Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen gerät die Bundesagentur für Arbeit finanziell immer stärker unter Druck. Entsprechend groß ist der Wunsch, Möglichkeiten zu finden, mit denen sich Geld sparen lässt. Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) weist jetzt auf eine Möglichkeit hin, die gleich eine Reduzierung um zwei Milliarden Euro pro Jahr verspricht: dann nämlich, wenn die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds zulasten der über Fünfzigjährigen vereinheitlicht würde.
Beschäftigte bis zum Alter von 49 Jahren erhalten, wenn sie arbeitslos werden, maximal zwölf Monate lang Arbeitslosengeld. Es entspricht, überschlägig gerechnet, etwa 60 Prozent des letzten Nettoverdienstes, bei Arbeitslosen mit Kindern sind es ein paar Prozent mehr.
Beitragssenkung um 0,16 Prozentpunkte möglich
Mit steigendem Alter jedoch steigt die Bezugsdauer: Ab 50 Jahren haben Betroffene Anspruch auf 15 Monate, ab 55 Jahren auf 18 Monate und ab 58 Jahren dann auf 24 Monate Arbeitslosengeld. Erst danach rutschen sie im Ernstfall ins niedrigere Bürgergeld.
Der IW-Studie zufolge erhielten im vergangenen Jahr knapp 85.000 Arbeitslose länger als zwölf Monate Arbeitslosengeld. Würde man aber den Anspruch für alle Arbeitnehmer, gleich welchen Alters, auf zwölf Monate begrenzen, dann ließen sich rund zwei Milliarden Euro einsparen. Umgerechnet auf den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung (derzeit 2,6 Prozent) würde das eine Reduzierung um 0,16 Prozentpunkte bedeuten.
Im Entwurf für den Bundeshaushalt ist für dieses Jahr bereits ein Darlehen in Höhe von knapp 2,4 Milliarden Euro eingeplant, um die absehbaren Defizite der Bundesagentur auszugleichen. Auch 2026 wird die Behörde nach Einschätzung der Vorstandsvorsitzenden Andrea Nahles noch eine Liquiditätshilfe des Bundes benötigen.
Brücke in den Vorruhestand
Die Studienautoren Holger Schäfer und Stefanie Seele halten eine Vereinheitlichung für sinnvoll – nicht nur wegen der Einspareffekte. Denn wer länger Arbeitslosengeld beziehe, lasse sich bei der Arbeitssuche meist auch mehr Zeit. Entsprechend verlängere sich die Dauer der Arbeitslosigkeit.
Außerdem dehne eine längere Bezugsdauer in Kombination mit beispielsweise einer Abfindung und einer Übergangsphase in einer Transfergesellschaft die Absicherung nach dem Jobverlust so weit aus, dass quasi eine Brücke in den Vorruhestand entstehe, heißt es in der Studie. Angesichts des Fachkräftemangels in vielen Bereichen sei dies aber eigentlich nicht zielführend.
Eine einheitliche Bezugsdauer sei auch gerecht, denn wer langjährig versichert gewesen sei, habe auch dementsprechend lange den sozialen Schutz der Arbeitslosenversicherung genießen können, auch wenn der Leistungsfall nicht eingetreten sei. »Die Arbeitslosenversicherung deckt wie eine Krankenversicherung ein laufendes Risiko ab, sie ist kein Sparvertrag«, schreiben Schäfer und Seele.
Die SPD lehnt eine Vereinheitlichung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds trotzdem ab: »Wer lange gearbeitet und eingezahlt hat, hat sich im Fall der Arbeitslosigkeit eine besonders verlässliche Absicherung verdient«, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt dem »Handelsblatt«. Gerade Menschen über 50 hätten es nach einem Jobverlust deutlich schwerer, eine neue Stelle zu finden. Die verlängerte Bezugsdauer sei deshalb nicht nur sozial gerecht, sondern auch arbeitsmarktpolitisch vernünftig.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte jüngst bei »plötzlicher Arbeitslosigkeit« eine Anhebung des Arbeitslosengelds ins Spiel gebracht, ohne den Vorschlag aber näher auszuführen.
Sympathie für eine Vereinheitlichung der Bezugsdauer lässt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erkennen: Lange Arbeitslosigkeit helfe niemandem, und deshalb brauche es Anreize, sie schnell zu überwinden, sagte Dulger ebenfalls dem »Handelsblatt«. »Ältere Menschen werden mit ihrer Erfahrung und Kreativität am Arbeitsmarkt gebraucht.«