BGH: Kündigungsbutton ist auch bei automatischem Vertragsende nötig

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Seit Juli 2022 müssen Anbieter für dauerhafte Schuldverhältnisse einen Kündigungsbutton im Online-Bereich verfügbar machen. Doch es gibt immer wieder Streit über diese gesetzliche Pflicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Punkt nun für mehr Klarheit gesorgt: Er entschied mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 22. Mai (I ZR 161/24): Eine Kündigungsschaltfläche nach Paragraf 312k Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist auch dann notwendig, wenn der Verbraucher nur ein einmaliges Entgelt zu entrichten hat und der Vertrag automatisch endet.

In dem Fall klagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gegen den Versandhändler Otto.de. Dieser bietet auf seiner Webseite das Vorteilsprogramm "Otto Up Plus" gegen ein Jahresentgelt von 9,90 Euro an. Die Laufzeit dieses Pakets beträgt zwölf Monate und läuft dann automatisch aus. Der vzbv mahnte Otto.de zunächst ab, weil der Anbieter keinen Button für außerordentliche Kündigungen der Offerte bereitstellt. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hatte die Klage abgewiesen, da es der Ansicht war, dass es sich bei "Otto Up Plus" nicht um ein Dauerschuldverhältnis im Sinne von Paragraf 312k BGB handele und somit keine Pflicht zum Bereitstellen einer Kündigungsschaltfläche bestehe.

Der BGH hob das Urteil der niederen Instanz auf und gab der Revision des Klägers statt. Der I. Zivilsenat verurteilte die Beklagte, keine kostenpflichtigen Vorteilsprogramme mehr anzubieten, ohne Verbrauchern eine außerordentliche Kündigung über einen entsprechenden Button zu ermöglichen. Otto.de muss zudem 260 Euro nebst Zinsen an die Verbraucherschützer zahlen.

Mit ihrer Entscheidung legten die Karlsruher Richter den zentralen Begriff des Dauerschuldverhältnisses weit aus. Die wesentliche Eigenschaft einer solchen geschäftlichen Beziehung ist demnach, dass der Unternehmer dauerhaft oder wiederkehrend Leistungen erbringt und deren Gesamtumfang von der Vertragsdauer abhängt. Im vorliegenden Fall erbringe die Beklagte fortwährend Punktegutschriften und einen kostenlosen Versand während der Laufzeit, was die vertragstypische Hauptleistung darstelle. Das Vorteilspaket falle daher unter die einschlägige Norm.

Die OLG-Argumentation, dass eine einmalige Zahlung des Verbrauchers eine "Kostenfalle" ausschließe und daher keine Schutzbedürftigkeit vorliege, teilte der BGH nicht. Der Gesetzgeber habe hier nicht primär daran gedacht, dass Verbraucher den Umfang ihrer Zahlungspflicht nicht überblicken könnten. Vielmehr habe er sich daran gerieben, dass die Kündigung von auf einfache Weise geschlossenen Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr erschwert werde und sich deren Beendigung verzögere.

Auch bei einer Einmalzahlung zu Beginn des Vertrags kann der Kunde in eine "Kostenfalle" geraten, meint der Senat. Die geschuldete Vergütung hänge nämlich oft von der Dauer der Vertragslaufzeit ab. Zudem erhöhe eine erschwerte Kündigung den Betrag, den der Verbraucher dem Unternehmer schuldet. Eine Ausnahme von Paragraf 312k BGB für Verträge mit Einmalzahlung würde dem Schutzzweck der Norm zuwiderlaufen. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Beschränkung auf Dauerschuldverhältnisse berücksichtige, dass nur bei diesen die Rechtsfolgen einer Kündigung hinreichend absehbar seien.

Der IT-Rechtler Jens Ferner sieht in dem Urteil einen Weckruf für Anbieter digitaler Dienstmodelle oder Mitgliedschaften: "Wer dem Verbraucher einen bequemen Vertragsschluss bietet, muss auch eine gleichwertige Möglichkeit zur Vertragsbeendigung bereitstellen." Der Fokus des Verbraucherschutzes im digitalen Raum liege darauf, eine Kündigung strukturell zu erleichtern.

Künftig wird zusätzlich ein Widerrufsbutton Pflicht: Online geschlossene Verträge sollen ab Mitte 2026 darüber auch mit einem Klick widerrufen werden können. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am Mittwoch publiziert hat. Das Ressort will damit geänderte EU-Vorgaben zu Verbraucher- und Versicherungsverträgen umsetzen. "So einfach wie das Bestellen im Internet geht – so einfach soll auch das Widerrufen sein", betonte Justizministerin Stefanie Hubig (SPD). "Mit dem Widerrufsbutton stärken wir den Schutz vor Verträgen, die man eigentlich gar nicht will."

Laut dem Referentenentwurf, der zunächst das Bundeskabinett passieren muss, soll die Pflicht für eine solche Online-Schaltfläche in Bezug auf Waren, Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen gelten. Verträge über letztere werden sich dem Plan nach aber höchstens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen lassen können. Voraussetzung: Der Verbraucher ist über das Widerrufsrecht belehrt worden. Bei Lebensversicherungen soll eine Ausschlussfrist von 24 Monaten und 30 Tagen gelten. Bislang ist es möglich, dass entsprechende Verträge – trotz erfolgter Belehrung – ohne Befristung widerrufen werden können. Unternehmer sollen ferner die Vertragsbedingungen künftig nicht mehr in Papierform übermitteln müssen.

(dahe)

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