Verfolgt bis nach Deutschland: Exiljournalisten in Not: „Immerhin haben wir überlebt“

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„Immerhin haben wir überlebt und noch Leser in Russland“, sagt Katerina Abramova. Sie ist stellvertretende Geschäftsführerin des Nachrichtenportals Meduza, das aus dem Exil über Russland berichtet – als eines der wenigen verbliebenen unabhängigen russischen Medien. 2021 unterstützten laut Abramova noch 170.000 Menschen das Onlineportal, dann wurde es von Russland als „ausländischer Agent“ eingestuft und verlor auf einen Schlag alle Spenden. Seit 2014 hat das Portal seinen Hauptsitz in Riga, infolge des russischen Angriffskriegs verlegte es dann auch all seine Mitarbeiter ins Ausland. Seitdem haben die Repressionen in Russland enorm zugenommen; Spenden für Medien wie Meduza sind hochriskant. Trotzdem gelang es der Plattform, wieder auf die Beine zu kommen, auch mithilfe internationaler Kampagnen. Doch zuletzt fielen die Förderungen aus den USA weg. „Das vergangene Jahr war das härteste in unserer Geschichte“, so Abramova.

Es ist eine von vielen düsteren Geschichten, die auf dem „Exile Media Forum“ erzählt werden, das die Körber-Stiftung nun in Hamburg ausrichtete. Vielerorts sind Journalisten zur Flucht gezwungen, da die Repressionen zunehmen und die Zahl der bewaffneten Konflikte steigt. Doch das Überleben im Exil ist schwieriger geworden als früher. Die Situation für Exiljournalisten sei weltweit dramatisch, die Pressefreiheit stehe so gut wie überall unter Druck, sagt Jan Braathu, OSZE-Beauftragter für Medienfreiheit. Geflohene Journalisten erhielten nur schwer Visa, auch würden Exilmedien marginalisiert von den Algorithmen der großen Plattformen, die vor allem Staatsmedien zeigten. „Wir müssen mehr tun, sonst verschwinden Exilmedien“, so Braathu.

Sie leben in permanenter Unsicherheit

Viele Journalisten sind zunächst zur Flucht in Staaten wie die Türkei, Pakistan oder Iran gezwungen – allesamt selbst keine Leuchttürme der Pressefreiheit. Doch selbst jene, denen die Flucht in Länder wie Deutschland geglückt ist, leben in Unsicherheit. Davon berichtet Basma Mostafa. Die ägyptische Investigativjournalistin wurde in ihrer Heimat bedroht und verhaftet, mittlerweile lebt sie in Berlin. Doch dort wurde sie ebenfalls bedroht und geschlagen. Ihren Angaben nach von Mitarbeitern der ägyptischen Botschaft und der Nachrichtendienste. Demnach verfügen diese über ihre Adresse und Telefonnummer, bedrohten ihren Mann und ihre Tochter, verfolgten sie auf der Straße. Von der Polizei erhalte sie kaum Hilfe. „Im Moment habe ich kein Vertrauen in die deutschen Behörden.“ Derlei Repressionen gegen Exiljournalisten in Deutschland übten auch Länder wie China, Iran, Türkei, Indien und Vietnam aus, sagt dazu Julia Idler-Poppe, Referentin des Bundesinnenministeriums.

Sie wollte nie ins Exil, sagt Mascha Borsunowa, die aus Deutschland als freie Journalistin etwa für Arte über ihre russische Heimat berichtet. Ihre Arbeit werde von Jahr zu Jahr schwieriger, all die repressiven Gesetze Russlands wirkten, es sei sogar gefährlich, Interviews zu geben, sagt Borsunowa. Doch immer noch gebe es mutige Kollegen vor Ort, die anonym arbeiteten. Die Russin lebt in Deutschland. Viele ihrer Kollegen aus Belarus sind nach Polen gegangen. Dort gebe es mehr als 40 belarussische Exilmedien, die suche man zu vernetzen und mit Lösungen auszustatten, um die Zensur zu umgehen, sagt Natascha Belikowa vom Belarus Press Club. Doch Journalisten würden in Belarus als Extremisten oder Terroristen bezeichnet, was eine Unterstützung unmöglich mache. Rund die Hälfte des gesamten belarussischen journalistischem Ökosystems im Exil sei von den USA finanziert worden. Das sei nun alles weg.

Die Schließung der US-Entwicklungsagentur USAID sei ein enormes Problem für die Medien, sagt Jodie Ginsberg, Geschäftsführerin des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ). USAID gab zuletzt rund 270 Millionen Dollar im Jahr für Medienförderung, 150 Millionen davon direkt an Medien. All das Geld sei weggefallen, vielen Exilmedien drohe das Aus, sagt Ginsberg. Ausgerechnet Russland und China sprängen als Geldgeber ein und versuchten vor allem in Afrika die Berichterstattung zu ihren Gunsten zu formen. Eine der wenigen optimistischen Stimmen an dem Tag stammt von Sharif Amiry, einem Afghanen, der in Kanada Zuflucht gefunden hat und das Portal Amu.tv betreibt. Afghanische Exilmedien hätten sich zum schlimmsten Albtraum der Taliban entwickelt. Selbst beim Internet-Blackout kürzlich in Afghanistan, der der Zensur gedient habe, habe er viele Menschen erreicht, etwa mittels Satelliteninternet. „Es gibt also Wege, in diese Systeme einzudringen“, so Amiry.

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