Es ist inzwischen eine unselige Tradition. Jeden Sommer beginnen Bund und Länder ihre Verhandlungen über die Zukunft des Deutschlandtickets. An diesem Freitag kommen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und seine Länderkollegen dafür in der bayerischen Landesvertretung in Berlin zu einer Sonderkonferenz zusammen.
Derzeit ist die Finanzierung des Nahverkehrs-Abos, das über 13 Millionen Menschen in Deutschland nutzen, nur für dieses Jahr gesichert. Die Koalition aus CDU, CSU und SPD hat sich im Koalitionsvertrag aber auf eine Fortsetzung geeinigt – und einen stabilen Preis von 58 Euro pro Monat bis 2029 in Aussicht gestellt. „Der Anteil der Nutzerfinanzierung“ soll erst dann „schrittweise und sozialverträglich“ steigen.
13
Millionen Bürger nutzen das Deutschlandticket.
Die Länder sehen deshalb den Bund unter Zugzwang. Da der Bund laut Koalitionsvertrag den Preis des Deutschlandtickets in der laufenden Legislaturperiode stabil halten wolle, erwarte man, „dass der Bund die damit verbundenen Mehrkosten finanziert“, sagte Saarlands Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) der „Rheinischen Post“.
Bisher zahlen Bund und Länder pro Jahr jeweils 1,5 Milliarden Euro für das Ticket. Angesichts der Kostensteigerung bei Personal, Baukosten und Energie lässt sich damit ein Preis von 58 Euro im kommenden Jahr nicht halten.
Länder sehen Bund in der Pflicht
Eine einheitliche Position der Länder zum Ticket gibt es nicht. Zuletzt hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner den Bund sogar aufgefordert, das Ticket vollständig zu finanzieren. Andere Länder sind gesprächsbereit. Eine Erhöhung ihres Anteils schließen die meisten vor der Sonder-Verkehrsministerkonferenz (Sonder-VMK) jedoch aus.
Das spiegelt sich auch in einer Beschlussvorlage der Länder wider, die dem Tagesspiegel vorliegt. „Die Länder sehen keine Möglichkeit, insgesamt aufgrund der angespannten Haushaltslage gemeinsam mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für das Ticket aufzubringen“, heißt es darin. Ab 2026 solle der Bund eventuelle Mehrkosten übernehmen.
Doch Patrick Schnieder will den Anteil des Bundes nicht erhöhen. So sind im Haushaltsentwurf der Bundesregierung nur 1,5 Millionen Euro für das Ticket vorgesehen. Vor der Sonder-VMK bringt der Bundesverkehrsminister deshalb eine andere Lösung ins Spiel.
Ein fester Preismechanismus „wäre sehr wünschenswert“, sagte CDU-Politiker der dpa. „Unser Ziel ist es, dass wir das Deutschlandticket fortführen und auch einen dauerhaften Mechanismus finden, wie sich der Preis künftig entwickelt.“
Wenn ich mir anschaue, wie viele vom Auto auf den ÖPNV umgestiegen sind, können es aber durchaus noch mehr sein“
Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU)
Damit könnte der Preis des Deutschlandtickets analog zur Inflation oder den Preisen im Verkehrssektor steigen. Eine weitere mögliche Lösung wäre es, die Preissteigerungen anteilig zwischen den Kunden und den Steuerzahlern aufzuteilen. Das würde bedeuten, dass sowohl Zuschüsse von Bund und Ländern als auch der Preis mit der Inflation stetig moderat steigen.
Für die Verkehrsbetriebe hätte ein solcher Mechanismus einen entscheidenden Vorteil: Planungssicherheit. „Damit die Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln nicht noch größer wird, brauchen wir endlich einen ÖPNV-spezifischen Preisindex für das Deutschland-Ticket“, sagte Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), am Donnerstag.
SPD ist gegen Preiserhöhungen
Doch vor allem die SPD sperrt sich auf Bundesebene gegen Preissteigerungen für Kunden. Das macht eine Einigung an diesem Freitag nahezu unmöglich. Viel spricht dafür, dass die Verkehrsminister auch diesmal erst im Herbst eine Lösung finden, wie das Ticket zumindest im folgenden Jahr weiter angeboten werden kann. So erklärte auch Schnieder, er könne nicht sagen, ob man bereits ab 2026 einen dauerhaften Mechanismus etablieren könne.
© dpa/Kay Nietfeld
Der Bundesverkehrsminister wünscht sich zugleich, dass der Zuschussbedarf zu dem Ticket perspektivisch sinkt. Eine Reihe Nutzer sparten damit Geld. „Wenn ich mir anschaue, wie viele vom Auto auf den ÖPNV umgestiegen sind, können es aber durchaus noch mehr sein“, sagte Schnieder. Man müsse eigentlich dahin kommen, „dass ein Angebot wie das Deutschlandticket so attraktiv ist, dass es sich selber trägt“.
Branche fordert besseres Angebot
Die beste Werbung für das Deutschlandticket sei ein verlässliches und qualitativ gutes ÖPNV-Angebot, erwiderte Ingo Wortmann. Doch wie ein vom VDV in Auftrag gegebene Studie von drei Beratungsunternehmen zeigt, muss der Staat auch dafür viel Geld bereitstellen.
Allein um das aktuelle Angebot mit vereinzelten Verbesserungen zu erhalten, müssten die öffentlichen Zuschüsse demnach bis 2040 jedes Jahr um 1,44 Milliarden steigen – von heute 26 auf dann 49 Milliarden Euro. Nur so lassen sich aus Sicht des VDV die Kosten bewältigen, die für die Antriebswende, die Sanierung der Infrastruktur sowie für Digitalisierung und Automatisierung anfallen.
Öffentliche Mobilität muss zuverlässig, sicher und für alle bezahlbar sein – und das überall.
VDV-Präsident Ingo Wortmann
Für ein besseres Angebot auf dem Land und dichtere Takte in der Stadt bräuchte es noch einmal deutlich mehr Geld. Bis 2040 müssten die staatlichen Zuschüsse hierfür um jährlich 3,36 Milliarden Euro auf 80 Milliarden Euro steigen. So könnte die Zahl der Fahrgäste laut der Studie von heute zwölf auf bis zu 21 Milliarden erhöht werden.
Wortmann verspricht der Politik zwar auch Effizienzsteigerungen, hält aber auch höhere staatliche Mittel für angemessen. „Öffentliche Mobilität muss zuverlässig, sicher und für alle bezahlbar sein – und das überall“, betonte der VDV-Präsident.
Tatsächlich haben CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag einen Modernisierungspakt für den ÖPNV sowie mehr Geld für den Ausbau der Infrastruktur versprochen. Die Branche soll auch „Spielräume für neue Verkehre“ erhalten. Mit seiner Studie für ein „Deutschlandangebot 2040“ versucht der VDV nun, der Politik die Rechnung für diese Versprechen vorzulegen.