Wer steht hinter Kanzler Merz?: Die Fraktion fremdelt, Söder lässt kritisieren

vor 1 Tag 3

So recht gelungen ist das mit der Schadensbegrenzung noch nicht, seit Friedrich Merz am Freitag einen Satz formuliert hat, der in der Union wie eine politische Bombe eingeschlagen ist: „Die Bundesregierung genehmigt bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.“

Gefährlich ist für Merz, dass sich die Kritik an ihm seither aus zwei Quellen speist: Die einen sehen mit dieser Form der eingeschränkten Solidarität mit Israel einen Wesenskern christdemokratischer Politik bedroht, die anderen halten mindestens die Kommunikation eines solchen Kurswechsels für unterirdisch.

Während ein Regierungssprecher am Montag davon spricht, dass der Kanzler „mit allen Akteuren einen engen Austausch gepflegt“ habe zum Thema, spricht einer aus der Unionsfraktion von erneuter „Null-Kommunikation“.

Ein Kommunikationsfehler nach dem anderen

Kommunikativ ging in der Folge des Freitags noch mehr schief. So produzierte etwa eine Videoschalte mit Außenpolitikern der Union am Sonntagnachmittag neuen Ärger statt Verständnis für Merz. Als diese nämlich von Günter Sautter, dem außenpolitischen Berater des Kanzlers, dessen jüngste Israel-Entscheidung erklärt bekamen, äußerte sich parallel im Fernsehen Merz schon wieder selbst.

Auch eine schriftliche Erklärung war nach hinten losgegangen. Zur Begründung, warum Israel nach der Regierungsentscheidung zur Einnahme des Gazastreifens keine Waffen dafür bekommen solle, hatte Merz seiner Partei mitgeteilt: „Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei, die wir auch im Sinne unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel vermeiden müssen.“ Empört reagierte das CDU-Vorstandsmitglied Dennis Radtke: „Wir dürfen außenpolitische Entscheidungen doch nicht vom antisemitischen Mob auf unseren Straßen abhängig machen.“

Ich hätte mir gewünscht, dass dabei viel stärker die europäische Dimension seines Handelns und seine Annäherung an die britisch-französische Position betont würde.

Knut Abraham, CDU-Bundestagsabgeordneter in Brandenburg

Am Montag, drei Tage nach der Merz-Entscheidung, die mindestens ein schweres Sommer-Gewitter in der Union ausgelöst hat, spricht Fraktionschef Jens Spahn in einem Video-Statement von einer „vertretbaren Entscheidung“ des Kanzlers. Zugleich erklärt er, dass „Deutschland sobald wie möglich die Lieferungen wieder aufnehmen kann“.

Das hofft wohl auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, dessen Verlautbarung vom Montag sich ebenfalls wie eine klare Kritik an Parteichef Merz liest: „Die Terrororganisation Hamas stellt man nur im Kampf, nicht am Konferenztisch. Wir müssen Israel deshalb weiter ausrüsten, um diesen Kampf zu führen.“

Gerade den Unterstützern der ersten Stunde reicht es

Unabhängig davon, wie radikal die Kehrtwenden des Kanzlers in den ersten knapp 100 Amtstagen wirklich waren – gerade seinen Unterstützern der ersten Stunde scheint es nach Schuldenbremse-Kurswechsel oder Stromsteuer-Wortbruch zu reichen. Obendrein interessierte sich Merz kaum für die Bedenken in der Fraktion gegenüber der Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf.

„Unter ehemaligen Merkelianern herrscht plötzlich das Gefühl vor, dass nur noch sie Merz zur Seite stehen“, heißt es aus diesem Flügel der Partei. Ausgerechnet die liberal-pragmatischen Christdemokraten, denen das einst als konservativ-wirtschaftsfreundlich geltende Profil des neuen Parteichefs eher nicht zusagte, sind nun seine wichtigsten Verteidiger. So bat etwa Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der Fraktion, die Kritikerinnen und Kritiker aus den eigenen Reihen, sie sollten doch „bitte die Kirche im Dorf lassen“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Externen Inhalt anzeigen

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.


Natürlich registriert man in diesen Kreisen auch genau, wie der christsoziale Ministerpräsident aus Bayern die eigenen Leute mit Kritik am Kanzler vorschickt, während er selbst Sommerferien-Selfies mit Sonnenbrille postet: „Markus Söder wittert wieder einmal seine Chance – und genießt es, wenn Merz in der CDU kommunikativ erneut keine gute Figur macht, was die CSU eindeutig besser beherrscht.“

Erinnert wird an die widersprüchlichen Aussagen aus München zur Stromsteuer, deren vollständige Senkung durch das Festhalten am CSU-Wahlversprechen einer ausgeweiteten Mütterrente verhindert wurde.

Es war auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann, also Söders neuer Statthalter in der Unionsfraktion, der Merz’ Israel-Entscheidung und insbesondere deren Zustandekommen klar kritisiert hatte.

Nach dem Außenpolitikertreffen vom Sonntag war es wiederum der CSU-Politiker Stephan Mayer, der im Tagesspiegel den „Dissens“ in der Frage betonte, ob mit Merz’ Waffenexportstopp etwas für die in der Hand der Hamas befindlichen Geiseln oder die humanitäre Lage im Gazastreifen erreicht werde: „Ich hoffe, dass er sich schon in einigen Wochen in der Lage sieht, eine Revision der Entscheidung vorzunehmen.“

Für unnötig hält das der Brandenburger CDU-Außenpolitiker Knut Abraham, der in ihr „keine Abkehr von der deutschen Staatsräson“ erkennen kann, sich von Merz aber eine bessere Erklärung versprochen hat: „Ich hätte mir gewünscht, dass dabei viel stärker die europäische Dimension seines Handelns und seine Annäherung an die britisch-französische Position betont würde.“

Gerade diese Begründung will Spahn mit Blick auf die Staatsräson nicht gelten lassen: „Das unterscheidet Deutschland von anderen europäischen Partnern.“

Gesamten Artikel lesen