Harry Kane und die Bayern beherrschen die Liga
Foto:Harry Langer / dpa
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Der Mannschaftsbus des FC Bayern stand auf dem Heidenheimer Schlossberg mit laufendem Motor bereit zur Abfahrt, als Vincent Kompany noch über die anstehende Weihnachtspause sprach. »Drei, vier Tage«, schätzte der Trainer des FC Bayern, so lange würde es noch dauern, bis er endlich komplett abschalten würde. »Bis du das Gefühl hast, es könnte sein, dass jetzt Urlaub ist.«
Dass es nicht gelang, schon auf der knapp zweistündigen Heimfahrt nach München komplett in Ferienmodus zu schalten, dafür waren die vergangenen Wochen zu aufreibend, zu zehrend. So wie auch die gesamten letzten zwölf Monate. Man sah es Kompany an, auch er wirkte nun müde und reif für eine Pause.
Ein lachender Bayern-Trainer – nicht selbstverständlich in München
Foto: kolbert-press / Martin Agüera / IMAGOMit dem souveränen 4:0 in Heidenheim beendete der FC Bayern ein Kalenderjahr, das längst nicht so turbulent verlief wie viele der meisten Jahre zuvor. Äußerst intensiv und mitunter auch unruhig war 2025 für den FC Bayern dennoch.
Wesentlich stabiler als zu Jahresbeginn
Das Erfreuliche aus Sicht des Klubs: Der Gesamtzustand ist zu Jahresende wesentlich stabiler als zu Jahresbeginn. Im Januar war der FC Bayern nach einem 0:3 bei Feyenoord Rotterdam in der Champions League in eine Sinnkrise gestürzt, Joshua Kimmich sprach der Mannschaft das Niveau und die Qualität eines europäischen Spitzenteams ab. In der Tabelle der Champions League stand man damals auf Rang 15 und quälte sich schließlich mühsam über die Playoffs ins Achtelfinale.
Aktuell grüßen die Bayern vom zweiten Platz des Klassements, anders als in der Vorsaison gelangen nun auch mal wieder Siege gegen Spitzenklubs des Kontinents, wie gegen Klub-Weltmeister FC Chelsea oder gar auswärts in Unterzahl bei Champions League-Titelverteidiger Paris St. Germain. Derzeit sind die Bayern also in der Tat wieder ein Top-Team in Europa.
Wirtz kein Thema mehr
Dazu gelang es den Klubverantwortlichen 2025, nach langen und teils zähen Verhandlungen Jamal Musiala und Joshua Kimmich mit neuen Verträgen langfristig an sich zu binden. Was nicht gelang, war die Verpflichtung von Florian Wirtz, der sich für den FC Liverpool entschied. Wirklich betrübt schien darüber in der zweiten Jahreshälfte aber kaum noch einer bei den Bayern, schließlich verhalf die Wirtz-Absage einem klubeigenen Nachwuchstalent, sich eindrucksvoll auf der Zehner-Position zu beweisen: dem 17-jährigen Lennart Karl.
Bayerns Toptalent Lennart Karl
Foto: Heiko Becker / REUTERSAuch klubintern hatte es, wie zu hören war, noch im Sommer Zweifel an der Bereitschaft von Vincent Kompany gegeben, jungen Spielern das Vertrauen zu schenken. Nach dem Abschied von Thomas Müller, Leroy Sané und Kingsley Coman, nach der Ausdünnung des Kaders gerade im Offensivbereich, blieb dem Trainer aber gar nichts mehr anderes übrig.
Stabil ist inzwischen die Position von Max Eberl, der im Sommer auch durch öffentliche Aussagen von Uli Hoeneß deutlich angezählt war, als der Ehrenpräsident etwa erklärte, dass der Max »ziemlich empfindlich« sei. Oder: »Was wir suchen, ist ein Team, das sehr gut zusammenpasst. Das haben wir bisher nicht gefunden.« Oder dass sich er und der frühere Klubvorstand Karl-Heinz Rummenigge erst dann zurückziehen würden, wenn »wir die richtigen Leute am richtigen Posten haben«.
Eberls Position ist gefestigt
Ein klarer Seitenhieb gegen Sportvorstand Eberl, der zu Saisonbeginn entsprechend dünnhäutig auftrat. Meist war er schmallippig im Krisenmanagement-Modus unterwegs und musste Fragen zu Vertragsverhandlungen, zur Zukunft seiner Person bei den Bayern oder zu weiteren Baustellen abmoderieren. Und wenn man ihn zu Ablösesummen von Wunschspielern im Visier der Bayern fragte, dann erwiderte er gerne als Gegenfrage: »Ist Nick Woltemade wirklich 80 Millionen wert?«
Inzwischen wirkt Max Eberl wesentlich gefestigter. Am Sonntag ging es nach Spielende darum, ob er nun aufgrund der Erfolge der vergangenen Monate persönliche Genugtuung empfinde. Eberl nannte es nicht ohne erkennbares Eigenlob eine Genugtuung, dass man die »richtige Mischung« gefunden habe und »die richtigen Spielertypen« – bevor er dann mit einer Aussage aufhorchen ließ.
