WHO verabschiedet Pandemieabkommen

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Neuer Vertrag der Weltgesundheitsorganisation So will die WHO die Welt vor Pandemien schützen

Millionen Tote, Lockdowns, Lieferengpässe: Das Chaos der Coronapandemie soll sich möglichst nicht wiederholen. Die Weltgesundheitsorganisation hat deshalb einen Pandemievertrag beschlossen. Das steht drin.

20.05.2025, 15.18 Uhr

Menschen mit Schutzanzügen während der Covid-Epidemie 2021 in Polen

Menschen mit Schutzanzügen während der Covid-Epidemie 2021 in Polen

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Beata Zawrzel / NurPhoto / Getty Images

»Die nächste Pandemie ist keine Frage des ›ob‹, sondern des ›wann‹«, warnt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Weltgemeinschaft hat nun einen Vertrag beschlossen, der Panik und Chaos wie während der Coronapandemie verhindern soll, falls es zu einer neuen Gesundheitsnotlage kommt.

Bei ihrer Jahresversammlung in Genf nahmen die Delegationen der Mitgliedsländer den Pandemievertrag ohne Abstimmung an. Der Konferenzvorsitzende fragte, ob es Vorbehalte gebe. Als sich niemand meldete, erklärte er den Vertrag für angenommen. Antworten auf drängende Fragen:

Was lief bei der Coronapandemie schief?

Als sich 2020 das Coronavirus Sars-CoV-2 von China aus in der ganzen Welt verbreitete, reagierten viele Länder mit Panik. Masken und Schutzmaterial waren knapp. Regierungen machten einander Bestellungen streitig, viele verhängten Ausfuhrsperren für solches Material, auch Deutschland. Als endlich Impfstoff verfügbar war, horteten Länder die Impfdosen, die USA und Indien stoppten sämtliche Ausfuhren. Und während in reichen Ländern schon die dritte Impfung verabreicht wurde, warteten Menschen in ärmeren Ländern noch auf die erste Lieferung.

Die Folgen: schätzungsweise 36 Millionen Tote weltweit – durch eine Infektion oder weil sie wegen anderer Krankheiten in der Pandemie nicht behandelt werden konnten. Die Wirtschaft brach weltweit ein.

Was wird mit dem Vertrag anders?

»Erst mal sollten wir feiern, dass es in diesen Momenten der internationalen Fragmentierung doch möglich war, diese Verhandlungen erfolgreich abzuschließen«, sagte Beate Kampmann, Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit an der Charité, dem Science Media Center. »Damit ist ein wichtiger Meilenstein zur Verbesserung der internationalen Gesundheitskooperation zwischen den Ländern, die der WHO angehören, erreicht worden.« Nun komme es auf die konkrete Umsetzung an.

Der Vertrag sieht eine ganze Reihe von Maßnahmen vor:

  • Prävention: Länder verpflichten sich, ihre Gesundheitssysteme und die Überwachung des Tierreichs so zu stärken, dass Krankheitsausbrüche schnell entdeckt und möglichst im Keim erstickt werden.

  • Lieferketten: Alle Länder sollen Zugriff auf Schutzmaterial, Medikamente und Impfstoff haben. Gesundheitspersonal soll weltweit zuerst versorgt werden.

  • Technologietransfer: Pharmafirmen sollen ihr Know-how teilen, damit auch in anderen Ländern Medikamente und Impfstoffe produziert werden können.

  • Forschung und Entwicklung: DNA-Sequenzen von Pathogenen – also etwa Viren, Bakterien oder anderen Mikroorganismen – sollen für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen frei zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug sollen Impfstofffirmen der WHO zehn Prozent ihrer Produktion zur Verteilung in ärmeren Ländern spenden und weitere zehn Prozent zu günstigen Preisen abgeben – das sogenannte Pabs-System.

Sind alle Erwartungen erfüllt worden?

