Russland sucht offenbar die Annäherung zu der radikalislamischen Regierung in Afghanistan. Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen sollen ausgebaut werden.
26. November 2024, 2:54 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, kj
Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, hat in Afghanistan Vertreter der Taliban-Regierung getroffen. Schoigu versicherte in Kabul bei einem Treffen mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten der Taliban-Regierung, Abdul Ghani Baradar, dass Russland die Taliban bald von seiner Liste verbotener Organisationen streichen werde, wie Baradars Büro im Onlinedienst X mitteilte.
Schoigu habe "das Interesse Russlands an einer Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit mit Afghanistan zum Ausdruck gebracht", hieß es in der Mitteilung weiter. Um die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auszubauen, werde der Name des islamischen Emirats bald von der russischen schwarzen Liste gestrichen.
Nach jahrelanger westlicher Militärpräsenz hatten die radikalislamischen Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan zurückerobert und ein sogenanntes islamisches Emirat ausgerufen. Seither setzen sie ihre strenge Auslegung des Islam mit drakonischen Gesetzen durch und beschneiden insbesondere Frauenrechte. International bleiben die Taliban auch weiterhin isoliert.
Beobachter erwarten Zusammenarbeit gegen IS
Der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge bestätigte Schoigu die Absicht Russlands, Beziehungen zu den Taliban aufnehmen zu wollen. "Ich bestätige die Bereitschaft, einen konstruktiven politischen Dialog zwischen unseren Ländern aufzubauen, auch um dem Prozess der innerafghanischen Aussöhnung Schwung zu verleihen", sagte Schoigu demnach.
Schoigu kündigte zudem an, russische Unternehmen würden sich an der Gewinnung von Rohstoffen in Afghanistan beteiligen. Die Äußerung Baradars, dass Russland die Taliban von seiner schwarzen Liste streichen wolle, kommentierte er nicht.
Analysten zufolge könnte Russland eine Zusammenarbeit mit der Taliban-Regierung anstreben, um der Bedrohung durch den Islamischen Staat in der Provinz Chorasan (ISPK) – dem in Afghanistan ansässigen Zweig der Dschihadistenmiliz IS – entgegenzuwirken. Im März waren bei einem Angriff der ISPK auf einen Konzertsaal in Moskau mehr als 140 Menschen getötet worden.
Die Taliban-Regierung hat wiederholt gesagt, dass die Sicherheit ihre oberste innenpolitische Priorität sei und dass Kämpfer, die Angriffe im Ausland planten, aus Afghanistan vertrieben würden.
Im Juli hatte der russische Botschafter in Afghanistan, Dmitri Schirnow, gesagt, die Taliban arbeiteten an der "Ausrottung terroristischer Zellen" und seien "unsere Verbündeten im Kampf gegen den Terrorismus".
Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban finden nur sporadisch Besuche ausländischer Regierungsvertreter in Kabul statt, da kein Staat die Taliban-Regierung offiziell anerkannt hat. Die Taliban bemühen sich jedoch zunehmend um eine Annäherung an ihre regionalen Nachbarn, insbesondere mit Blick auf eine wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit.