Gleiche Chancen bei Altersvorsorge Kapital für Kinder – eine gute Idee?
In den USA will Tech-Milliardär Dell Kindern aus strukturschwachen Regionen jeweils 250 Euro schenken. Der Forscher Marius Busemeyer sagt, was er von dem Modell hält und ob es auch für Deutschland taugt.
04.12.2025, 11.49 Uhr
Kind mit Geld: Trägt der Vorstoß von US-Miiliardär Dell, Kindern ein Startkapital zu schenken?
Foto: Vladimir Godnik / plainpictureDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Das US-Milliardärspaar Dell hat angekündigt, 25 Millionen Kindern jeweils 250 US-Dollar auf Sparkonten zu schenken. Sie sagen insgesamt 6,25 Milliarden US-Dollar zu, die als Kapitalgrundstock in sogenannte Trump-Accounts fließen sollen. Die Anlagekonten für Neugeborene sollen im kommenden Jahr eingerichtet werden, viele Details sind allerdings noch unklar . Der republikanische Senator Ted Cruz schwärmt jedoch bereits: »Das wird jedes neue Kind zu einem Kapitalisten machen«.
In Deutschland gibt es ebenfalls Ideen, Kinder mit einem Aktiendepot auszustatten. Aktuell ist die Frühstartrente ein Teil der Rentenpläne der Regierung . Jedes Kind zwischen sechs und 18 Jahren soll monatlich zehn Euro auf ein Altersvorsorgekonto erhalten, hieß es in einer Einigung der Fraktionen.
SPIEGEL: Kapital für Kinder, ist das eine gute Idee, Herr Busemeyer?
Busemeyer: Die Idee ist jedenfalls nicht neu, auch in Deutschland wurden schon vor etwa zehn Jahren ähnliche Konzepte diskutiert wie der »Startguthaben«-Vorschlag der damaligen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles.
SPIEGEL: Die Dell-Spende soll nur in Regionen fließen, in denen das Medianeinkommen unter 150.000 US-Dollar pro Jahr und Haushalt liegt, das klingt nach Umverteilung. Setzt die Trump-Regierung also etwas um, was die Mitte-Links-Politiker in Deutschland schon lange fordern, um die zunehmende ökonomische Ungleichheit abzumildern?
Busemeyer: Es soll offenbar den Anschein vermitteln, dass das Instrument sehr effektiv Ungleichheit bekämpft. Nur: Besonders in den USA gibt es große strukturelle Ungleichheiten, die durch dieses Instrument wahrscheinlich nicht gelöst werden können, wie beispielsweise Ungleichheiten im Zugang zu Bildung durch steigende Studiengebühren oder die immer noch große Lücken in der Krankenversicherung.
SPIEGEL: Ein Startkapital ist also keine Maßnahme, die Ungleichheit reduziert?
Busemeyer: Es ist zumindest nicht die effektivste Maßnahme. Es ist keine schlechte Maßnahme, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber der Blick in die USA macht es im Grunde deutlich: Wer wirklich Ungleichheit bekämpfen will, muss zuerst in die öffentliche Infrastruktur und den Sozialstaat investieren.
SPIEGEL: Und in Deutschland?
Busemeyer: Gegen Ungleichheit gibt es auch hier viel effektivere Mittel.
SPIEGEL: Zum Beispiel?
Busemeyer: Auch hier gibt es erheblichen Nachholbedarf im Hinblick auf öffentliche und soziale Investitionen für die Breite der Gesellschaft wie zum Beispiel Investitionen in frühkindliche Bildung, Pflege oder lebenslanges Lernen. Und man könnte natürlich auch auf der staatlichen Einnahmeseite direkt an der Besteuerung von hohen Vermögen oder Erbschaften ansetzen. Vielleicht sollte man auch nochmal darauf hinweisen, dass in Deutschland die Idee eines Kapitalstocks für Kinder oder junge Erwachsene häufig als Gegenmodell zu radikaleren Vorschlägen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen diskutiert wurde.
»Gegen Ungleichheit gibt es effektivere Mittel«
SPIEGEL: Auch die CDU hat vor wenigen Jahren mal 10.000 Euro Startkapital für Kinder gefordert. Woran ist es bisher gescheitert in Deutschland?