In den gut dreijährigen Verhandlungen waren zahlreiche Kompromisse nötig. Europäer wollten etwa stärkere Auflagen bei der Prävention: Regierungen sollten das Krankheitsgeschehen in der Tierwelt enger überwachen, weil Erreger von dort sich an Menschen anpassen können. Ärmere Länder verwiesen auf die hohen Kosten.

Die afrikanischen Länder wiederum hätten gern strengere Auflagen im Pabs-System und beim Technologietransfer gesehen sowie klare Finanzierungshilfen zur Stärkung der Gesundheitssysteme.

Warum warnen Populisten vor dem Vertrag?

Es kursieren Verschwörungserzählungen, nach denen die WHO nun bei der nächsten Pandemie Zwangsmaßnahmen anordnen können soll. Das ist falsch.

In Artikel 22 des Pandemievertrags steht ausdrücklich, dass weder die WHO noch ihr Generaldirektor innerstaatliche Maßnahmen anordnen, Reisebeschränkungen verhängen, Impfungen erzwingen oder Lockdowns anordnen können. Der Vertrag gilt nur in Ländern, die ihn ratifizieren. In dem Vertrag sind keine Strafmaßnahmen vorgesehen, wenn ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Wie geht es weiter?

Die Modalitäten des Pabs-Systems wurden ausgelagert, sie müssen noch ausgehandelt werden. Das dürfte ein weiteres Jahr dauern. Dann erst kann der Vertrag den Regierungen zur Ratifizierung vorgelegt werden. Er tritt erst in Kraft, wenn 60 Länder ihn ratifiziert haben. Die WHO hat derzeit noch 194 Mitgliedstaaten, die USA und Argentinien haben jedoch ihren Austritt angekündigt.

Welche Folgen hat der Ausstieg der USA?

Die USA trugen bislang rund 20 Prozent zum Budget der WHO bei. Die WHO musste ihr Budget deshalb bereits deutlich kürzen. Insgesamt fehlen der Organisation in den kommenden zwei Jahren rund 1,5 Milliarden Euro, teilte WHO-Chef Tedros zum Auftakt des achttägigen Treffens in Genf mit.

Durch die Kürzungen bleiben der WHO pro Jahr noch etwa 1,8 Milliarden Euro – in Anbetracht der Aufgaben sei das sehr wenig, sagte Tedros. So eine Summe werde für Rüstungsgüter weltweit alle acht Stunden ausgegeben.

Die WHO hat wegen der nötigen Sparmaßnahmen einen drastischen Stellenabbau angekündigt. Das oberste Führungsgremium soll von 14 auf 7 Positionen und die Zahl der Abteilungen von 76 auf 34 schrumpfen. Unter anderem geht der durch die Coronapandemie bekannt gewordene Nothilfekoordinator Mike Ryan. Die Zahl der Beschäftigten von weltweit rund 9500 soll nach internen Plänen um 20 Prozent sinken.

Eigentlich müssten die USA für 2025 noch etwa 116 Millionen Euro zahlen. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass das Geld kommt. Der Austritt der USA aus der WHO wird Anfang 2026 wirksam. Experten sehen den Ausstieg kritisch. »Alleingänge und Abschottung sind nicht hilfreich, wie die letzte Pandemie eindrücklich gezeigt hat«, sagte etwa Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule in Berlin dem Science Media Center. Er hoffe, dass die nächste Pandemie nicht während der Amtszeit von Donald Trump ausbrechen wird.

China hat angekündigt, die WHO in den kommenden fünf Jahren mit zusätzlich 500 Millionen Dollar unterstützen zu wollen, umgerechnet etwa 444 Millionen Euro.

Deutschland stellt zusätzlich zehn Millionen Euro für die WHO bereit, wie Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in Genf mitteilte. »Die Welt braucht eine starke WHO«, sagte sie in ihrer Rede im Plenum. Die neue Bundesregierung werde ihre Unterstützung fortsetzen.

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