Bundespolitik: Erneut „Stadtbild“-Demos gegen Merz

vor 13 Stunden 2

Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.

Wichtige Updates

Mützenich gesteht Fehler in Russlandpolitik ein  

Umfrage: Mehrheit stimmt Merz’ konkretisierten „Stadtbild“-Äußerungen zu

Wadephul verschiebt China-Reise kurzfristig

Großbritannien will mit Deutschland russische U-Boote „jagen“

SPD-Politiker Schweitzer: Merz ist kein Rassist

Juri Auel

„Stadtbild“-Demos gegen Merz in mehreren Städten 

Demonstranten in mehreren Städten haben erneut gegen die „Stadtbild“-Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz zu Migration protestiert. In Hamburg versammelten sich bei regnerischem Herbstwetter nach Polizeiangaben rund 2600 Menschen. Auf Transparenten forderten sie „Zusammenstehen gegen Rassismus und Spaltung“ und „Merz raus aus unserem Stadtbild!“. Auf anderen Schildern hieß es „Merz will Grau, wir wollen Bunt“ oder „Friedrich, wer stört bist du und dein Rassismus!“

Zu der Demonstration hatten die Partei Die Linke, Fridays for Future Hamburg und kleinere linke Gruppen aufgerufen. „Die CDU dreht durch – und mit jedem neuen rechten Spruch drängelt sich Kanzler Merz weiter in die Gunst der AfD“, hieß es im Aufruf der Linken.

In Magdeburg beteiligten sich laut Polizei über 300 Menschen an einer Kundgebung. „Die jüngsten Äußerungen von Herrn Friedrich Merz, der von einem Problem im Stadtbild sprach, haben viele von uns tief betroffen“, sagte die Vertreterin eines afghanischen Frauenvereins. „Solche Worte lassen Menschen, die seit Jahren Teil dieser Gesellschaft sind, spüren, dass sie immer noch als anders oder fremd gesehen werden.“ Migration werde dabei nicht als selbstverständlicher Teil Deutschlands verstanden, sondern als etwas Störendes.

Im niedersächsischen Hildesheim protestieren nach übereinstimmenden Angaben der Polizei und der Veranstalter rund 500 Demonstranten. Unter dem Motto „What the Fritz??? Wir sind das Stadtbild!“ hatte ein breites Bündnis aus Initiativen und Gewerkschaften zu dem Protest aufgerufen. Im sauerländischen Arnsberg, dem Wohnort des Kanzlers, demonstrierten rund 150 Menschen. 

Juri Auel

Mützenich gesteht Fehler in Russlandpolitik ein 

Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hat Fehler beim Umgang mit Russland eingeräumt. „Ich hatte keinen Plan B", sagte Mützenich dem Spiegel. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 hatte der Sozialdemokrat gefordert, man müsse Russland in eine europäische Sicherheitsarchitektur einbeziehen. Er habe dabei das Wort „perspektivisch“ benutzt, betonte Mützenich nun. „Aber ich gebe zu: Ich habe nicht früh genug darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn die Einbindung scheitert.“ 

Auch mit Blick auf das Pipelineprojekt Nord Stream 2 äußerte sich Mützenich selbstkritisch. „Es sind Fehler gemacht worden“, sagte er auf die Frage, ob die deutsche Russlandpolitik blauäugig gewesen sei. „Da nehme ich mich nicht aus.“ 

Die Bundesregierung hatte Nord Stream 2 auch nach der Annexion der Krim 2014 noch als „privatwirtschaftliches Projekt“ verteidigt. „Natürlich gab es bei Nord Stream ein deutsches Interesse: ein wirtschaftliches“, sagte Mützenich. „Unsere Industrie profitierte von billigem russischem Gas. Warum kann man nicht einfach zugeben, dass unter kapitalistischen Bedingungen diese Widersprüche nicht so einfach aufzulösen sind?“ 

