Kinder erzählen: »Das macht meine Familie besonders«

vor 2 Stunden 1

Julina, 13, Augsburg

Ich habe drei Geschwister. Zwei leibliche und eine Pflegeschwester, Alisha. Sie ist fünf Jahre alt. Als sie zu uns kam, war sie erst ein paar Monate alt. Meine Eltern wollten damals Kindern helfen, die nicht bei ihren eigentlichen Eltern leben können. Zum Beispiel, weil der Vater fortgegangen ist, die Mutter arbeiten muss und sich niemand um das Kind kümmern kann. Vor Alisha hatten wir schon zwei andere Pflegegeschwister. Deshalb wusste ich, wie das abläuft. Eins davon war nur eine Woche bei uns, das andere ein paar Monate. An dem Vormittag, als meine zweite Pflegeschwester wieder gehen musste, hätte ich schulfrei bekommen können, um mich zu verabschieden. Ich entschied mich dagegen. Ich hatte Angst, noch trauriger zu sein. Es ist zwar schön, wenn ein Kind zu seinen richtigen Eltern zurückgehen kann. Aber für uns als Pflegefamilie ist es traurig, weil plötzlich jemand fehlt.
Bevor Alisha zu uns kam, war ich aufgeregt und habe mich gefreut. Ich finde Babys toll – und Alisha war richtig süß. Nach einigen Monaten war es normal, dass Alisha zur Familie gehört. Sie hat ein bisschen dunklere Haut als wir. Aber Hautfarbe ist ja sowieso egal. Alisha trifft regelmäßig ihre leibliche Mutter und spielt mit ihr. Alishas Bruder lebt auch in einer Pflegefamilie. Einmal waren wir alle zusammen im Wildpark. Das war cool.

Lennox, 7, Hamburg

In meiner Familie sprechen wir vier verschiedene Sprachen: Deutsch, Polnisch, Französisch und Gebärdensprache. Meine Mutter kommt aus Polen, mein Vater aus Afrika. Beim Essen reden wir fast immer Deutsch. Das fühlt sich am meisten nach meiner Sprache an. Mein großer Bruder Nelson spricht besser Französisch als ich. Dafür kann ich besser Gebärdensprache. Meine Großeltern sind gehörlos. Wenn ich mich mit ihnen unterhalte, mache ich Zeichen mit meinen Händen und forme Wörter mit meinen Lippen, ohne Ton. Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Die Frage, ob man fernsehen darf, geht so: Man hebt die Hand wie zum High Five, legt den Daumen an die Nasenspitze und wackelt mit den anderen vier Fingern. Wenn ich allein bei meinen Großeltern bin und mir ein Wort fehlt, schreibe ich es auf oder male es. So verstehen sie trotzdem, was ich meine. Viele meiner Verwandten wohnen in Polen und in der Elfenbeinküste. Dorthin sind wir letztes Jahr gereist und ich habe meine Cousinen und Cousins kennengelernt. Mein erstes Mal in Afrika, das war aufregend. Mein Papa kocht oft Afrikanisch. Zum Beispiel Fufu, das ist ein Brei, den man mit den Händen isst. Noch lieber mag ich Piroggen, polnische Teigtaschen. Und Oranzada-Limonade aus Polen ist das beste Getränk auf der ganzen Welt. An Ostern feiert meine Familie immer Śmigus-dyngus. Das ist eine polnische Tradition. Man spritzt sich dabei gegenseitig nass, das macht Spaß. Eine Tradition aus Afrika ist das Fasten. Aber auf Süßigkeiten zu verzichten, finde ich blöd. Ich fände es leichter, Champignons zu fasten.

