Seit der vergangenen Woche ist klar, dass die AfD „gesichert rechtsextrem“ ist – und zwar auf Bundesebene, nicht nur in einzelnen Ländern. Das hat sogleich eine Debatte über das Für und Wider eines Verbotsverfahrens ausgelöst. Daneben aber schwelt eine weitere Frage: Was wird eigentlich aus denjenigen der mehr als 50 000 AfD-Mitglieder, die ihren Eid auf jene Bundesrepublik geschworen haben, zu der ihre Partei unübersehbar quer steht? Einige Innenminister der Länder – etwa Roman Poseck aus Hessen und Joachim Herrmann aus Bayern – haben sich zu den Konsequenzen für AfD-Mitglieder im Staatsdienst geäußert. Ein Wort fällt dabei besonders auf: Was aus Beamtinnen und Beamten mit AfD-Parteibuch werde, wolle man „prüfen“.
Das war insofern eine kluge Äußerung, als den Verantwortlichen eines klar sein dürfte: Allein die Tatsache, dass jemand Mitglied in einer zwar als extremistisch eingestuften, aber gleichwohl erlaubten Partei ist, wird nicht für einen Rauswurf reichen. Es gibt keinen Automatismus, Beamte müssen nicht einmal Auskunft über Parteimitgliedschaften geben. Vielmehr ist ein disziplinarrechtliches Verfahren erforderlich, in dem festgestellt wird, welche Pflicht der Beamte verletzt hat – und was daraus folgt. Die Entfernung aus dem Dienst ist nur die höchste Eskalationsstufe. Davor steht eine Kette von Sanktionen, vom Verweis über die Kürzung der Dienstbezüge bis zur Zurückstufung.
Die Treuepflicht fordert ein aktives Bekenntnis zur Verfassungsordnung
Wie aufwendig ein solches Verfahren ist, lässt sich am Beispiel eines Polizeikommissars aus Berlin illustrieren. 2007 war gegen ihn unter anderem wegen des Vertriebs rechtsextremer CDs ermittelt worden. Nach und nach wurde offenbar, wie tief er im nationalsozialistischen Gedankengut steckte. Die Wohnung war voller Nazi-Devotionalien, auf Fotos zeigte er den Hitler-Gruß und selbst seine Haut ließ erkennen, wo er stand – er hatte sich Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen tätowieren lassen. Trotzdem dauerte es zehn Jahre, bis ihn das Bundesverwaltungsgericht endgültig aus dem Dienst entfernte.
Der Staat erwartet von seinen Beamten weitaus mehr als die beanstandungsfreie Erledigung eines Nine-to-Five-Jobs. Die beamtenrechtliche Treuepflicht fordert ein aktives Bekenntnis zur Verfassungsordnung, so hat es das Bundesverfassungsgericht 1975 formuliert. Daran knüpfen sie obersten Verwaltungsrichter an: „Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen.“ Wer diese Ordnung bekämpfe, dem fehle „die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes“.
Bekämpfen kann man diese Ordnung übrigens auch auf Formularen. Ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes hatte im Antrag für einen Staatsangehörigkeitsausweis als Wohnsitz das „Königreich Bayern“ angegeben. Das Bundesverwaltungsgericht identifizierte das Verhalten als typisch für Reichsbürger und entfernte den Mann aus dem Dienst - wegen der „Leugnung der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland“, der zu dienen er versprochen hatte.
Der Staat muss seinem Diener ein konkretes Verhalten nachweisen
Doch auch dieser Fall illustriert: Bevor der Staat seine Diener entlässt, muss ihnen ein konkretes Verhalten nachwiesen werden. Es gibt keinen AfD-Generalverdacht, keine pauschale Untauglichkeit für den Beamtendienst einzig wegen des Parteibuchs. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat zwar eine Gesamttendenz der Bundespartei festgestellt. Aber noch gibt es verschiedene Strömungen in der Partei, zudem ist das Programm deutlich harmloser als die Äußerungen der Funktionäre. Ein Urteil über jedes einzelne Mitglied hat der Verfassungsschutz nicht gefällt.
Dennoch könnte die höhere Einstufung der AfD eine Veränderung bringen. Zwar kann der einzelne auf Distanz zu besonders extremen Positionen gehen. Aber niemand könne sich mehr damit herausreden, er habe von der extremistischen Linie der Partei keine Ahnung gehabt, sagt Klaus Ferdinand Gärditz, Professor für Staatsrecht in Bonn. „Die Zeit der Unschuld ist ein Stück weit vorbei.“ Der Staat könne von den Beamten erwarten, dass sie sich mit ihrer AfD-Mitgliedschaft befassen – und mit dem, was daraus folgt.
Das dürfte vor allem für Beamtinnen und Beamte in besonderen Funktionen gelten. Nach Einschätzung von Gärditz werden Gerichte danach differenzieren, ob jemand sensible Tätigkeiten ausübt oder in der Hierarchie weiter oben steht. Die abstrakte Treuepflicht sei zwar für alle gleich, die Wirkung könne trotzdem unterschiedlich sein. „Bei Polizistinnen oder Soldaten, die Waffengewalt ausüben, wird man erhöhte Anforderungen stellen dürfen. Das ist anders als beim Bauamt.“
Und was gilt bei der Einstellung von Beamten? Rein rechtlich gesehen, gilt derselbe Maßstab: Treuepflicht ist Treuepflicht, für Anwärter wie für altgediente Beamte. Trotzdem ist es einfacher, jemandem den Job zu verwehren als ihn vor die Tür zu setzen. Vor einer Entlassung steht womöglich erst einmal die Kürzung der Bezüge.
Folgen für Waffenscheine und Stiftungsfinanzierung sind möglich
Das Gutachten des Verfassungsschutzes ist mithin ein Baustein rechtlicher Prüfungen, das gilt auch in anderen Zusammenhängen. Im Waffenrecht etwa wurden Konsequenzen für AfD-Mitglieder gefordert, auch wegen der manchmal gewalttätig klingende Rhetorik der AfD. Entscheidend ist hier die Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers. Aber weil Waffen nun mal gefährlich sind, lässt sich ein Waffenschein leichter verweigern als eine Gaststättenkonzession.
Relevant könnte das Label „gesichert rechtsextrem“ auch in Fragen des Geldes werden. Weniger für die Parteienfinanzierung der AfD, da sind die Hürden für deren Entzug ungefähr so hoch wie beim Parteiverbot. Womöglich aber für die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung. Nach dem Ende 2023 geänderten Gesetz könnte sie erstmals einen Anspruch auf Förderung als politische Stiftung haben, denn die erste Voraussetzung ist erfüllt: Die ihr nahestehende Partei ist zum dritten Mal in den Bundestag eingezogen.
Fließen wird das Geld aber nur, wenn die Stiftung die Gewähr bietet, „für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten“ – das ist die zweite Bedingung. Im Gesetz steht aber auch, wann eher kein Geld fließen sollte: bei einer „verfassungsfeindlichen Prägung der politischen Grundströmung, die der Stiftung zuzuordnen ist“.
Das alles muss wieder gesondert geprüft werden, auch hier gibt es keinen Automatismus. Auch, weil damit in die Chancengleichheit der Parteien eingegriffen würde, schrieb das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2023. Trotzdem ist ein Ausschluss von der Stiftungsfinanzierung möglich, schrieb das Gericht. Und zwar zum „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“.