Bei aller Selbstkritik beharrt Mützenich auch auf seinen Überzeugungen. Er sei weiter „davon überzeugt, dass Außen- und Sicherheitspolitik weitaus mehr ist als Aufrüstung und Abschreckung“, sagte der Sozialdemokrat. „Dieses Prinzip war immer ein tragender Pfeiler sozialdemokratischer Außenpolitik, und das sollte auch so bleiben.“ 

Umfrage: Mehrheit stimmt Merz’ konkretisierten „Stadtbild“-Äußerungen zu

Für seine jüngsten Äußerungen über das „Stadtbild“ und Migranten in Deutschland bekommt Bundeskanzler Friedrich Merz laut einer Umfrage überwiegend Zuspruch von der Bevölkerung. 63 Prozent der Befragten im ZDF-Politbarometer gaben dem CDU-Vorsitzenden recht, dass es im Stadtbild Probleme mit denjenigen Migranten gebe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und gegen Regeln verstoßen. 29 Prozent halten die Aussage nicht für berechtigt.

Recht gaben dem Kanzler deutlich mehr Ältere als Jüngere. In der Altersgruppe von 18 bis 34 Jahren pflichteten ihm nur 42 Prozent der Befragten bei, bei den 35- bis 59-Jährigen waren es 70 Prozent und bei Menschen ab 60 Jahren noch 66 Prozent.

Merz hatte zunächst gesagt, die Bundesregierung korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte, „aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“. Später legte er nach und sagte: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“

Am Mittwoch konkretisierte er dann, Probleme würden diejenigen Migranten machen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und die sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten. Im Politbarometer wurden die Teilnehmer explizit nach ihrer Meinung zu dieser jüngsten Äußerung befragt, die früheren Äußerungen wurden nicht thematisiert.

Im ZDF-Politbarometer gaben zusammengerechnet mehr als zwei Drittel der Befragten an, sich an öffentlichen Orten und Plätzen sehr sicher (20 Prozent) oder eher sicher zu fühlen (46 Prozent). 25 Prozent fühlen sich demnach eher unsicher und 8 Prozent sehr unsicher. Zwischen Männern und Frauen gibt es dabei nur leichte Unterschiede. Mit Flüchtlingen in der eigenen Wohngegend gibt es nach Ansicht von lediglich 18 Prozent der Befragten Probleme. 74 Prozent gaben an, es gebe nicht so große oder gar keine Probleme.

Für das ZDF-Politbarometer zu dem Thema befragte die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen am 23. Oktober 1038 Wahlberechtigte.

Hinweis: In einer früheren Version dieser Meldung konnte der Eindruck entstehen, eine Mehrheit der vom ZDF-Politbarometer Befragten stimme Merz' ursprünglicher und nicht konkretisierter Aussage zum „Stadtbild“ zu. Tatsächlich bezieht sich die breite Zustimmung aber auf die Konkretisierung, Probleme gebe es mit Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus die nicht arbeiteten und sich nicht an Regeln hielten. Wir haben das korrigiert. 

Linus Freymark

Klüssendorf zu "Stadtbild"-Debatte: Migration nicht Ursache aller Probleme

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warnt davor, Missstände in deutschen Innenstädten auf Migration zurückzuführen. "Dieses Unsicherheitsgefühl hat aus meiner Sicht in erster Linie mit Männern zu tun, egal welcher Herkunft", sagte Klüssendorf den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Verkürzung aller politischer Probleme auf die Migration halte ich für falsch und gefährlich", betonte er anlässlich der "Stadtbild"-Debatte, die Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ausgelöst hatte.

Klüssendorf sagte dazu: "Merz meint mit seinen Aussagen wohl das Unsicherheitsgefühl, wenn beispielsweise Gruppen von jungen Männern irgendwo stehen und Frauen belästigen, oder aber auch Dinge wie Leerstand oder öffentliche Vermüllung. Alles Probleme, die mich genauso beschäftigen wie viele Menschen in diesem Land." Die Schlussfolgerung, es müsse schlicht mehr Rückführungen geben, teile er an dieser Stelle nicht, betonte der SPD-Generalsekretär. 

