der Koaliton über das Rentenpaket gewarnt (SZ Plus):

Julia Daniel

Deutschland und Polen wollen Partnerschaft vertiefen 

Unter Leitung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Ministerpräsident Donald Tusk finden am Montag die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Berlin statt, die zur weiteren Vertiefung der Partnerschaft zwischen beiden Ländern beitragen sollen. Zu den Hauptthemen werden die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine gehören. Es ist das erste Mal seit ihrem Amtsantritt, dass die schwarz-rote Regierung sich mit ihrem polnischen Pendant zu Beratungen trifft. Auf beiden Seiten werden neben den Regierungschefs mehrere Minister teilnehmen. Geplant ist eine Abschlusserklärung, die vor allem die Bereiche Sicherheit, Verteidigung und Wirtschaft abdecken soll.

Die Bedrohung durch Russland hat Deutschland und Polen in den vergangenen Jahren enger zusammengeschweißt. Anfang Mai war Merz zusammen mit Tusk, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer in Kiew, um die Solidarität mit der Ukraine zu demonstrieren. Den aktuellen Verhandlungsprozess über einen Friedensplan führen nun aber Deutschland, Frankreich und Großbritannien ohne Polen, das lediglich konsultiert wird - obwohl Polen als Nachbarland der Ukraine und Russlands besonders von dem Krieg betroffen ist. In Polen sorgt das für Enttäuschung und Entsetzen. „Derzeit sieht es so aus, als wären wir bei den Verhandlungen überflüssig“, schrieb die Gazeta Wyborcza, eines der wichtigsten polnischen Medien, in der vergangenen Woche. „Kiew hat entschieden, dass es ohne unsere Unterstützung zurechtkommt, die europäischen Akteure arbeiten ohne polnische Hilfe, das Weiße Haus nimmt uns überhaupt nicht wahr. Von einem Land, das der wichtigste europäische Akteur in der Ukraine-Frage sein sollte, sind wir zu einer beratenden Stimme geworden.“

Belastet werden die deutsch-polnischen Beziehungen zudem durch den Umgang mit den dramatischen Folgen der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg. Weiterhin stehen polnischen Reparationsforderungen in Billionenhöhe für die damals angerichteten Schäden im Raum, die zuletzt im September von Polens Präsidenten Karol Nawrocki bei seinem Antrittsbesuch in Berlin erhoben und von Merz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erneut zurückgewiesen wurden. Anders als der rechtskonservative Präsident Polens thematisiert die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk die Reparationsfrage nicht mehr offensiv - sie erwartet von der Bundesregierung aber eine Geste der Unterstützung für die noch lebenden Opfer der deutschen Besatzung.

Das zerrüttete Verhältnis zum Nachbarland Polen unter Kanzler Merz analysieren Berlin-Korrespondent Daniel Brössler und Osteuropa-Korrespondentin Viktoria Großmann (SZ Plus):

Nadja Lissok

Wüst: Junge Gruppe wird Regierung nicht in Schwierigkeiten bringen

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst setzt darauf, dass die Junge Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Rentenpaket der schwarz-roten Regierung zustimmen wird. Die jungen Abgeordneten hätten auf Probleme im künftigen Rentensystem hingewiesen, „aber sie sind nicht angetreten, eine Regierung zu schwächen in diesen Zeiten“, sagte der CDU-Politiker in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Wenn man so verantwortungsvoll ist, dann wird man eine Regierung nicht in Schwierigkeiten bringen. Da bin ich auch ziemlich sicher.“

Der Gesetzentwurf über die Rentenhaltelinie von 48 Prozent soll kommende Woche im Bundestag beschlossen werden. Die Junge Gruppe mit ihren 18 Abgeordneten hatte mit Ablehnung gedroht, die schwarz-rote Koalition hat zwölf Stimmen Mehrheit im Bundestag. Immer mehr führende Unions-Politiker weisen darauf hin, dass es nach dem Beschluss zu dem sogenannten Rentenpaket I in diesem Jahr in 2026 eine umfassende Rentenreform geben soll.

Linus Freymark

Warken: AfD mit „herabwürdigenden Kommentaren zu Frauen“ 

CDU-Politikerin Nina Warken wirft der AfD im Bundestag „erschreckende Beleidigungen“ von Politikerinnen anderer Parteien vor. „Von der AfD kommen im Bundestag immer wieder unterirdische Kommentare, gerade gegen weibliche Abgeordnete“, sagte Warken, die Vorsitzende der Frauen Union und Bundesgesundheitsministerin ist, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). 

Warken erläuterte: „Ich sitze sehr nah an den Sitzplätzen der AfD und bekomme weit mehr an Äußerungen mit als das, was es ins Protokoll schafft. Das sind herablassende, herabwürdigende Kommentare zu Frauen.“ 

Die Kommentare betreffen Warken zufolge nicht nur deren politische Meinung, sondern das Äußere, die Kleidung. „Erschreckende Beleidigungen! Das geht so nicht. Das ist der Würde des Parlaments nicht angemessen“, sagte Warken. Damit offenbare die AfD ein Frauenbild, das nicht zu Deutschland passe. „Wir müssen so ein Verhalten im Parlament gemeinsam ächten“, forderte die CDU-Politikerin. „Keine Bundestagsabgeordnete sollte sich davon einschüchtern lassen.“

Christian Helten

Spahn zum Rentenpaket: "Die Mehrheit ist im Werden"

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion drängt auf eine Zustimmung der jungen Abgeordneten zum Rentenpaket der schwarz-roten Koalition. "Die Mehrheit ist im Werden", sagte Jens Spahn am Sonntagabend in der ARD. Seine Aufgabe sei es, eine Mehrheit zu organisieren. Und er sei zuversichtlich. Das Rentenpaket sei für den Koalitionspartner SPD entscheidend, und die Koalition müsse stabil bleiben.