Busemeyer: Kurzfristig ist die entscheidende Frage, wo das Geld herkommt. Die Dell-Spende kommt ja von privater Seite und löst dieses kurzfristige Problem daher, ist aber auch in der Höhe sehr ungewöhnlich.
SPIEGEL: Dennoch ist es zumindest ein Signal, dass sich Unternehmer mit derartigen Summen für die Gesellschaft engagieren. Wer käme dafür eigentlich in Deutschland infrage und für wie realistisch hielten Sie das?
Busemeyer: Wir haben in Deutschland durchaus auch eine Reihe von sehr wohlhabenden Unternehmern, die teilweise auch bereit sind, sich gesellschaftlich zu engagieren. Ein Beispiel ist etwa das finanzielle Engagement des Lidl-Chefs Dieter Schwarz, dessen Stiftung den Bildungscampus Heilbronn finanziert. Aber dennoch denke ich, dass etwas Ähnliches wie die Dell-Spende in Deutschland eher unrealistisch wäre.
SPIEGEL: Warum?
Busemeyer: Man denke allein an die rechtlichen und datenschutzrechtlichen Hürden bei der Umsetzung. Aber auch: Irgendwoher muss das Kapital kommen, und die US-amerikanischen Unternehmerfamilien sind hier einfach wesentlich reicher als die deutschen. Interessanterweise wurden in Deutschland ähnliche Vorschläge häufig daher in Verbindung mit dem Ausbau der Erbschaftssteuer gemacht, ein politisch heißes Eisen. Da gibt es schnell Befürchtungen, dass auch Omas Häuschen wegbesteuert wird.
SPIEGEL: Unbegründete Befürchtungen?
Busemeyer: Häufig ja, denn es gibt bei der Erbschaftssteuer großzügige Freibeträge und eine moderate und gezielte Erhöhung müsste nicht die Mittelschicht treffen.
SPIEGEL: Was halten Sie von der Idee der Frühstartrente?
Busemeyer: Es geht vor allen Dingen um die Heranführung der jungen Generation an das Thema kapitalgedeckte Altersvorsorge und weniger direkt um Umverteilungspolitik. Ja, potenziell können hier Hürden beim Zugang zum Kapitalmarkt abgebaut werden, die eher bei ökonomisch Benachteiligten bestehen. Aber beim Thema Rente geht es eigentlich um einen anderen Aspekt.
SPIEGEL: Und zwar?
Busemeyer: Wie die aktuelle Rentendebatte zeigt, müssen über den Kapitalmarkt und die private Vorsorge Lücken geschlossen werden, die man mit Steuermitteln allein nicht mehr gestopft bekommt. Und damit auch langfristig um die Verschiebung des Verhältnisses zwischen kollektiver sozialer Absicherung und individueller Eigenverantwortung. Das Zitat von Ted Cruz zeigt die Nähe des Instruments der »Trump Accounts« zu eher wirtschaftlich-liberalen Ideen, die stärker auf Eigenverantwortung setzen.
SPIEGEL: Der liberale Ansatz bedeutet auch: Jeder kann frei entscheiden, wofür das angesparte Geld eingesetzt wird?
Busemeyer: Ja, in der radikal liberalen Variante müsste es dann wenig Einschränkungen geben bei der Frage, wofür das Geld eingesetzt werden kann. Wenn aber das Geld nicht als Investition in Bildung, Eigenheim oder Altersvorsorge eingesetzt wird, sondern für ein Selbstfindungs-Sabbatical auf der anderen Seite des Globus, ist weiter fraglich, wie effektiv das Kapitalstock-Instrument Probleme bei der Altersvorsorge lösen kann. Es ist absehbar, dass hier – je nach politischem Standpunkt – sehr unterschiedliche Einschränkungen bei der Verwendung der Mittel gefordert werden könnten.
SPIEGEL: Gibt es denn empirische Daten zu der Wirksamkeit solcher Kreditinstrumente?
Busemeyer: In der sozialpolitischen Debatte ist das ehrlich gesagt eher ein Randthema geblieben. Die Debatte um das Grundeinkommen hat viel mehr Dynamik in den vergangenen Jahren entfaltet, auch in der Forschung.

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