Wadephul verschiebt China-Reise kurzfristig

Außenminister Johann Wadephul (CDU) verschiebt kurzfristig eine eigentlich für Montag und Dienstag geplante China-Reise. Peking habe außer einem Treffen des Ministers mit seinem Kollegen Wang Yi keine hinreichenden weiteren Termine bestätigt, begründete die Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin die Verschiebung. Die Reise werde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Der Minister wolle sich sehr bald telefonisch mit seinem chinesischen Amtskollegen intensiv austauschen.

Peking hatte kurz zuvor die Haltung der Bundesregierung in der sogenannten Taiwan-Frage kritisiert. Die Wahrung des Status quo in der Region zu fordern, ohne dabei eine Unabhängigkeit Taiwans abzulehnen, komme einer Unterstützung „taiwanischer Unabhängigkeits-Aktivitäten“ gleich, sagte Außenamtssprecher Guo Jiakun. China fordere Deutschland auf, eine klare und entschiedene Haltung gegen jegliche Aktivitäten für eine Unabhängigkeit Taiwans einzunehmen und das Ein-China-Prinzip strikt einzuhalten. Nach dem Ein-China-Prinzip erkennen die meisten Staaten nur die Volksrepublik China und nicht den unabhängig regierten Inselstaat Taiwan an. Peking betrachtet Taiwan als Teil seines Territoriums.

Wadephul hatte China in den vergangenen Monaten immer wieder für Drohungen kritisiert, den Status quo in der Meerenge zwischen Taiwan und China einseitig verändern zu wollen. Zudem hatte er kritisiert, dass Peking in der Region im Indopazifik immer aggressiver vorgehe. Wadephul sollte der erste Minister der neuen Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) sein, der China besucht.

Im deutsch-chinesischen Verhältnis haben zuletzt Pekings Exportkontrollen auf seltene Erden große Sorge bei deutschen Unternehmen ausgelöst. Die Industrie ist auf die wichtigen Rohstoffe angewiesen, weil sie zum Beispiel für Motoren, Turbinen und Sensoren benötigt werden. Zudem herrscht in der Bundesregierung Unmut über Chinas Rolle im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, weil die Volksrepublik im Verdacht steht, mit Ölkäufen Russland zu unterstützen.

Großbritannien will mit Deutschland russische U-Boote „jagen“

Deutschland und Großbritannien wollen den Schutz strategisch wichtiger Seegebiete im Nordatlantik und in der Nordsee gemeinsam verstärken. Dazu sollen neue deutsche Spezialflugzeuge vom Typ P-8 Poseidon zum Einsatz gegen U-Boote künftig auch von der schottischen Militärbasis Lossiemouth aus starten. Die Seefernaufklärer seien auch dazu bestimmt, Infrastruktur zur Energieversorgung und Datenübertragung vor Angriffen zu schützen, so Verteidigungsminister Pistorius (SPD) und sein britischer Kollege John Healey am Donnerstag bei einem Besuch der Militärbasis in Schottland. Healey kündigt an, dass „britische und deutsche Mannschaften auf P-8 gemeinsam russische U-Boote jagen werden“. Begonnen werde auch eine neue Partnerschaft in der Cyberabwehr.

„Wir reden über russische Atom-U-Boote, die über den Pol in den Nordatlantik vorstoßen, regelmäßig in internationalen Gewässern ihre Wege suchen und finden. Und es geht darum, zu wissen, wo sie sind und was sie tun“, ergänzte Pistorius. Zuletzt hatten sich Fälle gehäuft, bei denen Unterseeleitungen beschädigt und möglicherweise absichtlich sabotiert wurden.

