
Ausgewählt: Talent Essengue mit NBA-Boss Silver
Foto: Timothy A. Clary / AFPDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Es war Noa Essengue nicht anzusehen, was ihm durch den Kopf ging. Der 18-Jährige trägt seine Gefühle selten nach außen, er wirkte beinahe ein wenig teilnahmslos, als er im Barclays Center von Brooklyn auf die Bühne schritt und die Hand von NBA-Boss Adam Silver schüttelte.
Man darf aber annehmen, dass er tatsächlich »aufgeregt« war und sich freute, wie er es hinterher sagte.
Denn dem Franzosen gelang in der Nacht auf Donnerstag nicht weniger als der vorläufige Höhepunkt einer noch jungen, aber bereits sehr vielversprechenden Karriere: Er bekommt einen Platz in der NBA.
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Beim Draft, der jährlichen Talentbörse, entschieden sich die Chicago Bulls an zwölfter Stelle für den Flügelspieler. Michael Jordan führte das legendäre Team in den Neunzigerjahren zu sechs Titeln, seitdem geht wenig, jedes Talent wird umso genauer unter die Lupe genommen. Nun also soll Essengue dazu beitragen, dass es mit den Bulls wieder in Richtung NBA-Spitze geht.
Wobei Essengue nicht helfen kann: Dass sein jetziges Team einen Titel gewinnt. Denn noch steht Essengue bei rathiopharm Ulm unter Vertrag.
Und eben jene Ulmer streiten sich im Finale der Deutschen Basketballliga gerade mit dem großen FC Bayern um den Meistertitel.
Die Finalserie könnte kaum spannender sein, nach vier Spielen steht es 2:2, die Entscheidung fällt am Donnerstagabend im entscheidenden Duell (20 Uhr/ Stream: Dyn).
Die Reise zum Draft ist logisch
Ohne Essengue, der auch schon das vierte Spiel verpasst hatte, um sich von Ulm aus auf den Weg nach Brooklyn zu machen. Sein Team verlor nach einer schwachen zweiten Hälfte.
Nun ist der Ärger groß, Ulm schimpft auf die Bayern und auf die Liga, es fallen Worte wie »Bullshit«. Ein sportlich spannendes Duell bekommt eine zweite Ebene.
Wobei erst mal festgehalten werden muss, dass niemand in Ulm sauer auf Essengue ist.
Dass der 18-Jährige zum NBA-Draft reist, ist nur logisch, das machte auch Isaiah Hartenstein klar, seit neustem NBA-Champion und schon länger Miteigentümer des Ulmer Basketballklubs. »Wir unterstützen Noa absolut dabei, zum Draft zu gehen!! Es ist ein besonderer Moment, den man nie wieder zurückbekommt. Und unser Hauptziel als Organisation ist es, diesen jungen Spielern zu helfen, den Sprung in die NBA zu schaffen«, schrieb Hartenstein in einem Kommentar auf Instagram .
Hierzulande kann man sich kaum vorstellen, wie heilig den US-amerikanischen Basketballfans die Nacht des Drafts ist. Millionen Zuschauer hocken vor den Fernsehern, im Internet diskutieren Fans wochen- und monatelang angeregt, welches Talent denn das richtige für das eigene Team sei. Eine gute Entscheidung im Draft kann eine Franchise retten – eine schlechte in der Erfolgslosigkeit gefangen halten.
Wenn die jungen Basketballer im gleißenden Licht des Barclays Center in Brooklyn vorgeführt werden, gleicht das einer Prozession.
Klar, dass Essengue sich das nicht entgehen lassen will. Er galt als Toptalent, seit Jahren eigentlich.
Im vergangenen Oktober testete Ulm gegen das NBA-Team der Portland Trail Blazers. Und weil die Amerikaner selten Basketball-Bundesliga schauen, fiel vielen da erst auf, was für ein Juwel da eigentlich herumläuft; dem Franzosen gelangen 20 Punkte und acht Rebounds.
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Und weil er sich auch bei Ulm immer weiter steigerte, war schnell klar: Irgendein Team wird sich den Flügelspieler schnappen.
Ebenso klar: Es ergibt absolut Sinn für Essengue, da vor Ort zu sein.
