Segelunglück in Schweden Kann man jemanden zu Tode retten?
Zwei Freunde gehen segeln. Doch von der Regatta kehrt nur einer zurück. Jetzt muss ein Gericht klären, ob der 65-Jährige seinen Freund ertränkt hat. Oder ob alles nur ein »dramatisch gescheiterter Rettungsversuch« war.
09.07.2025, 18.17 Uhr

Segelboote in Südschweden
Foto: Jeannette Tas / Zoonar / picture allianceDas Berliner Landgericht beschäftigt derzeit ein Fall, der sich vor der Küste Schwedens ereignet hat: Zwei Freunde aus Berlin waren im vergangenen Sommer dort segeln, einer der beiden kam dabei ums Leben. Der 71-Jährige wurde von seinem 65-jährigen Mitsegler getötet, behauptet die Anklage. Es war ein Versehen, sagt der Angeklagte: »Es war nicht meine Absicht, ihn zu töten, ich wollte ihn retten«, erklärte er zu Prozessbeginn.
Die beiden Männer waren, so viel ist sicher, im August 2024 auf der Rückreise von einer Segelregatta, die in Norwegen stattgefunden hatte. Die Stimmung an Bord war laut dem Angeklagten gut, er und sein Freund seien schließlich begeisterte Segler (gewesen). Ob das stimmt? Schwierig zu sagen, der einzig andere Anwesende ist schließlich tot.
Im schwedischen Kattegat soll es dann jedoch zum Streit gekommen sein, Auslöser waren demnach Unstimmigkeiten über den Zustand des Segelbootes. Er habe seinen Freund auf Sicherheits- und Ausstattungsmängel aufmerksam gemacht, sagte der 65-Jährige. So hätten etwa Rettungswesten gefehlt.
»Plötzlich stand die Welt kopf«, sagte der Rentner vor Gericht. Der 71-Jährige habe ihm Vorwürfe gemacht, einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und ihm in den kleinen Finger gebissen, schilderte der 65-Jährige. Der Angriff seines Segelpartners sei ihm unerklärlich gewesen, er habe diesen abwehren wollen und seinem Freund schließlich mit einem Metallbügel auf den Kopf geschlagen.
»Ein dramatisch gescheiterter Rettungsversuch« oder versuchter Mord?
Im Gerangel soll der 71-Jährige versucht haben, ihn von Bord zu schieben, berichtete der Angeklagte weiter. Dabei sei der 71-Jährige jedoch selbst von Bord gegangen.
Er habe seinem Freund zurück an Bord geholfen. Doch dann sei der Freund erneut vom Schiff gerutscht. »Ich sprang ins Wasser«, so der Angeklagte. Er habe seinen Segelpartner jedoch nicht richtig zu fassen bekommen – »ein dramatisch gescheiterter Rettungsversuch«, erklärten die Verteidiger des 65-Jährigen.
Die Anklage sieht das anders: Ihr zufolge soll der 65-Jährige den 71-Jährigen nach wechselseitigen Handgreiflichkeiten gezielt ertränkt haben. Der Angeklagte näherte sich demnach schwimmend dem über Bord gegangenen Freund und drückte ihn, so die Ermittlungen, mit aller Kraft unter Wasser.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 65-Jährigen deshalb gefährliche Körperverletzung und heimtückischen Mord vor: Der Rentner habe den 71-Jährigen getötet, um Verletzungen, zu denen es zuvor bei der heftigen Auseinandersetzung an Bord gekommen sei, zu verdecken, hieß es in der Anklage. Er habe durch ein Strafverfahren »insbesondere Ächtung durch seine Ehefrau, von der er finanziell abhängig ist, befürchtet.«
Video der Küstenwache dokumentiert Geschehnisse auf offener See
Dem Angeklagten zufolge sei ein anderes Segelboot zum Zeitpunkt der Streitigkeiten in der Nähe gewesen. Dessen Crew habe aber nicht geholfen.
Die beiden Männer wurden schließlich von der Seenotrettung geborgen. Von dem Geschehen im offenen Meer gibt es Videoaufnahmen, die aus einem Flugzeug der schwedischen Küstenwache heraus gefertigt wurden. Es handele sich um ein Video von erstaunlicher Qualität, doch es zeige die Szenerie nur von oben »und nicht, was man schwimmend wahrnimmt und sehen kann«, erklärten die Verteidiger. Es sei auch nicht der Beginn des Geschehens dokumentiert, sodass der Kontext der Handlungen fehle.
Deshalb wird in Berlin verhandelt
Der Angeklagte wurde kurz nach dem Geschehen in Schweden festgenommen. Parallel wurde wegen der sogenannten Wohnortzuständigkeit ein Ermittlungsverfahren in Berlin eingeleitet. Deshalb findet der Prozess auch in Berlin statt.
Der Rentner befindet sich seit November vergangenen Jahres in der Justizvollzugsanstalt Moabit. Der nächste Verhandlungstag ist für den 11. Juli angesetzt. Ein Urteil könnte Anfang Oktober fallen.