Umfrage: Bundeswehr-Losverfahren stößt auf breite Ablehnung

Die Idee eines Losverfahrens zur Auswahl von Wehrdienstleistenden kommt einer Umfrage zufolge bei der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung nicht gut an. Im ZDF-Politbarometer lehnten 84 Prozent der Befragten den Vorschlag ab, nur 14 Prozent finden ihn richtig. Die Ablehnung ist bei Anhängern aller Parteien hoch – von 78 Prozent bei jenen der Union bis zu 91 Prozent bei der Wählerschaft der Linken.

Die Wehrpflicht ist seit 2011 ausgesetzt. Ihre Reaktivierung für Männer befürworten im ZDF-Politbarometer 19 Prozent der 1 272 Befragten, für Männer und Frauen gar 50 Prozent. Dagegen lehnen 29 Prozent eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ab.

SPD-Politiker Schweitzer: Merz ist kein Rassist

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, der SPD-Politiker Alexander Schweitzer, nimmt Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz gegen den Vorwurf des Rassismus wegen dessen „Stadtbild“-Äußerung in Schutz. „Die Angriffe, die den Kanzler jetzt treffen, müssen mit Maß und Mitte gewählt werden. Deshalb sage ich, für einen Rassisten halte ich ihn nicht, ich halte ihn für jemanden, der manchmal von seinen eigenen Formulierungen selbst ein bisschen überrascht ist“, sagte Schweitzer der Bild.

Er sei „fest überzeugt, dass unser Kanzler keine rassistische Äußerung getan hat, das würde ich ihm einfach nicht unterstellen“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Er betonte zugleich: „Wenn du Kanzler bist, kannst du dich nicht äußern, als wärst du ein unbeteiligter Beobachter der politischen Landschaft.“

Juri Auel

Stadtbild-Debatte: Demos in Münster und Köln

In Köln und Münster haben am Abend nach Polizeiangaben insgesamt rund 2 400 Menschen gegen die „Stadtbild“-Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) demonstriert. Trotz starker Windböen und Regen erschienen deutlich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer als angemeldet. Die Protest-Kundgebungen verliefen nach Polizeiangaben in beiden Städten friedlich. 

Julia Daniel

Spahn: Verdacht der AfD-Spionage für Putin wiegt schwer 

Unionsfraktionschef Jens Spahn hat die AfD-Spitze aufgefordert, Vorwürfe der Spionage für Russland aufzuklären. „Der Verdacht, im Bundestag für den Ex-KGB-Spion Putin zu spionieren, wiegt schwer“, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post mit Blick auf Kremlchef Wladimir Putin. AfD-Parteichefin Alice Weidel müsse „umgehend und zweifelsfrei aufklären, welche Machenschaften es in ihrer Fraktion gibt“.

Abgeordnete seien dem deutschen Volk und seinem Wohl verpflichtet, sagte Spahn weiter. „Wenn parlamentarische Rechte stattdessen missbraucht werden, um ausländischen Diktatoren sicherheitsrelevante Informationen zu besorgen, ist das Verrat an unserem Vaterland.“ Der Verdacht werde durch zahlreiche Vorfälle in den Reihen der Partei genährt, die die „Putin-Nähe der AfD belegen“, so Spahn der Rheinischen Post.

Georg Ismar, Iris Mayer und Roland Preuß über die Vorwürfe des Thüringer Innenministers gegen die AfD in seinem Bundesland:

Steuerschätzung: Keine Entlastung für Klingbeils Haushalt

Bund, Länder und Gemeinden können in den nächsten Jahren mit etwas höheren Steuereinnahmen rechnen als erwartet – die Haushaltssorgen von Finanzminister Lars Klingbeil sind deshalb aber nicht aus der Welt. Der Arbeitskreis Steuerschätzung legte am Donnerstag seine Prognose für die Jahre 2025 bis 2029 vor. Für das kommende Jahr erwarten sie für den Gesamtstaat 10,6 Milliarden Euro mehr Einnahmen als noch im Mai. Bis einschließlich 2029 sollen 33,6 Milliarden mehr hereinkommen. Vor allem profitieren davon allerdings Länder und Kommunen. Der Bund kann für das kommende Jahr zwar noch mit 4,9 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen rechnen. Für 2028 und 2029 ist dafür dann aber deutlich weniger vorhergesagt als bisher gedacht. 

