„Hass im Netz, digitale Gewalt, Hasskommentare, das macht etwas mit allen, die davon betroffen sind“, sagt Josephine Ballon, Geschäftsführerin der Organisation HateAid. Die Zahlen des Bundeskriminalamts bestätigen das Problem: Die bei der Polizei gemeldeten strafbaren Hassbeiträge haben sich zwischen 2021 und 2024 vervierfacht. Doch was ist rechtlich überhaupt strafbar und wie können sich Betroffene wehren? Im heise-Podcast "Bits & Böses" erklären Expertinnen und Experten, welche Werkzeuge es gegen digitale Gewalt gibt.
Die rechtliche Einordnung ist oft schwierig, erklärt Joerg Heidrich, Rechtsanwalt und Justiziar für heise medien. Es kollidieren zwei Grundrechte: die Meinungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht. Die Grenze sei dort überschritten, "wo es nicht mehr darum geht, sich mit einer Meinung, mit einer Tatsache auseinanderzusetzen, sondern wo es offensichtlich nur um die Schmähung von einer Person geht." Straftatbestände wie Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung oder Bedrohung seien klar, doch gerade bei politischen Auseinandersetzungen sei der Grat schmal. Bei vielen Äußerungen, von denen "in der Bevölkerung angenommen wird, das sei schon strafbar, ist meistens noch ordentlich Luft nach oben", so Heidrich.
Hilfe für Betroffene
Organisationen wie HateAid unterstützen Menschen, die von digitaler Gewalt betroffen sind. "Wir unterstützen Menschen dabei, dass sie trotz digitaler Gewalt, trotz Hass und Anfeindungen, denen sie tagtäglich im Netz ausgesetzt sind, sich nicht zurückziehen müssen", erklärt Geschäftsführerin Josephine Ballon. HateAid bietet psychosoziale Beratung, hilft bei der Sicherung persönlicher Daten und finanziert über ein Solidaritätsprinzip Prozesskosten. Oft geht es den Betroffenen nicht um eine Geldentschädigung, sondern darum, sich überhaupt wehren zu können. Ballon betont die kleinen Erfolge: "Das sind dann Erfolge, wo Menschen zunächst gar nicht daran geglaubt haben, dass überhaupt irgendwas passiert und dann vor Freude schon fast platzen, weil sie das erste Mal das Gefühl haben, dass sie tatsächlich sich wehren konnten."
Die Gesetzeslücke bei Deepfakes
Ein besonders gravierendes Problem stellen Deepfakes dar, vor allem KI-generierte Bilder oder Videos, die Menschen in herabwürdigender oder sexualisierter Weise zeigen. Hier sieht Jurist Joerg Heidrich eine gefährliche Gesetzeslücke. Der aktuelle Straftatbestand fordere das "Herstellen einer Bildaufnahme", ein KI-generiertes Bild falle aber nicht unter diese Definition. "Das heißt, wir brauchen hier vermutlich ein neues Gesetz." Ein erster Gesetzesentwurf aus Bayern sei jedoch untauglich gewesen, da er auch harmlose KI-Bilder wie den Papst auf einem Drachen unter Strafe gestellt hätte. Nötig sei eine Regelung, die gezielt die Erstellung von Inhalten verbietet, "um jemanden zu verletzen in sexualisierter Absicht".
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Was jede und jeder von uns tun kann
Um sich selbst zu schützen, rät Josephine Ballon, persönliche Informationen wie die Privatadresse im Netz abzuschirmen und sich vorab einen Plan zu machen, an wen man sich im Ernstfall wenden kann. Jutta Brennauer von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen empfiehlt, die Strategien von Hassrednern zu kennen, etwa Täter-Opfer-Umkehr oder Whataboutism. „Wenn ich die kenne, dann kann ich sie erkennen, benennen und damit auch für alle anderen, die mitlesen, kenntlich machen.“ Doch auch wer nicht direkt betroffen ist, kann helfen. Solidarität sei entscheidend, sagt Ballon. Das könne eine Privatnachricht sein oder ein einfaches Like für einen positiven Kommentar. „Wir sehen häufig bei Betroffenen, dass solche Solidarität auch von völlig Fremden als wahnsinnig hilfreich und unterstützend und aufbauend wahrgenommen wird.“
Dies ist die finale Folge der zweiten Staffel von "Bits & Böses". Alle Folgen des Podcasts können Sie hier anhören.
Opfer von digitaler Gewalt finden hier unter anderem hier weitere Informationen und Hilfe:
HateAid - Beratung und rechtliche Unterstützung
hatefree - juristische Unterstützung
Cybermobbing Hilfe - Beratung für Kinder und Jugendliche
klicksafe - Medienkompetenzangebote für Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte
Bündnis gegen Cybermobbing e.V.
Nummer gegen Kummer - anonyme Beratung für Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Bezugspersonen
(igr)