Im Römischen Reich waren Familien oft riesig. Schließlich umfasste der Begriff damals auch Dienerinnen und Sklaven. Über die Jahrhunderte hat sich das Konzept »Familie« immer wieder verändert. Was heute dahintersteckt und warum Kinder in Teilen Kanadas bis zu 16 Großeltern haben, steht in der neuen Ausgabe von DEIN SPIEGEL, dem Nachrichten-Magazin für Kinder. Außerdem im Heft: Was ist 2025 passiert? Der Jahresrückblick im Quiz. Und: wie Spürhund Clyde bedrohte Tierarten sucht. DEIN SPIEGEL gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online. Erwachsene können das Heft auch hier kaufen:

Bei meine-zeitschrift.de bestellen 

Bei Amazon bestellen 

Oskar, 11, Leipzig

Meine Eltern haben sich getrennt, als ich noch im Kindergarten war. Seitdem leben wir im Wechselmodell. Das heißt, ich wohne jede Woche abwechselnd bei meiner Mama und bei meinem Papa. Am Anfang hatte ich noch nicht ganz verstanden, was das bedeutet. Es war komisch, an zwei verschiedenen Orten zu wohnen. Aber inzwischen ist es ganz normal. Beide Wohnungen fühlen sich für mich nach Zuhause an. Ich habe dort jeweils mein eigenes Zimmer mit Schreibtisch, Klamotten und Spielzeug. Bei meiner Mama mag ich die Umgebung besonders gern. Der Stadtteil ist schön, wir sind schnell im Park oder am Kanal und es gibt viele Spielplätze in der Nähe. Dafür habe ich bei meinem Papa eine Playstation und kann zusammen mit einem Freund zur Schule gehen. Nur wenn ich nach einer Woche umziehe, kann das verwirrend sein. Manchmal bin ich in Gedanken noch bei meiner Mutter und sage aus Versehen »Mama« zu meinem Papa – ziemlich lustig. Oder ich bin beim Aufwachen erstaunt, wenn das Zimmer anders aussieht als im Traum. Ansonsten kann ich mich immer gut umgewöhnen. Seit ich in der neuen Schule bin, muss ich an viele Sachen denken: Habe ich den richtigen Schlüssel dabei, mein Tablet und alle Schulsachen, die ich in dieser Woche brauche? Ich habe oft das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Das nervt. Und manchmal fühlt es sich doof an, dass meine Eltern nicht mehr zusammen sind. Davon abgesehen ist so ein Wechselmodell cool, weil ich vieles doppelt habe: zwei Fahrräder und zwei Fußbälle zum Beispiel. Und ich kann immer abwechselnd viel Zeit mit meiner Mama oder meinem Papa verbringen, das ist toll.

Vivaan, 10, Herzogenaurach

Meine Eltern sind aus Indien, ich bin in Dubai geboren. Inzwischen wohnen wir seit neun Jahren in Deutschland. Der Rest meiner Familie lebt überall auf der Welt verstreut: meine Großeltern in Indien, meine Tante in den USA und mein Onkel in Kanada. Manchmal finde ich es schade, dass meine Verwandten so weit entfernt wohnen. Vor allem, wenn Freunde mir erzählen, dass sie mal eben zu Oma und Opa gefahren sind. Wenn wir meine Großeltern besuchen, müssen wir viele Stunden im Flugzeug sitzen. Wir besuchen trotzdem regelmäßig meine Verwandten in Indien. Meine Großeltern haben dort eine Farm. Wenn das Wetter gut ist, spiele ich mit meinem Cousin und meinen Cousinen Verstecken. Einmal haben wir auch meine Tante in Amerika besucht, aber ich war damals erst zwei Jahre alt und ich kann mich nicht mehr daran erinnern.
Ich bin trotzdem froh, dass wir in einer Kleinstadt in Deutschland wohnen. Hier sind die Wege oft kürzer als in Indien. Für den Schulweg brauche ich weniger als eine halbe Stunde. In meiner Familie sprechen wir abwechselnd Hindi, Deutsch und Englisch. Fernsehen läuft bei uns aber immer auf Englisch.