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil wertete das Ergebnis als Beleg für die Regierungspolitik, pochte aber auf weiter bestehendem Spardruck. „Der Konsolidierungsdruck im Bundeshaushalt bleibt hoch. Wir werden mit Blick auf die Haushaltslücken ab 2027 weiterhin einen strikten Konsolidierungskurs fahren: Alle Ministerien bleiben gefordert, Einsparungen vorzunehmen.“

Juri Auel

Merz äußert sich zur „Stadtbild“-Debatte

Kanzler Friedrich Merz hat seine umstrittenen Äußerungen zu „Problemen im Stadtbild“ präzisiert. „Ja, wir brauchen auch in Zukunft Einwanderung – das gilt für Deutschland wie für alle Länder der Europäischen Union“, sagte der CDU-Vorsitzende nach der Westbalkan-Konferenz in London. Menschen mit Migrationshintergrund seien ein unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsmarktes. „Wir können auf sie eben gar nicht mehr verzichten – ganz gleich, wo sie herkommen, welcher Hautfarbe sie sind und ganz gleich, ob sie schon in erster, zweiter oder vierter Generation in Deutschland leben und arbeiten“, betonte Merz.

Die meisten seien bereits Staatsbürger. Allerdings gebe es Probleme mit denjenigen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und sich „auch nicht an unsere Regeln halten“. Diese bestimmten teilweise das öffentliche Bild in den Städten, sagte Merz. „Deshalb haben mittlerweile so viele Menschen in Deutschland und in anderen Ländern der Europäischen Union – das gilt nicht nur für Deutschland – einfach Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen“, fügte er hinzu. Das betreffe Bahnhöfe, U-Bahnen, bestimmte Parkanlagen, ganze Stadtteile, „die auch unserer Polizei große Probleme machen“.

Man müsse die Ursachen dieser Probleme gemeinsam in Europa lösen, um das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat wieder herzustellen und zurückzugewinnen, wo es verloren gegangen sei. Deswegen werde der EU-Gipfel am Donnerstag noch einmal über die gemeinsame europäische Einwanderungs- und Asylpolitik sprechen. Merz war für seine Bemerkung der „Probleme im Stadtbild“ von Grünen und Linken, aber auch dem Koalitionspartner SPD scharf kritisiert worden, weil offen geblieben sei, wen er damit eigentlich meine.

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Christoph Heinlein

Klingbeil geht auf Distanz zu Merz' "Stadtbild"-Äußerung 

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat sich in der Migrationsdebatte von den "Stadtbild"-Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) distanziert. "Wir müssen als Politik auch höllisch aufpassen, welche Diskussion wir anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in ein 'Wir' und 'Die' unterteilen", sagte der SPD-Co-Parteichef am Mittwoch auf dem Gewerkschaftskongress der IG BCE. Politik müsse Brücken bauen und die Gesellschaft zusammenführen, statt sie mit Sprache zu spalten. Wörtlich fügte Klingbeil hinzu:

Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht.

Klingbeil reagierte damit auf eine umstrittene Aussage von Merz. Der CDU-Chef hatte zuvor erklärt, dass es bei der Reduzierung der Flüchtlingszahlen zwar Erfolge gebe, aber "Probleme im Stadtbild" blieben. Diese Äußerung hatte öffentliche Kritik ausgelöst.

Klingbeil griff das Motto des Gewerkschaftskongresses "Das Richtige tun" auf und sagte: "Das Richtige tun reicht manchmal nicht. Man sollte auch nicht das Falsche sagen." Es gebe in manchen Innenstädten ein Sicherheitsproblem. "Das ist da, und das muss man adressieren können", sagte Klingbeil. "Und dann muss Politik aber auch kluge Vorschläge machen, wie man das Ganze lösen kann. Zum Beispiel, indem man unserer Polizei den Rücken stärkt." 

