
Präsident Selenskyj (am 6. August während eines Frontbesuchs in der Region Sumy): »Wir werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall verteidigen«
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US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin wollen sich am Freitag in Alaska treffen, um über den seit fast dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beraten. Befürchtet wird, dass die beiden für die Ukraine nachteilige Vereinbarungen treffen könnten. So hat Trump einen möglichen »Gebietstausch« zwischen Russland und der Ukraine ins Spiel gebracht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ausgeschlossen, Gebiete an Russland abzutreten. Das bekräftigte er am Sonntag noch einmal mit Nachdruck.
»Wir werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall verteidigen«, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache . Und alles, was die Ukraine betreffe, müsse unter Beteiligung der Ukraine entschieden werden.
In dem Treffen von Trump und Putin sieht Selenskyj eigenen Angaben zufolge einen neuen Täuschungsversuch Moskaus. »Wir verstehen die Absicht der Russen, Amerika zu täuschen – das werden wir nicht zulassen«, sagte Selenskyj. Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen »und alle zu manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt«.
US-Vertreter: Einladung an Selenskyj nach Alaska noch möglich
US-Nato-Botschafter Matthew Whitaker erklärte auf die Frage, ob Trump glaube, dass er dem russischen Präsidenten trauen könne, es gehe nicht um Worte, sondern um Taten. »In jeder Situation, in der nationale Interessen aufeinanderprallen – sei es zwischen den Vereinigten Staaten, der Ukraine, Russland oder einem unserer Verbündeten – kann man jemanden nicht einfach beim Wort nehmen«, sagte Whitaker beim Sender CNN . Für einen Frieden müssten beide Seiten – sowohl Russland als auch die Ukraine – handeln und diesen Frieden dann auch einhalten. In anderen Konflikten seien zum Erreichen einer Einigung schon strategische Gebiete getauscht worden.
Whitaker erklärte außerdem, dass eine Einladung Selenskyjs zum amerikanisch-russischen Spitzentreffen in Alaska nicht ausgeschlossen sei. »Ich halte es durchaus für möglich«, sagte er. Die Entscheidung werde von Trump getroffen. Und: »Wenn er der Meinung ist, dass dies der beste Zeitpunkt ist, um Selenskyj einzuladen, dann wird er das tun.« Bislang sei dazu noch keine endgültige Entscheidung gefallen und es bleibe noch Zeit.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland mahnte derweil, bei der Suche nach einer Friedenslösung die Aufmerksamkeit nicht allein auf territoriale Fragen zu richten. »Wir müssen verstehen, es geht nicht um Gebiete, es geht auch um Menschen«, sagte Oleksij Makejew im ZDF-»heute journal«. Dort wurde er auf die Debatte angesprochen, ob die Ukraine für einen Friedensschluss Teile ihres Staatsgebiets aufgeben sollte.
Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer lebten heute unter russischer Besatzung, sagte Makejew weiter. Da seien Hunderttausende Kinder, die zu russischen umerzogen würden. Auch welche Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten passierten, »können wir uns kaum vorstellen, weil wir kaum Zugänge haben«. Deswegen könnten es sich die Ukraine und Europa nicht leisten, dies Putin zu überlassen.
Viele der kriegsmüden Menschen in der Ukraine hätten auch Verwandte in den besetzten Gebieten. Auch deswegen sei es nicht so einfach, Gebiete abzutreten, sagte Makejew. (Mehr über die russische Besatzung in der Ukraine erfahren Sie hier .)
Moskau forderte zuletzt für eine friedliche Lösung des Konflikts unter anderem einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt sowie die Abtretung der von Russland annektierten Gebiete. Selenskyj lehnt den Verzicht auf die von Russland schon 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim sowie auf die teils von Moskau kontrollierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson bisher unter Verweis auf die Verfassung kategorisch ab.
Rutte: Gespräche über ukrainische Gebiete wohl unvermeidbar
Nach Ansicht von Nato-Generalsekretär Mark Rutte wird es sich bei künftigen Verhandlungen über eine Friedenslösung im Ukrainekrieg aber kaum vermeiden lassen, auch über die Zukunft der von Russland kontrollierten ukrainischen Gebiete zu sprechen. »Wir müssen im Moment zur Kenntnis nehmen, dass Russland einen Teil des ukrainischen Territoriums kontrolliert«, sagte Rutte dem US-Sender ABC News . Nach einer Waffenruhe werde sich die Frage stellen, wie es in territorialen Fragen und mit Blick auf mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine weitergehe. Zugleich betonte der Nato-Chef, die Ukraine sei ein souveräner Staat, der seine geopolitische Zukunft selbst bestimme.
In territorialen Fragen sei es wichtig, zwischen einer »de facto« und einer »de jure« Anerkennung zu unterscheiden, sagte Rutte. Eine mögliche Einigung könne etwa festhalten, dass Russland faktisch bestimmte Gebiete kontrolliere, ohne dass diese Kontrolle rechtlich akzeptiert würde. Als Beispiel verwies er auf die jahrzehntelange Haltung des Westens zur sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten.

Rutte und Trump Mitte Juli im Oval Office
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Rutte lobte auch Trumps Bemühungen bei der Suche nach einer Friedenslösung. Er sprach von einem Test, wie ernst es Putin mit einem Ende des Kriegs sei. Das Treffen zwischen Trump und Putin könne ein wichtiger Schritt hin zu umfassenden Verhandlungen sein, sagte Rutte.
Am Montag wollen die EU-Außenminister bei einer Videokonferenz über ihre nächsten Schritte beraten. »Europas Kerninteressen stehen auf dem Spiel«, teilte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor der Sondersitzung mit. Sie betonte, dass jede Vereinbarung zwischen den USA und Russland die Ukraine und die EU einschließen müsse, »denn es geht um die Sicherheit der Ukraine und ganz Europas«.
Vance: USA werden Ukrainekrieg nicht mehr finanzieren
US-Vizepräsident JD Vance bekräftigte unterdessen, dass sich die Vereinigten Staaten finanziell aus der Unterstützung der Ukraine zurückziehen wollen. Trump und er seien der Auffassung, »dass die USA mit der Finanzierung des Ukraine-Kriegsgeschäfts durch sind«, sagte Vance dem Sender Fox News in einem Interview. Das Gespräch wurde schon vor ein paar Tagen aufgezeichnet, aber erst am Sonntag vollständig ausgestrahlt. Man wolle eine friedliche Lösung finden und das Töten beenden, sagte Vance. Die Amerikaner seien es leid, weiter ihre Steuergelder für diesen konkreten Konflikt auszugeben.