In der NBA geht es für junge Talente auch immer darum, zu einer Marke zu werden. Sponsorendeals an Land zu ziehen, sich den Fans zu präsentieren. Und natürlich will ein Talent in den Austausch gehen mit den Verantwortlichen des neuen Teams.
Das alles gelingt vor Ort viel besser.
Deswegen war den Ulmern klar, dass Essengue wohl die Reise in die USA antreten wird während der Finalserie. Und für Ulm hätte es sogar noch schlimmer kommen können, weil auch Aufbauspieler Ben Saraf als heißes Talent für die NBA gehandelt wurde.
Zwei Spieler aus einem Team in die NBA
Er galt nicht als absoluter Top-Pick wie Essengue, aber dass sich ein Team die Dienste des Israelis sichern wird, schien klar. Und so kam es auch: An Position 26 schlugen die Brooklyn Nets zu, auch Saraf kriegt also eine NBA-Chance.
Kein Team in Deutschland findet Talente derzeit so gut wie Ulm, und keines fördert sie so zielgerichtet und sinnvoll. Dass zwei Spieler aus einem Bundesligaklub den Sprung in die NBA schaffen, ist eine absolute Anomalie.

Talent Saraf (r.) während des zweiten Spiels der Finalserie
Foto: Harry Langer / DeFodi Images / IMAGOSaraf aber verzichtete auf den Trip in die USA und verfolgte die Erfüllung seines Traums von Ulm aus. Warum ist nicht ganz klar, womöglich fürchtete er, doch nicht gewählt zu werden, womöglich aber will er einfach seinem Team beim Erringen der Meisterschaft helfen.
Auf jeden Fall hätten die Ulmer die Finalserie rund um den NBA-Draft gern ausgesetzt. Sie besprachen das mit dem FC Bayern, der aber schüttelte den Kopf.
Ulm meldete sich auch bei der Basketballliga BBL, die verwies auf den FC Bayern. Wenn der nicht wolle, sei man machtlos. Außerdem sei auch die Verfügbarkeit der Hallen ein Problem, wenn man Spiele verschiebe.
»Wir alle wissen, dass das nur vorgeschoben ist. Sollen die Münchner doch sagen, wir haben bisschen Respekt vor den Ulmern.«
Ulms Sportdirektor Thorsten Leibenath im Bayerischen Rundfunk
In der Folge hielt man bei Ulm den Ärger nicht mehr zurück. Durch das Handeln der Bayern und der Liga würden »nicht nur zwei Ulmer Toptalente zwischen ihren Träumen aufgerieben und der sportliche Wert der Finalserie zur Disposition gestellt, dazu wird aus unserer Sicht ein fatales Zeichen nach außen gesetzt«, schrieb der Klub vor dem Finale, als noch im Raum stand, dass auch Saraf in die USA reist.
Ulms Sportdirektor Thorsten Leibenath sagte dem Bayerischen Rundfunk : »Die BBL hat jede Möglichkeit, diese Spiele so zu legen, dass die besten Spieler auf dem Feld sein werden oder so anzusetzen. Diese Chance hat die Liga vertan. Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Das lenkt ab und das ist auch schade.«
Besonders sauer ist er auf den FC Bayern. Das Argument mit der Hallenbelegung nannte er »Bullshit« und sagte: »Wir alle wissen, dass das nur vorgeschoben ist. Sollen die Münchner doch sagen, wir haben bisschen Respekt vor den Ulmern, wir spielen lieber gegen die, wenn Saraf und Essengue nicht dabei sind.«
Die Bayern äußerten sich während der Finalserie nicht zur Terminposse. Fest steht nur, dass Ulm bereits im April einen Verlegungsantrag eingereicht hatte, den aber die Mehrheit der Teams ablehnte.
Nun findet das fünfte Spiel ohne Neu-NBA-Star Essengue statt, dazu noch in München, die Aufgabe für Ulm könnte kaum größer sein.
Das Gute aus dieser Posse: Die Liga ließ durchblicken, dass man solche Terminkollisionen in Zukunft schon im Vorhinein verhindern möchte. Wenn also wieder mal ein Team zwei künftige NBA-Stars in seinen Reihen hat, kann es aufatmen.