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Die Ausgangslage: Die beiden erfolgreichsten Spielerinnen der vergangenen zehn Jahre trafen aufeinander, die dreifache Grand-Slam-Turniergewinnerin Aryna Sabalenka (zweimal in Australien, einmal US Open) gegen die fünfmalige Siegerin Iga Świątek (viermal davon in Paris, zuletzt dreimal in Folge und einmal in New York). Das einzige Duell der beiden bei einem Grand-Slam-Turnier hatte die Polin 2022 im Halbfinale der US Open gewonnen. Sabalenka ist wahrscheinlich die Spielerin mit der größten Power auf der Profitour, Świątek ist vielseitiger, bewegt sich besser (vor allem auf Sand) und kann trotzdem bei kraftvollen Ballwechseln mithalten. Beste Voraussetzungen für ein großes Match.
Das Ergebnis: 7:6 (7:1), 4:6, 6:0 gewann Sabalenka gegen Świątek und zog damit ins Finale der French Open ein.
Das sagt Sabalenka: »Hier gegen Iga zu gewinnen, ist unglaublich. Seit ich klein bin, hieß es, dass ich auf Sand nicht gut spiele. Deswegen bin ich besonders froh. Hier meinen ersten Grand-Slam-Titel auf einem anderen Belag als Hartplatz zu gewinnen, wäre das Größte für mich.«
Das sagt Świątek: »Sie hat superschnell und mit viel Risiko gespielt. Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich darauf einzustellen. Dann ist mir das gut gelungen, aber im dritten Satz konnte ich nicht mehr dagegenhalten.«
Neue Dominanz: Sieg bei den US Open, Finalniederlage bei den Australian Open, nun wieder im Endspiel – an Sabalenka führt auf dem Weg zu den großen Titeln derzeit kein Weg vorbei. Drei Finalteilnahmen bei Grand-Slam-Turnieren in Folge gelangen zuletzt 2016 Serena Williams.
Der Fluch hält an: 26 Spiele war Świątek, die während des Turniers ihren 24. Geburtstag feierte, in Paris ungeschlagen. Viermal in Folge konnte noch keine Frau die French Open gewinnen (Rafael Nadal schaffte den Vierer gleich dreimal, Björn Borg ebenfalls einmal). Die US-Amerikanerin Chris Evert triumphierte siebenmal, aber nie mehr als zweimal hintereinander, Monica Seles, geboren im damaligen Jugoslawien und inzwischen US-Amerikanerin, gewann 1990 bis 1992, wurde aber wenige Wochen vor dem Turnier 1993 am Hamburger Rothenbaum Opfer eines Attentats, von dem sie sich lange nicht erholte. Die Belgierin Justine Henin-Hardenne pausierte nach drei Siegen 2005, 2006 und 2007 im Mai 2008 wegen Erschöpfung. Es scheint, als sollte der Vierer-Triumph so schnell nicht erreicht werden.
Abwechselnd Spitze: Seit mehr als drei Jahren, seit April 2022, wechseln sich die beiden an der Spitze der Weltrangliste ab. 125 Wochen stand Świątek an erster Stelle, Sabalenka 41 Wochen – allerdings ist sie seit Oktober ununterbrochen die aktuelle Nummer eins. Świątek ist derzeit Fünfte, hat eine schwierige Phase ihrer Karriere hinter sich und schien sich in ihrer Komfortzone Paris gerade etwas freizuspielen.
Der erste Satz: Sabalenka stürmte davon, 3:0 führte sie, bei 4:1 war sie nur einen Punkt vom 5:1 entfernt. Unspielbar schien die Belarussin zu sein – selbst für Sandplatzkönigin Świątek. Dann fing sich die Polin und schaffte es, die Ballwechsel länger zu gestalten. Fast immer wenn ihr das gelang, machte sie am Ende den Punkt (10:4). Sabalenka spürte, dass sie nicht mehr alles unter Kontrolle hatte, beim Stand von 4:4 forderte sie das Publikum auf, mehr anzufeuern. Doch den nächsten Punkt machte Świątek und holte anschließend das Spiel zum 5:4. Am Ende musste der Tiebreak im ersten Satz die Entscheidung bringen. Der ging klar 7:1 an Sabalenka.

Kein vierter Triumph in Folge: Iga Świątek
Foto: Teresa Suarez / EPADer zweite Satz: Auch im zweiten Durchgang setzte sich ein Muster fort, das schon im ersten Satz auffällig gewesen war: Beide Spielerinnen taten sich enorm schwer, ihre Aufschlagspiele zu gewinnen. Mit dem neunten Break (!) im 15. Spiel ging Świątek dann 2:1 in Führung und brachte anschließend ihren Service durch. Insgesamt vermied die Titelverteidigerin nun besser einfache Fehler, schlug besser auf, öffnete das Spielfeld besser. Sabalenka blieb gefährlich, konnte den Rückstand aber nicht mehr aufholen – Satz zwei ging 6:4 an Świątek.
Vintage Świątek: Als die Polin 2020 zum ersten Mal in Paris triumphierte, stellte sie ihre Konkurrentinnen mit ihrem Spiel vor ein Rätsel. Wo die meisten Spielerinnen auf Grundlinientennis setzten, variierte Świątek zwischen enormen Topspins, Slice und immer wieder überraschenden Stopps. Im Laufe der Jahre wurde ihr Spiel etwas konventioneller, doch gegen Sabalenka erinnerte Świątek im zweiten Satz immer wieder an die 19-jährige Überraschung von damals, spielte Stopps, rückte ans Netz vor, nahm mit ihrem Slice gezielt das Tempo aus Ballwechseln. Ein Hauch von 2020.

Sabalenka bejubelt ihren Sieg: Im Eiltempo durch den dritten Satz
Foto: Mohammed Badra / EPADer dritte Satz: Doch es blieb bei dem Hauch. Der dritte Satz gehörte einzig Sabalenka. Als habe sie einen Schalter umgelegt, brachte die 27-Jährige nun ihre volle Power auf den Platz. Sie dominierte nun mit ihrem Aufschlag, den sie mehrmals mit rund 190 Kilometern pro Stunde schlug, vor allem aber schaffte sie es, Świątek bei deren Aufschlag sofort mit harten, langen Returns unter Druck zu setzen und entweder direkt zu punkten oder zu Fehlern zu zwingen. Nur sechs Punkte konnte Świątek im letzten Durchgang noch gewinnen.
Bagel für die Bäckerin: Świątek hat sich auf der Tour den Spitznamen »Bäckerin« verdient, weil sie ihre Gegnerinnen in ihren Glanzzeiten regelmäßig ein oder kein Spiel pro Satz gewinnen lässt. Im Tennis nennt man einen 6:0-Satz wegen der runden Null auch einen »Bagel«. Einen 6:1-Satz einen »Breadstick«. Gegen Sabalenka wurde die Bäckerin nun selbst bedient: Nach 22 Minuten ging der dritte Satz 6:0 an Sabalenka.