Foto:

Louise Jessen / DEIN SPIEGEL

Sie gibt Geborgenheit und geht einem manchmal doch ziemlich auf die Nerven: Familie. DEIN SPIEGEL und die Drogeriemarkt-Kette ROSSMANN suchen eure Familiengeschichten – als Comic. Weitere Infos und das Teilnahmeformular findest du hier.

Lina, 12, Würzburg

Ich habe eine Zwillingsschwester, Frieda (links auf dem Bild). Wir teilen fast alles: Hobbys, Geheimnisse und unser Zimmer. So fühle ich mich nie allein. Manchmal werden wir von Lehrern verwechselt. Das kann lustig sein, aber auch nervig. Einmal stand in meinem Zeugnistext ihr Name. Das fühlte sich blöd an; als wäre ich keine eigenständige Person. An Heiligabend spielen wir alle gemeinsam Mensch-ärgere-dich-nicht als Weihnachtsedition. Nach jedem Würfeln passiert etwas: Auf manchen Feldern darf man ein Geschenk auspacken, auf anderen singen wir ein Lied oder lesen die Weihnachtsgeschichte. Meine Verwandtschaft ist riesig. Insgesamt sind wir fast 100 Leute. Einmal im Jahr veranstalten wir ein großes Familientreffen. Dabei kommen alle zusammen: Tanten, Großonkel, Cousinen zweiten Grades. Einmal wurde ein Stammbaum ausgeteilt, eine DinA4-Seite voller Namen. Ich kenne nicht alle Erwachsenen und komme manchmal durcheinander. Auf der Rückfahrt besprechen wir immer, wer wie mit uns verwandt ist. Das klingt verrückt. Aber für mich ist es normal. Mit einer großen Familie ist immer was los, langweilig wird’s nie. Trotzdem gibt es keine größeren Streitereien bei uns. Das finde ich besonders.

Moritz, 13, aus Bonn

Ich bin der Jüngste von vier Kindern. Zu meiner Familie gehören mein Bruder, meine zwei Schwestern und unsere Katze. Meine älteren zwei Geschwister wohnen nicht mehr zu Hause, sie studieren bereits. Alle meine Geschwister haben unterschiedliche Hobbys. Meine Schwestern haben mir gezeigt, wie eine Nähmaschine funktioniert und wie ich schöner zeichnen kann. Mit meinem Bruder spiele ich am liebsten Videospiele. Zu meiner Familie gehört auch unsere Verwandtschaft an der Ostsee. In den Ferien besuche ich sie oft auf ihrem Bauernhof. Dort ist immer was los. Im Sommer bade ich mit meinen Cousins und meiner Cousine im Meer und esse danach Nudeln mit Bratwürstchen. Oft helfe ich auch auf dem Hof. Dort darf ich mit dem Rasenmähertraktor fahren oder mit auf den Mähdrescher. Auf dem Rückweg mache ich oft einen Zwischenstopp bei meinem Patenonkel in Hamburg. Manchmal essen wir gemeinsam ein Eis. Danach hilft er mir, in den richtigen Zug einzusteigen. Mir ist wichtig, viel mit meiner Familie zu unternehmen, gemeinsam zu einem Basketballspiel zu gehen oder Tennis zu spielen. Manchmal ist es nervig, wenn meine großen Geschwister meinen, alles besser zu wissen. Aber ich bin trotzdem froh, dass ich sie habe.

Foto: DEIN SPIEGEL

Liebe Eltern,

Kinder wollen die Welt verstehen. Sie interessieren sich für Natur, Menschen und Technik. Sie stellen Fragen. Und sie geben sich nicht mit den erstbesten Antworten zufrieden. Darum gibt der SPIEGEL für junge Leserinnen und Leser ab acht Jahren ein eigenes Nachrichtenmagazin heraus.

DEIN SPIEGEL erscheint jeden Monat neu und bietet spannende, verständlich geschriebene Geschichten aus aller Welt, Interviews und News aus Politik und Gesellschaft. Für noch mehr Spaß sorgen Comics, Rätsel und kreative Ideen zum Mitmachen.

Gesamten Artikel lesen