In Großbritannien müssen Restaurants inzwischen angeben, wie gehaltvoll ihre Speisen sind. Aber ob Kalorienzahl oder Nutri-Score: Die Bevölkerung braucht andere Anreize, soll ihr Übergewicht sinken, sagen Experten. Und sie machen ein paar Vorschläge.
Wie kalorienreich sind die Würstchen oder eine Tüte „Fish and Chips“? Das müssen Restaurant-Ketten in England seit April 2022 auf ihre Speisekarten schreiben: Angaben zum Energiegehalt von Speisen dort für Betriebe mit mehr als 250 Angestellten vorgeschrieben. Aber das hält die Gäste kaum davon ab, genauso viele Kalorien zu konsumieren wie zuvor, das belegt eine neue britische Studie.
Die Regierung in London hatte die Speisekarten-Regel in der Hoffnung eingeführt, mit der Maßnahme der übergewichtigen Bevölkerung zu helfen. Die Idee: Wer über den Gehalt informiert ist, nimmt weniger Kalorien zu sich. In Deutschland sind Restaurants nicht dazu verpflichtet, auf Lebensmitteln im Supermarkt sind solche Angaben aber zu finden.
Für die aktuelle Studie befragte das Forschungsteam um Megan Polden und Eric Robinson von der Universität in Liverpool landesweit mehr als 6500 Kundinnen und Kunden von 330 Restaurants, Pubs, Cafés und Fast-Food-Verkaufsstellen. Und zwar vor der Einführung der Regel sowie danach; wobei sie nicht von allen Lokalen befolgt wurde. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal „Nature Human Behaviour“ veröffentlicht. Demnach bestellten die Befragten trotz der Zusatz-Informationen weder kalorienärmere Gerichte noch aßen sie weniger.
Die – gekaufte und verzehrte – Kalorienmenge wurde zwar nicht weniger, aber mehr Konsumenten waren sich dieser bewusst: Zuvor waren es nur 16,5 Prozent, nach der Einführung 31,8 Prozent. Nur gut ein Fünftel (22 statt zuvor 19 Prozent; eher Frauen als Männer, ältere und finanziell besser gestellte Menschen) berücksichtigte diese Information jedoch bei der Wahl, welche Speise es denn sein sollte.
Die Mehrzahl der Befragten wusste nach wie vor nicht, wie viele Kalorien sie konsumierte, und unterschätzte den Gehalt der gekauften Gerichte stark: durchschnittlich 1000 Kilokalorien – rund die Hälfte des Tagesbedarfs eines Erwachsenen.
Die Ergebnisse aus Großbritannien überraschen Experten wie Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München, nicht besonders: „Diese Erfahrung bestätigt frühere Beobachtungen, dass eine allgemeine Kennzeichnung nicht ausreicht, um die Auswahl beziehungsweise das Kaufverhalten signifikant zu verändern.“
Auch im Supermarkt beeinflusse etwa der Nutri-Score auf Lebensmitteln die Entscheidung so gut wie gar nicht, erklärt Hauner. Der Nutri-Score vergleicht ähnliche Lebensmittel hinsichtlich ihrer Nährwerte, also etwa einen Joghurt mit einem anderen Joghurt. Diese Bewertung – in fünf Farben von Grün bis Rot – gibt aber nicht an, wie gesund ein Lebensmittel generell ist.
Hauner meint, dass wahrscheinlich verschiedene und stärkere Maßnahmen und Anreize nötig seien, damit die Bevölkerung wirklich weniger esse. Auch Peter von Philipsborn, der den Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München innehat, hält eine Kombination für sinnvoll, um Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) Einhalt zu gebieten. Wichtig seien eine bessere Verpflegung in Kitas, Schulen, Betrieben und Kliniken.
Als weitere hilfreiche Maßnahmen nennt von Philipsborn mehr Bewegung im Schulalltag, mehr Sportangebote, mehr Grünflächen und Radwege – um es Menschen einfacher zu machen, sich mehr bewegen. Als sinnvoll erachtet er eine Steuerbefreiung von Obst, Gemüse und anderen gesunden Lebensmitteln sowie eine zusätzliche Abgabe auf Softdrinks, also zuckrige Getränke.
Tatsächlich gibt es in Großbritannien seit 2018 eine Limo-Steuer. Hersteller senkten daraufhin den Zuckergehalt ihrer Getränke, der Konsum von Limonaden sank. In der Folge reduzierte sich tatsächlich das Übergewicht zehn- und elfjähriger Mädchen, wie eine Studie aus dem Jahr 2023 annehmen lässt.
mit dpa