Bayern-Vorstand Max Eberl
Foto: Frank Hoermann / Sven Simon / IMAGOAuf die Frage, wie es ihm persönlich gehe, auch bezogen auf die Störmanöver durch Uli Hoeneß, meinte Eberl zu den Journalisten lächelnd: »Das Tiefste würde ich ungern bei euch auskehren.« Aber allein das ließ ja bereits tief blicken.
Kompany hat die Kritiker überzeugt
Im Moment gilt Eberl jedenfalls als ein erfolgreicher Baumeister einer Mannschaft mit großen Ambitionen. Ein klares Zeichen war im Oktober die Vertragsverlängerung mit Vincent Kompany bis Sommer 2029, er soll die Bayern zu vielen Titeln führen und vor allem den Henkelpott der Champions League wieder an die Säbener Straße holen.
Bereits in drei Monaten, im März 2026, wird Kompany der dienstälteste Bayern-Trainer der vergangenen zehn Jahre sein. Dann hat er die 631 Tage von Julian Nagelsmann überboten, der sich seit dem Abschied von Pep Guardiola 2016 noch am längsten im Amt gehalten hatte.
Und es spricht viel dafür, dass die Bayern selbst dann an ihrem Trainer festhalten, wenn es im kommenden Frühjahr wieder nur einen Titel mit der Meisterschaft gibt und sie in Pokal und Champions League wie in jedem Jahr seit 2021 vorzeitig scheitern.
Stimmung leicht gedämpft
So wollen sie bei den Bayern inzwischen wieder langfristig denken, nicht wie bei früheren Trainerentlassungen, etwa als man Julian Nagelsmann feuerte, obwohl die Mannschaft noch gute Aussichten auf drei mögliche Titel hatte.
Jetzt arbeiten sie daran, Geduld zu lernen.
Doch bei alldem bleiben Fragen. Für einen kleinen Stimmungsdämpfer sorgte der Leistungsabfall in den letzten Wochen des Jahres, als die Leichtigkeit der ersten Saisonphase abhandenkam. Nach bislang nie dagewesenen 16 Siegen in den ersten 16 Pflichtspielen folgten – bis zum Sonntag in Heidenheim – in den weiteren acht Spielen »nur« fünf Erfolge. Und auch die waren zumeist hart erkämpft.
Einzige Bayern-Pleite der Saison beim FC Arsenal
Foto: Andy Rain / EPAStatt grazil über den Platz zu tänzeln war nun, wie Joshua Kimmich es nach dem mühsamen 3:2 im Pokal bei Union Berlin formulierte, »ackern und rammeln« die Devise. Und in der Champions League gab es ein ernüchterndes 1:3 beim FC Arsenal.
Was wird aus Musiala?
Sind sie nun also doch schon müde und überspielt? Rächt sich nun der dünne Kader? Können sie die überragende Frühform zu Saisonbeginn bis zum Frühjahr halten? Oder finden sie sie überhaupt wieder?
Und dann sind ja noch die Personalien: In welcher Verfassung findet Jamal Musiala zurück, wenn er mutmaßlich im Januar und damit mehr als ein halbes Jahr nach seinem Wadenbeinbruch bei der Klub-WM wieder auf dem Platz steht? Was ist mit Manuel Neuer, der am Sonntag in Heidenheim wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel ausfiel, der im März 40 wird und immer anfälliger scheint für Verletzungen?
Die T-Frage wabert
Am Sonntag stand wieder Jonas Urbig im Tor, und auch zu ihm gab es von Vincent Kompany noch eine bemerkenswerte Aussage. Der Trainer rühmte den 22-Jährigen für seinen »großen Charakter«, lobte ihn für seinen täglichen Einsatz im Training als »Kampfschwein« und sagte dann auch: »Wir waren überzeugt, dass er ein ganz starker Torwart wird, für Deutschland auch, nicht nur für uns.«
Bayern-Torwart Manuel Neuer
Foto: Filip Singer / EPAKlärte Kompany am Sonntagabend also schon die Frage zur künftigen Nummer 1 im Tor der Nationalmannschaft? Zumindest war es ein klarer Hinweis darauf, dass in der Frage, wer einst Manuel Neuer im Tor der Bayern beerben wird, die Indizien für Jonas Urbig sprechen – und nicht für den derzeit noch nach Stuttgart ausgeliehenen Alexander Nübel.
Aber ob der Platz im Münchner Tor schon 2026 frei wird, falls Manuel Neuer doch im kommenden Sommer die Karriere beenden sollte, das ist ebenso unklar wie etwa die Zukunft von Dayot Upamecano, dem derzeit stabilsten Innenverteidiger bei den Bayern. Hier gerieten die Verhandlungen zu einem neuen Vertrag über das Saisonende hinaus zuletzt ins Stocken.
So wird auch 2026 beim FC Bayern ein sehr interessantes und spannendes Jahr mit vielen Antworten auf bisher ungeklärte Fragen.
Am 3. Januar startet die Mannschaft nach einer zwölftägigen Winterpause dann mit wieder der Vorbereitung. Bis sich bei Vincent Kompany also etwa an den Weihnachtsfeiertagen das Gefühl eingestellt hat, es könnte Urlaub sein, ist der Urlaub dann auch bald schon wieder vorbei.

vor 1 Stunde
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