Petition gegen Merz-Aussage sammelt 100 000 Unterschriften

Eine am Dienstag gestartete Petition unter dem Titel „Wir sind die Töchter“ gegen die Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu vermeintlichen „Problemen im Stadtbild“ hat am Mittwochmittag bereits mehr als 100 000 Unterschriften verzeichnet. „Strukturelle Gewalt gegen Frauen ist das Problem“, erklärte die Initiatorin Cesy Leonard, Gründerin der Aktionskunstgruppe „Radikale Töchter“. Diese Gewalt finde fast immer im eigenen Zuhause statt, die Täter seien „nicht irgendwelche Menschen im Stadtbild“, sondern Ehemänner, Väter oder ehemalige Partner.

Wenn von „Beziehungsdramen“ die Rede sei, gehe es eigentlich um Femizide, erklärte Leonard weiter. Die Petition fordert daher auch, Femizide als eigene Straftat anzuerkennen. Zu den Unterstützerinnen zählen den Angaben zufolge etwa die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und die Schauspielerin Marie Nasemann.

Auf die Frage eines Journalisten, was mit „Problemen im Stadtbild“ gemeint sei, hatte Merz am Montag geantwortet, der Journalist solle seine Töchter fragen, falls er welche habe.

Julia Daniel

Thüringens Innenminister sieht mögliche Spionage der AfD für Russland

Thüringens Innenminister Georg Maier wirft der AfD vor, möglicherweise für Russland zu spionieren. „Schon seit geraumer Zeit beobachten wir mit zunehmender Sorge, dass die AfD das parlamentarische Fragerecht dazu missbraucht, gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen“, sagte der SPD-Politiker dem Handelsblatt. Auch auf Bundesebene gebe es zahlreiche parlamentarische Anfragen dieser Art. „Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet.“ Er verwies auf AfD-Politiker, die „enge Kontakte zu autoritären Staaten“ pflegten. Es sei zu vermuten, dass sicherheitsrelevante Informationen abflössen. Der „landesverräterische Aspekt“ sollte im Rahmen eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens stärker berücksichtigt werden.

Der Vorwurf bezieht sich primär auf das Vorgehen der AfD in Thüringen. Nach Angaben des Innenministers wurden in den vergangenen zwölf Monaten 47 entsprechende Anfragen zur Infrastruktur gestellt – mit „steigender Intensität und Detailtiefe“. Betroffen seien etwa die Bereiche Verkehrsinfrastruktur, Wasserversorgung, digitale Infrastruktur und Energieversorgung. „Besonderes Interesse zeigt die AfD für polizeiliche IT und Ausrüstung, etwa im Bereich der Drohnendetektion und -abwehr“, fügte Maier hinzu. Auch die Ausstattung im Bevölkerungsschutz, im Gesundheitswesen und Aktivitäten der Bundeswehr seien Gegenstand von zahlreichen Anfragen. Die AfD ist vom Verfassungsschutz in Thüringen als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft.

Auch Politiker von CDU und Grünen warnten vor russischer Spionage durch die AfD. Der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums im Bundestag, Marc Henrichmann (CDU), sagte dem Handelsblatt: „Russland macht seinen offenkundigen Einfluss im Parlament, insbesondere in die AfD, natürlich geltend, um zu spionieren und sensible Informationen abzugreifen.“ Ähnlich äußerte sich der Vizevorsitzende des Gremiums, Konstantin von Notz (Grüne). „Die AfD schadet unserem Land, macht sich bewusst zum Sprachrohr der Diktatoren dieser Welt und trägt ihre Narrative in öffentliche Diskurse und unsere Parlamente“, sagte er der Zeitung.

Die AfD wies die Vorwürfe gegenüber dem Handelsblatt zurück. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, sprach von „irrwitzigen Verdächtigungen“. Der Grund für die Anfragen sei, dass SPD und Union die Infrastruktur in Deutschland jahrelang hätten verkommen lassen.

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