Die Sozialdemokraten wollen in der anstehenden Bundestagswoche das geplante Rentenpaket beschließen. Die Junge Gruppe in der CDU/CSU-Fraktion droht aber weiterhin mit Blockade, weil es ihrer Ansicht nach der jungen Generation zu hohe Lasten aufbürdet. Sollte es keine Mehrheit geben, könnte eine ernste Regierungskrise folgen.

Am Dienstag tagen die Fraktionen im Bundestag. Dann werde klar sein, wie die Stimmung sei, sagte Spahn. Bis dahin führe er noch "freundliche Gespräche". Niemand gehe aus diesen eingeschüchtert nach Hause. "Ich drohe nicht."

Spahn räumte ein, er verstehe das Anliegen der Jungen Gruppe. Das deutsche Rentensystem sei nicht gut auf die 2030er Jahre vorbereitet. Die geplante Rentenkommission, die eine umfangreichere Reform ausarbeiten soll, werde bereits Mitte 2026 Vorschläge machen.

Linus Freymark

Grüne sprechen sich für verpflichtende Musterung aus und debattieren emotional über Gaza

In emotionalen Debatten haben die Grünen auf ihrem Bundesparteitag nach Mitternacht Position bezogen zum Nahostkonflikt und in der Wehrdienst-Debatte. Beim Thema Wehrdienst setzt die Partei auf verpflichtende Musterungen für junge Männer, wie der Bundesparteitag in Hannover beschloss. In der Nahostpolitik vollzieht sie eine Kurskorrektur: Sie betont nun stärker das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung. 

Abgesehen von der Pflicht zu Musterungen für junge Männer setzen die Grünen auf Freiwilligkeit. Eine Wehrpflicht lehnt die Partei also ab. Zugleich sollen Wehrdienst und Zivilschutz attraktiver werden und die Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste besser. Eine „Koordinierungsstelle für gesamtstaatliches Krisenmanagement“ soll die zivil und militärisch nutzbaren Kompetenzen von Freiwilligen abfragen sowie Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten vermitteln. 

Der Co-Chef der Grünen Jugend, Luis Bobga, warnte: „Eine verpflichtende Musterung ist nichts anderes als ein erster Schritt hin zu einer Wehrpflicht durch die Hintertür.“ Die Nachwuchsorganisation wollte eigentlich jedes Pflichtelement vermeiden, unterlag aber. Die Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik hielt dagegen: Der Eingriff in die persönliche Freiheit sei hier überschaubar. 

Politiker von Union und SPD hatten sich zuletzt auf einen neuen Wehrdienst mit flächendeckender Musterung und Zielmarken für die Aufstockung der Truppe verständigt. Bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen soll der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden können, bei der dann auch ein Zufallsverfahren zur Auswahl genutzt werden kann. Die Pläne sollen in der kommenden Woche im Bundestag verabschiedet werden. 

Die Wehrpflicht für Männer wurde 2011 ausgesetzt, ist aber weiter im Grundgesetz verankert. Sie kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingeführt werden und tritt auch in Kraft, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt. 

Mit Blick auf den Nahost-Konflikt seien drei Punkte für die Grünen nicht verhandelbar, betonte die Vorsitzende Franziska Brantner: Das Existenzrecht Israels, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und „die Würde eines jeden Menschen“. 

Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte als Gastredner, er sehe keine Alternative zu einer politischen Lösung mit zwei Staaten: Israel und Palästina. US-Präsident Donald Trump habe eine Waffenruhe erreicht, nun müsse er seine Überzeugungskraft nutzen, um eine dauerhafte Lösung herbeizuführen.  

Die Grünen fordern, die Bundesregierung solle ein gemeinsames europäisches Vorgehen nicht länger blockieren und den Weg frei machen für eine Teilaussetzung des EU-Assoziationsabkommens mit Israel, „falls Israel seine völkerrechtlichen Verpflichtungen weiterhin nicht erfüllt“. Davon unberührt bleiben müssten die Forschung und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. 

Das Abkommen regelt unter anderem Freihandelsvorteile und Zollerleichterungen für den Handel zwischen der EU und Israel. Darin ist festgehalten, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte beruhen.  

In einem Text, auf den sich die Parteimitglieder in Hannover verständigten, hießt es, der Einsatz für die Sicherheit Israels als Teil deutscher Staatsräson bedeute nicht, dass Unterstützung für die israelische Regierung über Verpflichtungen gegenüber dem Völkerrecht und dem Schutz der Menschenrechte gestellt werden dürfen. 

Nach intensiven Diskussionen sprachen sich die Delegierten am Ende gegen eine sofortige Anerkennung Palästinas als Staat aus. Stattdessen einigte man sich darauf, diese Anerkennung durch Deutschland solle „im aktuellen Friedensprozess“ ein „prioritärer Schritt“ sei.

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